Neubauquartiere im Bestand
Schnittstellen und die Förderung von Nutzeffekten für die Umgebung

Die Planung innerstädtischer Wohnquartiere auf ehemaligen Bahn-, Militär- und Produktionsflächen unterliegt komplexen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig werden attraktive Wohnstandorte, geschaffen, die nicht nur gute Renditen bringen, sondern auch für die Stadt Mehrwerte erzielen. Im Zuge des Projektes wird anhand von Fallbeispielen aus dem geförderten Wohnbau in Wien untersucht, in welcher Weise neue Quartiere in ihre Umgebung eingebettet werden und wie sich diese Bezüge stärken lassen. Neubauquartiere können dann auf ihre Umgebung positiv ausstrahlen, wenn maßgebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität im Umfeld vermieden werden, bestehende Standortqualitäten aufgewertet und etwaige Defizite kompensiert werden. Ansatzpunkte dazu sind die Schaffung von Verbindungen und Vernetzungen sowie ein Angebot komplementärer Dienstleistungen. Dabei können die Mehrwerte für die Umgebung anhand der systematischen Verschränkung stadt- und sozialräumlicher Ansätze optimiert werden.

Ausgangssituation und Forschungsfrage

In Wien sind im Bereich des geförderten Wohnbaus zahlreiche Neubauquartiere entstanden, die sich in bestehende Strukturen einfügen. In den innerstädtischen Bereichen handelt es sich häufig um ehemalige Bahn-, Militär- und Produktionsflächen, die einer überwiegenden Wohnnutzung zugeführt werden sollen. Dabei handelt es sich um attraktive Wohnstandorte, die nicht nur für Investoren gute Renditen bringen, sondern auch für die Stadt Mehrwerte schaffen können.

Die Einbettung neuer Wohnquartiere in die „Bestandsstadt“ unterliegt jedoch komplexen Rahmenbedingungen: Die Nachfrage nach leistbarem Wohnraum und der Nutzungsdruck auf Frei- und Parkräume steigen, ebenso die Heterogenität der Wiener Bevölkerung und die Bedenken hinsichtlich zunehmender sozialer Dichten. Dazu kommen steigende Kosten für technische und soziale Infrastrukturen. Entwicklungsideen über neu entstehende Quartiere müssen sich daher zunehmend mit vorhandenen Ressourcen und Defiziten der Umgebung befassen, die sinnvollerweise auch aus dem Blickwinkel der bereits ansässigen Wohnbevölkerung ermittelt werden. Auch der STEP 2025 sieht vor, dass sich der „Weiterbau der Stadt“ an der Bestandsstadt und den Bedürfnissen ihrer Bewohnerschaft orientieren soll.

An der „Schnittstelle von gefördertem Wohnbau und Stadtraum“ wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten versucht, über Qualitätsvorgaben und -verfahren übergeordnete städtebauliche, verkehrsbezogene und freiraumplanerische Zielsetzungen auf der Ebene von Bauprojekten zu implementieren. Gleichzeitig gewannen sozialraumorientierte Ansätze an Bedeutung. Im Zuge des Projektes wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise neue Quartiere in ihre Umgebung eingebettet werden und wie sich diese Bezüge stärken lassen.

Methodik

Anhand von Fallbeispielen aus dem Bereich des geförderten Wohnbaus werden Ansatzpunkte aufgezeigt, um Nutzeneffekte für den umgebenden Stadtteil zu fördern. Die Fallanalysen basieren auf Erhebungen vor Ort, der Analyse von Plan- und Textdokumenten sowie auf Leitfadeninterviews mit 17 ExpertInnen aus Bereichen der Verwaltung, Gebietsbetreuung, Stadtplanung, Freiraumplanung, gemeinnützigen Wohnbauträgern und Wissenschaft.

Die Auswahl der Projektareale erfasst unterschiedliche Gebiete sowie eine Bandbreite möglicher Planungsstrategien und Nutzeneffekte. In Abstimmung mit der Auftraggeberseite wurden der Bereich der „ehemaligen Mautner Markhof-Gründe“ im 11. Bezirk, das Entwicklungsgebiet „Wolfganggasse“ im 12. Bezirk, das Areal der „Theodor Körner-Kaserne“ im 14. Bezirk und der Bereich „Attemsgasse Ost“ im 22. Bezirk ausgewählt.

Voraussetzungen und Ansatzpunkte in der Planung für die Erzielung von Nutzeneffekten

Planungsprozesse innerstädtischer Neubauquartiere können insbesondere dann Mehrwerte für die Umgebung schaffen, wenn sie neben dem städtebaulichen Kontext auch die Interessenslagen der ansässigen Bevölkerung berücksichtigen. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligungen aus den Fallbeispielen zeigen, dass der Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz, ihren Funktionen und ihrem Symbolgehalt, die Gestaltung von Übergängen und Rändern sowie die Versorgung mit Freiräumen zentrale Anliegen der Bevölkerung sind, wenn neu gebaut wird. Bedenken beziehen sich in erster Linie auf den Verlust von Stellplätzen, den Verlust von „Grün und Natur“, auf ein „Zubetoniert-Werden“ sowie auf „Betonklötze“, die „die Sicht verstellen“. Wünsche betreffen in der Regel Grünräume, die Neugestaltung von Gehsteigen und Freiraumanlagen sowie die Nahversorgung und soziale Infrastruktur.

