UNECE-Symposium Sozialer Wohnbau

Hintergrund: Sozialer Wohnbau als Kernbereich europäischer Sozialpolitik

Die Bedürfnisse sozial benachteiligter Gruppen nach adäquaten Wohnverhältnissen sind ein Kernthema des "Committee on Human Settlement", einer Einrichtung der Europäischen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen UNECE (United Nations Economic Commission for Europe). Armut und soziale Ausgrenzung werden zunehmend zu einer sozialen wie auch politischen Herausforderung. Gleichzeitig erschweren die (oft notwendigen) Sparmaßnahmen der öffentlicher Haushalte sowie der Prozess der wirtschaftlichen Umstrukturierung (v.a. in den Transformationsländern Ost- und Südosteuropas) die Bereitstellung leistbaren Wohnraums. In vielen dieser Länder konnte der Markt den weitgehenden Rückzug des Staates aus dem Wohnungssektor nicht ausreichend kompensieren.

Leistbarer und angemessener Wohnraum ist andererseits eine der zentralen Voraussetzungen für sowohl persönliches Wohlbefinden als auch gesellschaftliche Kohäsion. Nicht zuletzt ist die Verfügbarkeit von adäquaten Wohnungen aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, da sie die Voraussetzung für die Mobilität von Arbeitskräften und ein wesentlicher Bestandteil einer aktiven Unternehmensgründungs- und Arbeitsplatzschaffungspolitik ist.

Sozialer Wohnbau ist somit als zentrale Strategie zur Schaffung leistbaren Wohnraums und als Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Gesellschafts- und Stadtentwicklung anzusehen. Zur Unterstützung seiner Mitglieder bei der Entwicklung bzw. Optimierung von Sozialen Wohnbauprogrammen hat das UNECE Committee on Human Settlements im September 2002 daher eine internationale Arbeitsgruppe - Task Force on Social Housing Guidelines unter Leitung von Dr.Wolfgang Förster - eingerichtet, die mit der Ausarbeitung von Richtlinien zum sozialen Wohnbau betraut wurde. Nach zweijähriger Arbeitsphase lagen diese Richtlinien und Empfehlungen schließlich im Herbst 2004 als Entwurf vor.

Die Richtlinien spiegeln die Erfahrungen aller UNECE-Mitgliedsstaaten im Sozialen Wohnbau wider und stellen politischen EntscheidungsträgerInnen ein Instrument zur Beurteilung verschiedener Maßnahmen zur Verfügung, die zur Zeit im Bereich des Sozialen Wohnbaus verfügbar sind. Sie beinhalten institutionelle, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für Sozialen Wohnbau sowie Erfahrungen über dessen Design und Management. Damit sollen die Richtlinien auch nicht zuletzt ein wichtiges Produkt zum Austausch von Erfahrungen und Erfolgsfaktoren bilden.

Ziele und Zielgruppen des Symposiums

Das Symposium "Sozialer Wohnbau", das von 28.-30. November 2004 im Wiener Rathaus stattfand, bot nun die Gelegenheit, die erarbeiteten Richtlinien und Empfehlungen erstmals einer internationalen Fachöffentlichkeit zu präsentieren. ExpertInnen aus den 55 UNECE-Mitgliedsstaaten waren eingeladen, die vorgelegten Richtlinien zu kommentieren, zu diskutieren und auf ihren praktischen Wert "abzuklopfen". Schließlich sollte das Symposium aber auch dazu dienen, das Kompendium um Praxisbeispiele zu erweitern und mit zusätzlichem Input anzureichern.

Die Zielgruppe der Veranstaltung war bewusst sehr breit angesetzt. Das Symposium sollte eine Plattform für die unterschiedlichen Beteiligten im Bereich des Sozialen Wohnbaus bieten: politische EntscheidungsträgerInnen, BauträgerInnen, WissenschafterInnen wie auch RepräsentantInnen internationaler Organisationen und NGOs.

Konferenz-Struktur

Die Struktur des Symposiums folgte im wesentlichen dem inhaltlichen Aufbau der UNECE-Richtlinien zum sozialen Wohnbau. In vier Plenarsitzungen wurden folgende Abschnitte behandelt:

  • Entwicklung und Bedeutung des sozialen Wohnungswesens in der Gesellschaft
  • Institutionelle Rahmenbedingungen
  • Rechtliche Rahmenbedingungen
  • Makro-ökonomische Rahmenbedingungen
  • Finanzierung von sozialem Wohnbau
  • Soziale Kohäsion
  • Design von sozialem Wohnbau

In jedem Abschnitt wurden die Kernpunkte der erarbeiteten Empfehlungen zunächst von einem Vertreter der UNECE-Arbeitsgruppe präsentiert und anschließend von einer ExpertInnenrunde kommentiert und diskutiert. Darüber hinaus wurden in jeder Plenarsitzung je vier Fallbeispiele ("good practice") aus den verschiedenen Mitgliedstaaten der UNECE vorgestellt.

