Soziale Dimensionen der Digitialisierung des Wohnens

Die sieben sozialen Dimensionen des Wohnens

Die soziale Dimension des Wohnens kann man anhand von sieben Dimensionen beschreiben:

Soziale Gesundheit: Der Zustand des sozialen Wohlbefindens und der Abwesenheit von sozial bedingten Krankheitsursachen – also Überlastung in der Arbeit, ungesunde, schlechte Wohnbedingungen, schlechte Hygienebedingungen in der Wohnumgebung, mangelnde Gesundheitsressourcen etc.

Soziale Integration: Die Überwindung von Einsamkeit, die Einbettung in eine fördernde Nachbarschaft und einen Bekanntenkreis, die Integration durch Arbeit in einen sinnvollen Zusammenhang der Gesellschaft, ein ausreichend sicheres Einkommen und eine Wohnung die groß und schön genug ist, damit man seine Freunde einladen kann.

Soziale Durchmischung: Das Leben in einer sozialen Durchmischung, die ein förderndes integratives Umfeld schafft, so dass jeder die Chance auf Integration nutzen kann und niemand im Armenghetto aufwächst.

Sozialer Aufstieg: Die Wohnung und Wohnumgebung soll so gestaltet sein, dass der Ausstieg aus der Armut und der Aufstieg in die Mitte der Gesellschaft gefördert werden. Andere in eine Wohnung einladen zu können, ist ein guter Indikator für sozialen Aufstieg.

Sozialer Zusammenhalt: Wohnen soll stattfinden in einer Kultur des sozialen Zusammenhalts, in der Nachbarschaftshilfe Alltag ist, in der ein freundliches lockeres „Wir“ entsteht, wo man zusammenarbeitet und teilt, wo man im Notfall weiterhilft, und gegen ungerechtfertigte Angriffe, Mobbing und Hassbotschaften verteidigt. Soziale Identität: Ist ein geteiltes und erzähltes „WIR-Gefühl“, ein Gefühl der Zugehörigkeit, ein Gefühl Teil von etwas Größerem zu sein, etwas Größerem, das Sinn und Orientierung gibt.

Sozialer Ausgleich: Sozialer Ausgleich heißt Umverteilung von Wohlstand, von jenen, die im Überfluss haben, zu denen, die in Mangel, Armut und Elend leben. Sozialer Wohnbau ist ohne Zweifel einer der stärksten Hebel der Umverteilung – der Umverteilung von oben nach unten.

Was ist Digitalisierung?

Digitalisierung bedeutet im Wesentlichen, dass wir große Mengen an Information zur Verfügung stellen, verarbeiten und nutzen können. Diese Informationen beziehen sich auf verschiedene Ebenen: geografische über die ganze Welt, historische über alle Epochen der Zeit, aktuelle Nachrichten über alle Ereignisse der Welt, wirtschaftliche über Regionen und einzelne Betriebe, und Informationen über technische Abläufe.

Wir leben in soziotechnischen Systemen. Wir alle leben in soziotechnischen Systemen – in Städten und Gemeinden, im Bildungswesen, der Arbeitswelt, im Gesundheitswesen, in Freizeit und Kultur, in sozialen Verbänden, in Interaktion und Kommunikation – all das sind soziotechnische Systeme. All diese soziotechnischen Systeme machen diese Entwicklung in Richtung Digitalisierung.

Wien ist eine Stadt und daher ein sehr komplexes soziotechnisches System: Die Wohnung, die Inneneinrichtung, das Wohnhaus und die Wohnumgebung zählen dazu und sind selbst soziotechnische Systeme. All diese Systeme werden durch Digitalisierung verändert.
Durch die Digitalisierung steigt das Ausmaß an Information, das uns zur Verfügung steht. Wir können uns über Dinge informieren, die wir bisher gedankenlos hingenommen haben.

Digitalisierung als Basis für Bildung und Freiheit

Wissen ist Macht und Bildung befreit uns:

  • aus der ökonomischen Abhängigkeit
  • aus der politischen Rechtlosigkeit
  • und aus der geistigen Verkümmerung

formulierten Viktor Adler und Karl Kautsky vor 130 Jahren für die Arbeiterbewegung.

Wenn Digitalisierung Information ist und Bildung die Fähigkeit, Information zu verarbeiten und kompetent für sich selbst oder für eine Gemeinschaft anwenden zu können, dann ist die Digitalisierung ja ein großes Projekt der Befreiung, der Eröffnung von Chancen und Möglichkeiten, durch bessere Information.

Tatsächlich, teilen große Teile der Bevölkerung, diese optimistische Sichtweise. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist zuversichtlich in Bezug auf die Digitalisierung im Bereich Wohnen und Wohnumgebung. Die starken Nutzer digitaler Technologien sind deutlich zuversichtlicher als jene, die diese nur wenig nutzen.

Ziemlich genau die Hälfte der Wiener Bevölkerung ist zuversichtlich in Bezug auf die Digitalisierung der Kommunikation und der Arbeitswelt.

Der Optimismus und die Zuversicht überwiegen, und je mehr man diese digitalen Technologien nutzt, desto optimistischer und zuversichtlicher ist man. Durch Information gewinnt man Freiheiten – aber diese Freiheiten sind nicht gleich verteilt.

Wer nutzt digitale Mittel im Alltag?