Neubauquartiere können demzufolge dann auf ihre Umgebung positiv ausstrahlen, wenn maßgebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität im Umfeld vermieden werden, bestehende Standortqualitäten aufgewertet und etwaige Defizite kompensiert werden. Dazu ist es erforderlich, stadt- und sozialräumliche Bezüge, Verbindungen und Vernetzungen mit der Umgebung herzustellen sowie ergänzende Funktionen oder Dienstleistungen anzubieten. Die geschaffenen Mehrwerte müssen darüber hinaus gezielt der ansässigen Bevölkerung kommuniziert werden.

BewohnerInnenorientierung

Die Einbindung der Bevölkerung erhöht die „Responsivität“ von Planungsprozessen. Diese reduziert das Gefühl, durch Stadtentwicklungsmaßnahmen übergangen oder übervorteilt zu werden. Die im Zuge der Fallanalysen untersuchten Beteiligungsansätze liefern Beispiele dafür, wie die Interessen der BewohnerInnen dialogorientiert oder über intermediäre AkteurInnen systematisch eingeholt werden können. Ein Erfolgsfaktor ist dabei eine frühzeitige, passgenaue und kontinuierliche Informationsarbeit, die bewusst Kommunikationsschwellen überwindet.

Beteiligungsformate erreichen in der Regel eher gut situierte Bevölkerungsschichten. Es gibt verschiedene Ansätze, um die „soziale Reichweite“ von Beteiligungsprozessen zu erhöhen, darunter Sozialraumanalysen, „Fairness-Checks“, Beiratsmodelle oder aufsuchende Ansätze. ExpertInnen schlagen einen verstärkten Einsatz senderInnenorientierter Modelle vor, bei denen Inhalte nicht durch FachexpertInnen sondern durch ZielgruppenverterterInnen oder zwischengeschaltete AkteurInnen transportiert werden. Eine wichtige Ebene ist dabei jene der Bezirke. Diese stellen häufig eine Art „Arena“ zur Austragung von Konflikten dar. Gleichzeitig ist die mediale Information über Bauvorhaben auf dieser Ebene besonders dicht. Eine Stärkung der vermittelnden Rolle der Bezirke kann ein Ansatz sein, um konflikthafte kommunale Themen vorausschauend und integrativ zu behandeln.

Eine weitere Möglichkeit, die Bedürfnisse der ansässigen Bevölkerung im Zuge städtebaulicher Entwicklungsprozesse zu berücksichtigen, bieten flankierende Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität. Stadtteilbezogene Veränderungen durch Neubau und Sanierung werden dadurch in einen übergeordneten Rahmen gestellt, der auf eine positive Gesamtentwicklung hinweist.

Die Vernetzung von ansässigen und neu zugewanderten BewohnerInnen kann auch durch die Stärkung der Funktion von Bildungsangeboten als „Quartiersinfrastruktur“ gefördert werden. So bieten Wiener Volkshochschulen „wohnortnahe Lernorte“, die die Vernetzung von Menschen im Stadtteil fördern. Quartiere können abseits der schulischen Bildung als Lern- und Lehrorte fungieren. Um eine entsprechende Vernetzung von Bildungseinrichtungen zu forcieren, wurden in Wien sogenannte „Bildungsgrätzel“ ins Leben gerufen.

Bestandsorientierung

Die Fallanalysen zeigen, wie sich die untersuchten Neubauquartiere hinsichtlich der Bebauungs-typologien, Höhenentwicklungen, Erdgeschoßnutzungen, Freiraumschemata und gestalterischen Übergänge in ihre Umgebung einbetten.

Generell kann der städtebauliche „Kontextbezug“ innerstädtischer Neubauquartiere unter der Perspektive eines „qualitätsvollen Weiterbauens“ in gewachsenen Strukturen betrachtet werden. Wichtige Prinzipien sind in diesem Zusammenhang die „Fortschreibung vorhandener Strukturen“, die „Ableitung aus Gesetzmäßigkeiten“ und die „Gebrauchsfähigkeit baulicher Strukturen“.

Diese „Fortschreibung“ bedeutet allerdings nicht ein bloßes Weiterführen von Bestandsstrukturen, sondern impliziert eine verstärkte Bedachtnahme auf Übergänge und Ränder. Städtebauliche Antworten können dabei ein Weiterführen von Erdgeschoßzonen und Fensterachsen wie auch die Körnigkeit und Materialität von Fassaden liefern. Das Beispiel der „Mautner Markhof-Gründe“ an der Simmeringer Hauptstraße zeigt diesbezüglich, dass dem Einfügen in straßenseitige Ensembles vor allem bei Lückenschließungen ein hoher Stellenwert zukommt.

