Die Wohnsituation und Wohnbedürfnisse von Alleinerziehenden in Wien

Die Studie „Die Wohnsituation und die Wohnbedürfnisse von Alleinerziehenden in Wien“ setzt sich aus einem qualitativen und einen quantitativen Studienteil zusammen.Folgende forschungsleitende Fragestellungen konstituieren das Kerninteresse der Studie:
  • Wie gestaltet sich die Wohnsituation von Alleinerziehenden in Wien?
  • Wie gestalten sich die Wohnbedürfnisse von Alleinerziehenden in Wien?
  • Mit welchen Herausforderungen sind Alleinerziehende während der Trennungs- und Scheidungsphase hinsichtlich des Wohnens konfrontiert?
  • Welche Bedeutung haben gemeinschaftliche Wohnformen für Alleinerziehende in Wien?

Die Basis des quantitativen Teils bildet eine im August/September 2019 in Wien durchgeführte Befragung unter Alleinerziehenden, deren Kind bzw. jüngstes Kind zum Zeitpunkt der Befragung unter 19 Jahre alt war. Befragt wurden 348 Alleinerziehende. Davon wurden 248 InterviewpartnerInnen über einen Onlinefragebogen und 100 Personen über Telefoninterviews erreicht. Die Auswahl der StudienteilnehmerInnen erfolgte durch eine Quotenstichprobe. Anhand der quotierten Merkmale, Haushaltseinkommen und Alter des (jüngsten) Kindes sind die Ergebnisse repräsentativ für Alleinerziehende in Wien mit Kindern bzw. dem jüngsten Kind bis 18 Jahren. Beim Haushaltsnettoeinkommen, welches sich aus Lohn, Alimente, Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Bedarfsorientierte Mindestsicherung und sonstige Beihilfen zusammensetzt, wurden drei Subgruppen wie folgt definiert: bis 1700 Euro; von 1701 bis 2550 Euro und über 2551 Euro. Die drei Subgruppen betreffend des Alters des (jüngsten) Kindes teilen sich in die Kategorien: 0 bis 6 Jahre, 7 bis 12 Jahre und 13 bis 18 Jahre.

Die zehn qualitativen problemzentrierten Interviews wurden von Juni bis September 2019 mit Alleinerziehenden in Wien durchgeführt, deren (jüngstes) Kind unter 19 Jahren alt war.

Folgende Ergebnisse konnten anhand der durchgeführten Studie herausgearbeitet werden:

In Bezug auf die Zufriedenheit mit der aktuellen Wohnung, gaben insgesamt 71% der Befragten an, zufrieden zu sein. Bei der Aufschlüsselung auf die drei Einkommens-Subgruppen wird klar ersichtlich, dass mit sinkendem Einkommen die Zufriedenheit mit der Wohnung abnimmt.

Die Wohnkosten (Miete inklusive Betriebskosten plus Energiekosten) wurden als Ist- und Sollzustand erhoben. Es wird sichtbar, dass die Alleinerziehenden aller drei Einkommensgruppen grundsätzlich höhere Wohnkosten tragen, als für sie gut leistbar wäre. So gaben 26% der Befragten an, dass Wohnkosten bis maximal 500 Euro für sie passend wären, jedoch haben nur 21% der Befragten tatsächliche Wohnkosten in dieser Höhe. Dieser Unterschied zwischen passenden und aktuellen Wohnkosten betrifft vor allem die niedrigste Einkommensgruppe der Befragten mit einem Haushaltseinkommen bis 1700 Euro. 73% der befragten Alleinerziehenden geben über 30% ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen aus; ein Schwellenwert, der nicht überschritten werden sollte, um die Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe und Teilnahme zu garantieren.

Weiters wurde das Thema Rückzugsmöglichkeiten behandelt und damit zusammenhängend die Frage nach der Zimmeranzahl gestellt: hier ergibt sich das klare Bild, dass etwa ein Drittel der Alleinerziehenden in Wien in Wohnungen mit mindestens einem Zimmer zu wenig lebt. Konkret zeigt sich einerseits ein großer Mangel an leistbaren 4-Zimmer Wohnungen, andererseits die Tatsache, dass lediglich 10% der Befragten 2-Zimmer Wohnungen für passend halten, jedoch fast ein Viertel aktuell in solch einer Wohnung lebt. 29% der Alleinerziehenden geben an, dass ihre Kinder kein eigenes Zimmer haben. Auch hier zeigt sich wieder ein klarer Zusammenhang zwischen der Höhe des Haushaltseinkommens und der Verfügbarkeit eines eigenen Zimmers für die Kinder. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage nach dem Vorhandensein eines eigenen Elternschlafzimmers, das nicht das Wohnzimmer ist: 35% der Befragten steht ein solches nicht zur Verfügung. Diese fehlenden Rückzugsmöglichkeiten in der Einelternfamilie führen häufig zu Streitigkeiten, fehlender Privatsphäre, wenig Möglichkeiten für Besuch, Schlafzimmer, die sich Eltern und Kinder teilen und ein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber, ihnen kein eigenes Zimmer bieten zu können.

Bei der Frage nach dem Umzugswunsch gaben 30% an, dass sie aktuell planen, umzuziehen. Als Gründe für einen Umzug wurden an erster Stelle zu wenig Platz/zu wenige Zimmer und an zweiter zu hohe Wohnkosten genannt. Das spiegelt sich auch in den Wohnbedürfnissen wider. So sind die wichtigsten Faktoren bei der Wohnungssuche die Wohnkosten, der Zustand der Wohnung, verfügbare Freiflächen und Raumanzahl. 