Die Nutzung digitaler Information hat sich in den letzten Jahren sehr stark ausgeweitet. Damit wird die Zahl jener größer, die sich von der Fülle der Information überfordert fühlen.
In Wien sind ein Drittel Heavy User, die Hälfte der Bevölkerung sind „Durchschnittsuser“ digitaler Information und ein Sechstel sind digitale WenignutzerInnen. Im Privateigentum wohnt der höchste Anteil an IntensivNutzern und im Gemeindebau wohnt der höchste Anteil an WenignutzerInnen.

Mehr als jede/r Vierte zählt zu den Überforderten von der jederzeit verfügbaren Vielfalt an Information.

Wie nutzt die Bevölkerung digitale Mittel?

Im Alltag nutzen die Menschen in Wien digitale Mittel für folgende Dinge:

  • 84% von uns nutzen Messenger Dienste,
  • 70% nutzen Social Media Plattformen,
  • 70% shoppen zumindest gelegentlich online,
  • 65% nutzen die digitale Information zum Öffentlichen Verkehr,
  • 64% nutzen die digitale Information zur räumlichen und geografischen Orientierung,
  • 30% nutzen digitale Hilfsmittel im Haushalt.

Ein Viertel nutzt die digitalen Möglichkeiten in der Kommunikation mit der Hausverwaltung. Ein weiteres Viertel nutzt digitale Mittel für die Kommunikation mit den Nachbarn. 15% nutzen digitale Nachbarschaftsplattformen.

34% gaben an, dass die Kontaktaufnahme mit Nachbarn leichter wird. 68% der starken Nutzer sind dieser Meinung.
85% der ArbeitnehmerInnen sehen Vorteile in der Digitalisierung, vor allem im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Auch wenn die Zuversicht der Bevölkerung die Sorge bei weitem überwiegt, sind manch spezifische Sorgen weit verbreitet:

  • Überwachung 68%
  • Datendiebstahl 69%
  • Fake News 56%
  • Mobbing 48%
  • Bedrohliche Inhalte 46%
  • Werbung 34%

Es zeigt sich allerdings, je stärker wir die digitale Welt nutzen, desto stärker sind unsere Kompetenzen und desto geringer sind unsere Sorgen.

Chancen der Digitalisierung

Die Digitalisierung bietet Chancen, den „social gap“ in der Gesellschaft zu verkleinern. Die digitale Kommunikation ermöglicht uns, jenes Sechstel der Bevölkerung, das Texte nicht sinnerfassend lesen kann, in die Kommunikationsprozesse zu involvieren.

Dazu zählt der Versuch, komplexere Texte mit den Regeln der „leichten Sprache“ verständlich zu machen. Da hat die Wiener Zeitung eine sehr verdienstvolle Initiative. In Wikipedia unter „leichte Sprache“ findet man einen Einstieg in diese Idee. YouTube Tutorials ermöglichen Menschen, die Text-Analphabeten sind, einen besseren Zugang zu Information. Wir können also digitale Information zur Integration der sozial Schwächsten verwenden, in dem wir unsere Webseiten und unser Informationsangebot besonders userfreundlich gestalten.

Das gilt im Bereich des Wohnens vor allem auch für Hausverwaltungen. Hausverwaltungen können ihr Beschwerdemanagement durch Digitalisierung so unterstützen, dass die Zufriedenheit der BewohnerInnen systematisch verbessert werden kann. Hausverwaltungen können den Mietern kostengünstige Zugänge zu Kabelfernsehen und WLAN organisieren. Wenn eine Hausverwaltung für 100, 1000, oder gar 10.000nde Mieter die Verträge mit Telekabel und Telekom organisiert, haben sie viel mehr Marktmacht als die individuellen Nutzer.

Wohnungssuche erfolgt überwiegend online - 70% der Wohnungssuchenden suchen online. Selbst 57% der digitalen WenignutzerInnen suchen online nach einer Wohnung. Volkshochschulen und Seniorenverbände können Kurse anbieten, wie man sich richtig im Netz gut informiert und so die soziale Spaltung der Gesellschaft verringern und die Partizipationsmöglichkeiten der sozial Schwächeren zu erhöhen.

Chancen gegen die Machtkonzentration. Auch der Machtkonzentration im Bereich der Bauwirtschaft und der Immobilienkonzerne können wir etwas entgegensetzen, nämlich eine möglichst starke und durch starke Eingriffsmöglichkeiten ausgestattete Politik. Für diesen Zweck muss man Gesetzen schärfere Zähne geben – wie etwa dem Kartellrecht, der Bauordnung, dem Wettbewerbsrecht. Jenseits der Gesetzgebung kann die Stadt auch die Möglichkeiten im Bereich der Digitalisierung nutzen.

Evidenzbasierte Politik. Digitalisierung hilft aber auch der Stadt bei der Entwicklung einer evidenzbasierten Politik. Digitalisierung ermöglicht Zahlen, Daten und Fakten zusammenzutragen, die notwendigen Erkenntnisse zu generieren, die Daten zusammenzuführen, die Analytik zu verbessern und eine Politik zu konzipieren, die auf Erreichung der Ziele in allen sieben Dimensionen des sozialen Wohnens hinzielt.

Evidenzbasierung kann jene Grundlagen schaffen, die die Politik als Basis braucht, um den Kräften des Marktes und vor allem dem Versagen des Marktes entgegenzuwirken.
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