Intelligent komprimierte Wohnlösungen

Motivation

Der Untersuchung entstand aus mehreren Beweggründen. Zum einen aus der Überzeugung, dass Wohnqualität nicht vorrangig eine Frage von Quadratmetern sondern vor allem von vielfältig nutzbaren und alltagstauglichen Grundrissen ist.

Zum anderen die Tatsache, dass in Wien seit Jahrzehnten die Nachfrage nach Klein- und Mittelwohnungen steigt, Ein- und Zweipersonenhaushalte machten 2010 - laut Statistik Austria - 73,61 % aller Haushalte aus. Wobei im Stadtentwicklungsplan der Stadt Wien STEP 05 (2005) "Klein- und Mittelwohnungen" mit 60 - 80 m² angegeben werden. In den letzten zwei Jahrzehnten sind zudem die Wohnungsmietpreise kontinuierlich gestiegen und liegen derzeit auf dem freien Wohnungsmarkt bei zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter und mehr. Gleichzeitig sinkt das Einkommen der privaten Haushalte. Ein Ende dieser Schere ist derzeit nicht absehbar. Es ist also durchaus sinnvoll, nach Wohnungstypen zu suchen, die trotz einer reduzierteren Wohnfläche eine hohe Wohnqualität und Benutzbarkeit anbieten.

Ein dritter Beweggrund ist ein Blick in die Zukunft. Sue Roaf schreibt in ihrer Publikation "Ecohouse 2" (Oxford 2003, S. 1), dass die Gebäude in Industrieländern mehr als die Hälfte der dort insgesamt verbrauchten Energie benötigen und mehr als die Hälfte der Umweltgase produzieren. Die Diskussion über und Überlegungen zum Nachhaltigen Bauen stehen allerdings noch am Anfang. Nachhaltiges Bauen bezieht sich nicht nur auf eine günstige Energiebilanz eines Hauses, es fordert eine ganzheitliche und lebenszyklusweite Betrachtungsweise. In Zukunft werden Bauwerke benötigt, die die Ressourcen schonen und bei ihrer Errichtung, während des Betriebs und später, bei ihrer Beseitigung, möglichst wenig nicht verwertbaren Abfall verursachen. Sie sollten keine gesundheits- und klimaschädigenden Emissionen hervorrufen und am richtigen Standort eine lange Nutzung ermöglichen. Nachhaltig gebaute Gebäude sollten auch intelligent komprimierte Wohnmodelle anbieten.

Heute wird noch häufig wegen der erhöhten Errichtungskosten gegen nachhaltige Überlegungen argumentiert, es gibt aber bereits Untersuchungen, wonach nach baubiologischen Grundsätzen gebaute Projekte nicht wesentlich teurer sind als solche nach herkömmlicher Bauweise, das richtige Wissen vorausgesetzt.

Ziel

Ziel der Untersuchung ist es, ein breites Spektrum an kleinflächigen Wohnungsmodellen zu zeigen. Das Forschungsgebiet erstreckt sich auf die Zeit ab ca. 1920 und auf Europa, Japan, China, die USA und Chile. Die vielfältigen Beispiele sollen auch als Anregung verstanden werden. Die besonderen Herausforderungen, die mit der Entwicklung intelligent komprimierter Wohnlösungen verbunden ist,
kann Impulse für das Überdenken herkömmlicher Raumanordnungen geben und neue Vorschläge bringen, die mit aktuellen und vielleicht auch zukünftigen Bedürfnissen übereinstimmen.

Zielgruppen

Zielgruppen für die Kleinwohnungen, die ich untersucht habe, sind Jugendliche in Ausbildung, kleine Haushalte mit 1 - 2 Personen, Alleinerziehende und freiberuflich Tätige, die z. B. auch ihren Arbeitsplatz zuhause haben. Ich bringe auch einige Bespiele flächensparender und variabel nutzbarer Wohnungstypen für Mehrpersonenhaushalte.

Inhalt - Beispiele

Das Forschungsmaterial ist sowohl nach Beispielen als auch nach einzelnen Aspekten geordnet. Unter den Beispielen finden sich aktuelle Kleinstapartments unter 20 m², vor allem aus Japan und China, zwei Wohneinheiten zwischen 20 und 30 m² (eines aus London von 1933 und eines aus Japan von 2004) und einige historische und aktuelle Beispiele unter dem Stichwort "Servicehäuser". Weiters vier sehr ausgeklügelte Wohnlösungen ("32 - 34 - 35 - 55 m²"), drei davon werden bzw. wurden von den Entwerfenden selber bewohnt.

Der nächste Abschnitt befasst sich mit vier Modellen mit jeweils einem Schlafzimmer, bei denen ein Rundumgehen in der Wohnung möglich ist. Diese Beispiele wurden noch komprimiert (38 - 44 m²) und zwei davon an Gebäude mit einer größeren Bautiefe angepasst. Grundrisse von Kleinwohnungen mit zwei Individualräumen werden in insgesamt zwölf Beispielen aus Europa, der USA und aus China im Zeitraum von 1927 bis 2005 gezeigt. Den Entwürfen zweier italienischer Spezialisten für Minimalwohnraum ist ein eigener Abschnitt gewidmet: Pino Pizzigoni (1946) und Joe Colombo (1967).

