Paris trifft Wien: Stadterneuerung - Stadtentwicklung

Die Zukunft eines gemeinsamen Europas gestalten die Städte und Regionen. Städtevergleich ist Praxis, sollte jedoch - anstatt als Mittel zu Städteranking und als Bild zur Städtekonkurrenz - für produktiven Austausch genutzt werden. Paris und Wien sind diesen Prozess eingegangen und wollen ihn weiter verfolgen. Ein Austausch zu Aktivitäten in der Stadterneuerung auf Quartiersebene mit einem Schwerpunkt auf Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2004 machte neugierig, mehr zu erfahren.

Austausch Paris - Wien 2004: Stadterneuerungsaktivitäten und Partizipation auf Quartiersebene

Das Projekt Paris-Wien 2004 ging auf einen Besuch des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl bei seinem Amtskollegen Bertrand Delanoë in Paris im Jahr 2003 zurück, bei dem umfangreiche Kooperationen zwischen den beiden Städten besprochen wurden. Konkretisiert wurde der Austausch anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Wien - Architektur - Stadterneuerung - Stadterhaltung. Der Stand der Dinge IV". Die MA 50 übernahm damit die Federführung für den Austausch hinsichtlich Gebietserneuerung auf der Ebene der Bezirke Leopoldstadt und Le Marais.

Karmeliterviertel und Marais boten vor allem Parallelen in ihrer Nähe zum Zentrum, einer historisch gewachsenen Gebietsstruktur, der Dichte des Altbestandes, dem relativ geringen Freiflächenanteil und dem Vorhandensein eines orthodox jüdischen Bevölkerungsanteils. Was das Karmeliterviertel vom Marais unterscheidet, ist seine deutlich geringere kulturhistorische Bedeutung (gemessen an Zahl und Qualität von Baudenkmälern) und daher viel geringere Betroffenheit von Folgeproblemen touristischer Frequenz. Le Marais verfügt außerdem über mehr zentrale Funktionen im Stadtkonnex als der Wiener 2. Bezirk und weist ein merkbar höheres sozio-ökonomisches BewohnerInnenprofil auf.

Diese interessante Mischung an Ähnlichkeiten und Differenzen förderte einen produktiven Austauschprozess, da einerseits vergleichbare Problemlagen und Herausforderungen zu bewältigen sind, andererseits durch Konfrontation mit Aktivitäten, die sich zum Beispiel auf andere Bevölkerungsgruppen beziehen, die Rolle des Kontextes deutlicher sichtbar wurde. Das zwischen Paris und Wien entwickelte Konzept für 2004 hatte kontinuierlichen Informationsaustausch anhand von guten Beispielen verbunden mit Öffentlichkeitsarbeit (Kooperation mit Medien) als Schwerpunkt. Kernaktivitäten waren je ein gemeinsamer dreitägiger Workshop in Wien und in Paris im Herbst 2004.

Die gemeinsam gewählten Schwerpunktthemen des Austausches waren öffentlicher Raum (Straßen, Plätze, Spielbereiche - Umgestaltung, Aktivierung), Kinder und Jugendliche (Aneignung des Viertels, Beteiligung bei Planung) und Kultur (lokale Initiativen).

Erfahrungen aus dem Projekt 2004

Ist Austausch über Stadterneuerungsaktivitäten und BürgerInnenbeteiligung zwischen zwei doch unterschiedlichen europäischen Großstädten wie Paris und Wien sinnvoll, bringt dies Anregung und Ergebnisse, oder beschränkt es sich auf die gegenseitige Übergabe von Informationen und den Abtausch von Freundlichkeiten? Nach den Erfahrungen aus dem ersten Projektjahr können diese Fragen sehr positiv beantwortet werden. Europäische Metropolen setzen sich mit vielen vergleichbaren Aufgaben auseinander - von der umfassenden Stadtentwicklungsebene bis hinunter zum kleinteiligen, "alltäglichen" Einsatz für eine positive Quartiersentwicklung im Sinne der dort Wohnenden und Arbeitenden. Das Austauschprojekt zeigte, dass das Lernen aus den Erfahrungen anderer in der örtlichen Arbeit weiter hilft und viel neuen Ansporn gibt. Zahlreiche Anregungen aus den unterschiedlichen Herangehensweisen sollen in künftige Aktivitäten aufgenommen werden.