Die Auswertung der qualitativen Daten zeigt außerdem, dass von Alleinerziehenden vor allem langfristige Wohnlösungen erwünscht sind und sich temporäre Wohnlösungen nur kurz nach der Trennung bzw. Scheidung sowie in Notsituationen als geeignet darstellen. Unbefristete Mietwohnungen werden favorisiert. Wohnküchen können nicht als passendes Äquivalent für ein separates Schlafzimmer geltend gemacht werden.

Die Suche nach passenden Wohnungen gestaltet sich für viele Alleinerziehende schwierig, hierfür sind insbesondere finanzielle Gründe ausschlaggebend. Nach den Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche befragt, waren die drei größten Hindernisse nicht leistbare laufende Wohnkosten, nicht leistbare Maklerprovisionen und nicht leistbare Kautionen an.

Hinsichtlich der Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche zeigt sich, dass Alleinerziehende der niedrigsten Einkommensgruppe und Alleinerziehende mit (jüngstem) Kind unter 7 Jahren von den oben genannten Schwierigkeiten am meisten betroffen sind.

Weiters werden in den qualitativen Interviews folgende Schwierigkeiten mehrfach erwähnt: fehlende finanziellen Ressourcen, mangelnde Zeitressourcen für die Wohnungssuche, nicht verständliche Ablehnungen des Wiener Wohntickets und die örtliche Einschränkung durch die gewünschte Nähe zu Kinderbetreuungseinrichtungen bzw. Schulen, um Kinder nicht aus ihrem gewohnten sozialen und geographischen Umfeld herauszureißen. Außerdem fühlten sich die Befragten häufig bei der Kreditvergabe (z.B. für Eigenmittel) und generell am Wohnungsmarkt benachteiligt. 22% der Befragten stimmten der Aussage Ich habe schon einmal eine Wohnung nicht bekommen, weil ich alleinerziehend bin zu.

Der Wohnübergang während bzw. nach der Trennung ist eine sensible Phase mit großen Herausforderungen für alle Beteiligten. Die Wohnlösung, die hier gefunden wird, ist ausschlaggebend für die weitere Biografie der Alleinerziehenden und ihrer Kinder. Hier herrscht oft großer Zeitdruck, sodass häufig suboptimale Wohnlösungen gefunden werden. 9% der Alleinerziehenden, die sich von dem anderen Elternteil getrennt haben und nach ihrer Wohnlösung nach der Trennung befragt wurden, waren zu dieser Zeit vorübergehend wohnungslos und haben bei FreundInnen, Verwandten oder in einem Mutter-Kind Haus gelebt. Von allen Befragten waren 21% schon einmal von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen.

Der Mangel an passenden Wohnmöglichkeiten führte bei 48% dazu, dass die Trennung herausgezögert wurde. 34% der Befragten lebten nach der Trennung noch längere Zeit mit dem anderen Elternteil zusammen, weil es keine andere Wohnmöglichkeit gab. Da sich Konfliktdynamiken unmittelbar nach einer Trennung bzw. Scheidung oft steigern, kann sich ein weiteres Zusammenwohnen für alle Beteiligten als überaus belastend darstellen.

Zum Zeitpunkt der Befragung wohnten 30% der Alleinerziehenden in einer geförderten Wohnung bzw. Gemeindewohnung. Von den anderen Alleinerziehenden gaben 20% der Befragten einen fehlenden begründeten Wohnbedarf aufgrund der Größe ihrer aktuellen Wohnung an, die sie sich jedoch nicht leisten können. 14% meinten, nichts von dieser Möglichkeit gewusst zu haben und 12% antworteten, dass sie schon früher ausziehen mussten und dringend eine neue Wohnung gebraucht haben. Bei 10% scheiterte es an dem 2-jährigen Hauptwohnsitz und 10% versuchten es nicht, weil ihnen die Antragstellung zu aufwendig vorkam.

Aus den qualitativen Daten ergibt sich zudem das Bild, dass die TeilnehmerInnen die geförderte Wohnlandschaft in Wien als intransparent empfinden und Alleinerziehende oft zu wenige Informationen über den Zugang und die Möglichkeiten von geförderten Wohnungen haben.

Insbesondere im geförderten Wohnbau wird gemeinschaftliches Wohnen für Alleinerziehende aktuell häufig als Lösung gesehen. Das allgemeine Interesse an gemeinschaftlichen Wohnformen nimmt mit sinkendem Einkommen und sinkendem Alter der Kinder zu. Nach den unterschiedlichen gemeinschaftlichen Wohnformen befragt, wurde deutlich, dass je näher bzw. gemeinschaftlicher eine Wohnform ist, desto weniger Alleinerziehende sich davon angesprochen fühlen. So fühlen sich 23% der Befragten von Wohngemeinschaften und 64% der Befragten von eigenen Wohnungen mit zusätzlichen Gemeinschaftsräumen im Haus angesprochen
Fakten
  • Fördergeber
    MA 50 (Wohnbauforschung und internationale Beziehungen)
  • Projektträger
    JUNO – Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende
  • Projektteam
    Sarah Zeller
    Raphaela Kohout
    Sophia Kastner
  • Dauer
    12/19
  • Downloads
  • Endbericht_DE 1.16 MB
    Abstract_DE 256.21 KB