Unter dem Stichwort "Mehrpersonenhaushalte" werden flächensparende Wohnungen gebracht, die eine variable Nutzung erlauben. Da junge Erwachsene heute immer länger zuhause wohnen bleiben (2010 waren es österreichweit laut Statistik Austria rund 70 % der 20 - 24 jährigen Männer und rund 56 % der Frauen in der selben Altersgruppe), ist es überlegenswert, dass Wohnungsgrundrisse für Familienhaushalte auch dazu geeignet sein sollten, die Bedürfnisse von mehreren erwachsenen Personen zu erfüllen. Zuletzt in diesem Kapitel sind einige Beispiele zum Thema "Wochenende etc." versammelt.

Das zweite Kapitel befasst sich mit jenen Komprimierungen von Wohnraum, die sich als "Funktionsmöbel" beschreiben lassen. Hier reicht das Spektrum von Prototypen, in denen alle oder mehrere Funktionen einer Wohnung untergebracht sind, über "vorgebaute, raumangepasste Möbel" bis hin zu platzsparenden Möbelstücken. Der Ausdruck "vorgebaute, raumangepasste Möbel" stammt von der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Sie hat sich in den 1920er Jahren sehr mit diesem Thema beschäftigt und hat in Berechnungen nachgewiesen, dass bereits in den Bau einer Wohnung integrierte Möbel 35 - 40 % an Wohnfläche ersparen könnten.

Inhalt - Aspekte

Im Weiteren werden verschiedene Elemente des Forschungsmaterials herausgenommen und unter drei Aspekten betrachtet, die bei der Planung komprimierter Wohnräume wichtig sind.

Das Kapitel "Flächen sparen" behandelt in Beispielen die Auflösung von Funktionsräumen, die Stapelung von Wohnbereichen und die Themen "Schrankwände" und "Auslagern".

Der Aspekt "Raum erweitern" ist in fünf Stichworte unterteilt: Proportionen, Bewegungsmöglichkeit, Wände, Fenster, Nischen.

Das letzte Kapitel dieses Abschnitts versucht nochmals einige wichtige Aspekte des Themas zu konkretisieren. "Was bei komprimierten Wohnlösungen besonders wichtig ist" umfasst Wohnqualitäten, die bei allen Wohnungen wünschenswert sind, aber bei kleinen Räumen besonders ins Gewicht fallen: Stauraum, Freiraum, keine Hindernisse, Ausblick - Licht - Belüftung, Lärmdämmung, Material.

Nachhaltigkeit

Das letzte inhaltliche Kapitel der Untersuchung beschäftigt sich mit dem Thema "Nachhaltigkeit - Zukunftsfähigkeit". Komprimierte Wohnlösungen sind heute und wie bereits weiter oben erwähnt - im Gegensatz zu ähnlichen Überlegungen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts oder in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg - nicht nur aus Gründen der Leistbarkeit ein aktuelles und zukünftiges Thema, sondern auch in Hinblick auf Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit.

Die Qualität flächensparender Wohnlösungen ist eng mit ihrer Zukunftsfähigkeit verknüpft. Zur Verdeutlichung der Problematik: Der "World-Overshoot-Day" der seit 1987 ermittelt wird, bezeichnet jenen Tag des Jahres, an dem weltweit bereits die Ressourcen des folgenden Jahres verbraucht werden. 1987 wurde dieser Tag für den 19. Dezember berechnet, 2010 bereits für den 21. August. Wobei hier nicht aufscheint, dass dieser Tag in Industrieländern noch weit früher liegt: 2006 wurde der World-Overshoot-Day weltweit für den 9. Oktober berechnet, in Großbritannien z. B. wurde dieser Tag aber bereits am 16. April erreicht und in der USA am 27. Juni.

Ich habe bei meiner Recherche keine nennenswerten Kleinraumwohnungen mit nachhaltigen Zielsetzungen in der Planung gefunden. Als Beispiele in diesem Kapitel zeige ich deshalb drei Wohnmodelle, die sich mit speziellen Aspekten nachhaltigen Bauens beschäftigen: Zwei davon sind aus (teilweise) recycelten Industriecontainern; das dritte ist eine Wohnhausanlage in Chile, bei der nur ein Teil der Wohnung fertiggestellt ist, der Rest ist eine Freifläche zwischen den Apartments und kann von den Bewohnern und Bewohnerinnen selbst ausgebaut werden.

Interviews

Die das Forschungsmaterial abschließenden Gespräche wurden mit Menschen zwischen 32 und 57 Jahren geführt, die - alleine oder zu zweit - in kleinen Wohnungen leben und teilweise dort auch ihren Arbeitsplatz haben. Es sind dies ein Angestellter, eine alleinerziehende Angestellte, ein Arbeitsloser mit Teilzeitkind und zwei Gesprächspartnerinnen, die freischaffend bzw. teilweise freischaffend im Kunst / Kulturbereich tätig sind.
Fakten