Nutzeneffekte

Bei allen Fallbeispielen wurde auf die umgebenden Bebauungstypologien vor allem dahingehend Bezug genommen, dass an der Randbebauung immer wieder die bereichsweise überwiegende Blockrandbebauung aufgenommen wurde. „Bebauungstypologien“ werden zumeist schon innerhalb des Plandokumentes festgelegt. Gerade in den letzten Jahren haben sich die Herangehensweisen weiterentwickelt, indem beispielsweise Bürgerbeteiligungsprozesse vorgeschaltet oder sogenannte „verschränkte Verfahren“ von Widmung und Bauträgerwettbewerb eingeführt wurden.

Grundsätzlich wurde auch in Bezug auf die Höhenentwicklung der Baukörper versucht, mit höheren Baukörpern in den jeweiligen Innenbereich des Quartiers zu rücken. Mit einer dadurch im Wesentlichen von außen nach innen ansteigenden Bebauungshöhe wurde damit u.a. auch auf die Ergebnisse vorgeschalteter Bürgerbeteiligungen reagiert.

Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht das Gebiet „Wolfganggasse“, bei dem die umgebenden Bestandshöhen teilweise deutlich überschritten werden. Dadurch wird jedoch bewusst ein städtebaulicher Akzent gesetzt, welcher der Lage in der Stadt zwischen der Bahn und dem Gaudenzdorfer Gürtel bzw. Margaretengürtel gerecht wird.

Die Analyse der Nutzungen – abseits von Wohnen – zeigt, dass sich die Nutzungsstrukturen in den Umgebungsbereichen der Fallbeispiele deutlich unterscheiden. Sie reichen von sehr dichten und gemischten Nutzungen im Bereich der Simmeringer Hauptstraße (Fallbeispiel „Mautner Markhof-Gründe“) bis zu eher vereinzelten Nutzungen an der Donaufelder Straße (Fallbeispiel „Attemsgasse Ost“). Bei allen Fallbeispielen ist zu beobachten, dass sie vor allem ergänzende Angebote im Bereich sozialer Infrastrukturen anbieten bzw. vorsehen.

Fazit

Zu den unmittelbaren Nutzeneffekten der untersuchten Neubauquartiere zählen insbesondere hochwertige Freiräume, gute Fuß- und Radwegeverbindungen sowie komplementäre Angebote und Dienstleistungen in der Erdgeschoßzone.

Eine auf die Optimierung stadträumlicher Mehrwerte ausgerichtete Planung ist nur in Bezug auf den jeweiligen Kontext möglich. Die Fallbeispiele zeigen eine verstärkte Tendenz zu intensiveren Vorprojektphasen, zu einem ganzheitlichen Planungsverständnis und zu maßgeschneiderten sozialräumlichen Ansätzen. Eine besondere Herausforderung besteht in der Sicherstellung der Kontinuität des Informationsflusses, aber auch der Wertigkeiten und Relevanzen stadträumlicher Zielsetzungen. Begleitende Instrumente der Koordination, Information und Qualitätssicherung spielen daher neben den formalen Abläufen eine bedeutende Rolle.

Eine systematische Erfolgskontrolle dieser verschiedenen Herangehensweisen ist von entscheidender Bedeutung, um deren Effektivität im Hinblick auf das Erreichen von Planungszielen, die Akzeptanz seitens der Bevölkerung, die Beschleunigung von Prozessen und die Aktivierung von Zielgruppen nachträglich bewerten zu können. Hinsichtlich der Qualitätssicherung wird darüber hinaus ein Nachschärfen der Beurteilungskriterien und eine systematische Auseinandersetzung mit sensiblen Rändern und Übergängen empfohlen. Ein weiteres zielführendes Instrument zur Förderung stadtteilbezogener Nutzeneffekte von Neubauquartieren sind städtebauliche Verträge. Ein vorgeschaltetes internes Clearing im Sinne einer stadtteilbezogenen Sozialplanung würde dabei Aushandlungsprozesse unterstützen.

Die Verknüpfung des Bestandes mit Neubauvorhaben kann durch Stadtteilinitiativen, Kooperationen und Verwertungsagenturen für Erdgeschoßflächen verbessert werden. Dazu sind Förderschienen bzw. Finanzierungsquellen außerhalb der Wohnbauförderung nötig. Stadtteilinitiativen sind eine Möglichkeit, um die Bedürfnisse der ansässigen Bevölkerung im Zuge städtebaulicher Entwicklungsprozesse zu berücksichtigen, indem sie den Weg für flankierende Projekte aufbereiten, die auf eine Verbesserung der Lebensqualität, Arbeitsmarkt- und Bildungschancen abzielen. Sharing-Ansätze eignen sich zwar nicht zur Bewältigung prekärer Lebensverhältnisse, allerdings gibt es sinnvolle Ansatzpunkte im Bereich der Energieversorgung und Nachbarschaftshilfen. Um die Vernetzung der BewohnerInnen von Neubauquartieren und deren Umgebung durch solche Ansätze gezielt zu fördern, wäre eine Verknüpfung der Prozesse auf Ebene von Gebietsbetreuung und sozialer Begleitung nötig.
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