Ein Programmpunkt diente schließlich speziell der Präsentation des österreichischen Modells des gemeinnützigen Wohnbaus, seiner gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie praktischen Handhabung. Darüber hinaus wurden die ersten Ansätze von grenzüberschreitenden Kooperationen im Bereich des Transfers österreichischen Know-hows in die neuen EU-Mitgliedstaaten Mittel- und Osteuropas vorgestellt.

Ergänzend dazu fand eine halbtägige Rundfahrt zu herausragenden Wiener Wohnbauprojekten - Rabenhof, Gasometer, Wienerberg - mit abschließendem Empfang im Projekt "Interethnisches Wohnen" der Sozialbau statt. Die international als vorbildlich anerkannte Politik des geförderten Wohnbaus in Wien spiegelt sich auch in den Ergebnissen und Empfehlungen der Konferenz wider.

Ergebnisse

Das Symposium trug mit seinen lebhaften, teilweise kontroversiellen Diskussionen wesentlich zur inhaltlichen Schärfung der UNECE-Richtlinien zum sozialen Wohnbau bei. Einige der zentralen Empfehlungen aus der Diskussion:

Soziale Kohäsion: Die Rolle des sozialen Wohnbaus sollte nicht auf die Versorgung von bedürftigen Personen mit leistbaren Wohnungen reduziert werden. Richtig verstanden kann soziales Wohnungswesen vielmehr ein bedeutendes Instrument zur Vermeidung von Segregation und zur Förderung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft sein.

Neue Qualitätsstandards: Soziale Wohnbaupolitik hat das Potential, auch in Qualitätsfragen (Architektur, Nachhaltigkeit, geringer Energieverbrauch) und im Management (Erhaltung, Mieterpartizipation, Bauträgerverfahren) neue Maßstäbe zu setzen.

Transparente Strategie und Rollenverteilung: Entscheidend ist die Entwicklung einer klaren Strategie des sozialen Wohnbaus sowie die Kommunikation der geplanten Vorgangsweise und Rollenverteilung gegenüber allen AkteurInnen auf dem Wohnungsmarkt (dem Staat, den lokalen Verwaltungen, NGOs etc.)

Vermeidung von Ghettos: Um das Auftreten von monofunktionalen Stadtgebieten zu vermeiden, sollte der soziale Wohnbau in die umfassende Stadtplanungsstrategie einer Stadt eingebettet werden.

Bedarfserhebungen: Regelmäßige Erhebungen des aktuellen Bedarfs an Wohnraum (u.U. auch durch die Mieter selbst) sind eine wesentliche Voraussetzung für eine effektive Wohnbaupolitik.

Gesetzlicher Rahmen: Ein kohärenter gesetzlicher Rahmen bildet die Grundvoraussetzung stabiler Wohnbaupolitik. Allerdings muss die Gesetzeslage auf die tägliche Praxis abgestimmt sein - und umgekehrt.

Europäische Harmonisierung: In dem Maß, in dem mehr und mehr Kompetenzen auf europäischer Ebene angesiedelt werden, ist es notwendig, grenzüberschreitende Vergleiche von Wohnbausystemen und deren gesetzlichen Grundlagen (mit dem Ziel einer künftigen Harmonisierung) durchzuführen.

Politischer Wille & Transparenz: Die Entwicklung institutioneller Rahmenbedingungen für sozialen Wohnbau ist nicht nur ein Akt administrativer Implementierung. Darüber hinaus muss ein politischer Wille zur sozialen Wohnbaupolitik sowie größtmögliche Transparenz bei ihrer Umsetzung gewährleistet sein.

Gesicherte Finanzierung: Voraussetzung für ein stabiles System sozialen Wohnbaus ist eine mittel- bis langfristige Finanzierungsperspektive.

Partizipation: Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mieter sind entscheidend für ein funktionierendes Verhältnis zwischen dem Stadt, der Kommune, dem privaten Wohnbausektor und den KonsumentInnen (=BewohnerInnen).

Integrierte Sozialpolitik: Um sozialpolitisch effizient zu sein, muss die Wohnbaupolitik in Kombination mit anderen Instrumenten eingesetzt werden - integriert in eine umfassende Strategie sozialer Leistungen.
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