Lebens- und Arbeitsräume bei Theophil Hansen

Das Jahr des 120. Todestages von Theophil Hansen (*1813 in Kopenhagen, +1891 in Wien) und seinen bevorstehenden 200. Geburtstag im Jahr 2013 nahm die Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV) zum Anlass, das zeitge-nössische Umfeld dieses großen Baukünstlers, die kulturellen Ansprüche seiner Auftraggeber sowie seinen Stellenwert als einen der prägenden Architekten der Wiener Ringstraßenära zu beleuchten.Theophil Hansen wurde in Kopenhagen am 13.7.1813 geboren, er erwarb 1836 das Diplom der Königlichen Bauakademie bei Prof. Gustav Hetsch, und reiste anschließend durch Deutschland und Italien nach Griechenland. Sein Bruder Hans Christian Hansen (1803-1883) war bereits dort ansässig und arbeitete an Forschungen zur Akropolis. Er wurde dort als erst 27-jähriger Professor und unterrichtete zwischen 1840-43 an der Polytechnischen Schule in Athen. Ab 1842 entstanden hier die ersten Bauten Hansens.

1846 wurde er von Ludwig von Förster in das Atelier in Wien geholt, wenig später heiratete er dessen Tochter. Aus dieser Zusammenarbeit, die bis 1852 währte, entstanden eine Vielzahl bedeutender Bauten in Wien und Umgebung. Dazu gehören die (evangelische) Gustav-Adolf-Kirche in der Gumpendorferstraße (1846), das Arsenal oder die die Griechisch-Orthodoxe Kirche am Fleischmarkt (1858). Mit dem (1954 abgerissenen) Heinrichhof (1861-63) am Opernring für den Ziegelindus-triellen Heinrich von Drasche-Wartinberg begründete Hansen einen neuen Typ Wohnhaus - das Zins-Palais. Seine Auftraggeberschaft konstituierte sich aus dem aufstrebenden neoliberalen Bürgertum, das sein neuerworbenes Selbstbewusstsein und Wohlhabenheit in den besten Lagen der Stadt im neu parzellierten Ringstraßen-gebiet zur Schau stellte.

So wurde Hansen zum Autor wesentlicher Bauten der Ringstraße - wie neben dem Heinrichhof dem Palais Todesco (1861), dem Palais Epstein (1868) für den Bankier Gustav R. von Epstein, an dem Otto Wagner Projektleiter war, dem Palais Ephrussi (1872/73), der Börse (1871), und der Akademie der bildenden Künste (1871). In letzterer war Hansen ab 1848 Mitglied, unterrichtete dort auch Perspektive für Maler. 20 Jahre später wurde er als Nachfolger von Eduard van der Nüll als Professor einer eigenen Architekturschule an der Akademie berufen, die er 1884 wieder verließ. Inzwischen baute er wieder in Griechenland, auch in Dänemark, der Slowakei, in Niederösterreich und am Traunsee. Als sein Lebenswerk ist jedoch das Parlament in Wien zu bezeichnen, das 1873-83 errichtet wurde.

Die Zentralvereinigung der Architekten Österreichs (ZV) wurde 1907 gegründet. Ursprünglich Standesvertretung der Architekturschaffenden, ist die ZV heute eine Vereinigung, die für Baukultur und Architekturqualität eintritt. Sie regt Diskussionen zu Architektur und Städtebau an und gibt Impulse zur Weiterentwicklung des Berufs-bildes der ArchitektInnen. Was bewegt also eine Organisation, die 16 Jahre nach Hansens Tod ins Leben gerufen wurde, ihm heute eine besondere Beachtung zuteilwerden zu lassen.

Zahlreiche Werke Hansens - angefangen von Villen inner- und außerhalb Wiens, über innerstädtischen Palais bis zu seinem "Lebenswerk", dem österreichischen Parla-ment, wurden und werden derzeit oder demnächst saniert und adaptiert. Hansens Werk ist also auch durch diese Interventionen gegenwärtig und sein Nachleben von deren Qualität abhängig.

Im Hohen Haus dreht sich die politische Debatte vor allem um die notwendigen Reparaturmaßnahmen und die zu erwartenden hohen Investitionen. Die ZV möchte in dieser Diskussion Aufklärungsarbeit leisten, Überlegungen zu einer zeitgemäßen Erneuerung des Hauses stimulieren und zum Verständnis der Arbeit Hansens beitragen. Unsere Organisation würdigt das wichtigste Werk dieses Architekten nicht nur deshalb, weil der langjährige Ehrenpräsident Architekt Eugen Wörle mit seinem Partner Architekt Max Fellerer 1956 den architektonischen Wiederaufbau des Hauses nach dem 2.Weltkrieg verantwortet hat. Es gilt das österreichische Parlament, dieses Bauwerk, das zu unserem kulturellen Erbe gehört, für die Erfordernisse eines neuen Jahrtausends zu erneuern. Das ist eine spannende, eine durchaus differenziert zu betrachtende architektonische und raumbildnerische Aufgabe, die ArchitektInnen, Bauingenieure und viele andere PlanerInnen beschäftigen wird. Es mögen die besten Köpfe Europas daher eingeladen werden, eine taugliche Lösung zu finden.

Die vorliegende Untersuchung besteht aus zwei Beiträgen, die grundlegende Überlegungen zur Arbeit Hansens enthalten:

  1. Der Aufsatz von Christian Kühn, Architekturkritiker und Professor für Gebäudelehre an der Technischen Universität Wien, befasst sich mit historischen Referenzen Hansens, seiner und anderer Architekten Liebe zur Antike, der Modernität seiner Schöpfungen und dem Fortschritt in der Architektur.
  2. Mara Reissberger, Kunsthistorikerin und Kulturwissenschafterin, befasst sich mit dem das Wiener Stadtzentrum prägenden Bautypus jener Zeit, dem Zins-Palais und Hansens Denken im Gesamtkunstwerk.
Fakten
  • Projektträger
    ZV Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs
  • Projektleitung
    Maria Auböck
  • Autoren
    Christian Kühn
    Mara Reissberger
  • Laufzeit
    09/2011 - 11/2011
  • Kontakt
    zv[at]aaf.or.at
  • Downloads
  • Abstract 87.4 KB
    Projektbericht 4.29 MB