Erste Erkenntnisse: Paris und Wien kommunizieren durchaus "auf Augenhöhe". Zwar stellt der Großraum Paris mit rund 9 Millionen Einwohnern eine andere Größenordnung dar, aber die Verwaltungsgrenzen, für welche die Stadtregierung und -verwaltung verantwortlich ist, umfassen nur rund 2,12 Millionen Einwohner, was mit Wien durchaus vergleichbar ist. Auf der Ebene innerstädtischer Bezirke und Quartiere stellen sich die selben Anforderungen zur Förderung der Lebensqualität: Erhaltung der Gebietsidentität, Aufwertung der Freiräume, Steuerung des Verkehrsaufkommens, sorgsamer Umgang mit der historischen Bausubstanz und intelligente moderne Interventionen, Lebendigkeit des wirtschaftlichen Lebens und - vor allem - aktive Einbeziehung der Bevölkerung mit Ausgleich unterschiedlicher Interessen.

Paris trifft Wien 2006

2006 wurde die Thematik auf die gesamtstädtische Planung und Umsetzung ausgeweitet. Wohnen und Stadtentwicklung, zwei Geschäftsgruppen des Wiener Magistrats, taten sich zu diesem Zweck zusammen. Projektziel war nun sowohl Austausch über Stadtentwicklung (Planungsinstrumente und Umsetzung) als auch über Stadterneuerung und kulturelles Erbe. Kernaktivität und Höhepunkt stellte das zweitägige Seminar in Wien am 27. und 28. November 2006 dar.

Jeder Tag war einem Schwerpunkt gewidmet - den Herausforderungen und innovativen Aktivitäten im Rahmen einer neuen Stadtentwicklungs- und Stadterneuerungspolitik sowie den neuen Stadtentwicklungsplänen, PLU Plan Local d'Urbanisme aus 2006 in Paris, STEP 05 Stadtenwicklungsplan 2005 in Wien, und ihrer Umsetzung.

Herausforderungen und innovative Aktivitäten im Rahmen einer neuen Stadtentwicklungs- und Stadterneuerungspolitik

Zwar sind die Ausgangspunkte durchaus verschieden, weniger in den Größenordnungen und in den Grundlinien, als vielmehr in der Bevölkerungsentwicklung, in der geografischen Lage und in den Rechtsgrundlagen, es müssen jedoch die selben vordringlichen Probleme angegangen werden - Globalisierung, sich ändernde Märkte, soziales Auseinanderdriften.

Die Stadt Paris muss sich auseinander setzen mit ihrer zukünftigen Rolle in einer Groß-Agglomeration; innerhalb ihrer Stadtgrenzen mit gegenläufigen Zielen und Ansprüchen, wie sozialer Durchmischung versus Investoreninteressen, mit dem Für und Wider größerer Höhenentwicklung, mit der Frage von Nutzungsmischung und von Mischung der Rechtsformen innerhalb von Gebäuden. Zu bewältigen sind große Verkehrsströme, Freiraummangel und Mangel an leistbarem Wohnraum. Zu entwickeln sind bewohnerfreundliche Stadtzentren und ein zeitgemäßer Umgang mit dem kulturellen Erbe. Begegnet wird dem in der aktuellen Stadtpolitik mit einem ambitionierten Großprojekt der inneren Stadtentwicklung, den G.P.R.U. auf fast 1000 ha. Der größte Teil dieser Vorhaben liegt in der 'Couronne', was so viel bedeutet wie 'in den Randgebieten entlang der Stadtgrenze'.

Die generellen Herausforderungen stellen sich für Wien nicht viel anders. Auch die Verwaltungsgrenzen umfassen ein ähnliches Volumen an Bevölkerung - 1,6 Mio in Wien und 2,12 Mio in Paris - und an Bausubstanz. Aber doch ist einiges unterschiedlich.

Paris ist bemüht, Bevölkerung zu halten und anzuziehen, Wien sieht sich dagegen Zuwachsprognosen gegenüber, von denen bei der Erstellung des Stadtentwicklungsplans noch nicht die Rede war. Gegenüber Paris hat es jedoch den Vorteil eines deutlich größeren Bestands an geförderten Wohnungen und einer effektiveren Wohnbauförderung.

Die Stadtentwicklungspläne - PLU, STEP05 und ihre Umsetzung

Dieser zweite Workshop sollte die Parallelen und Unterschiede im konzeptiven und regulatorischen Rahmen weiter vertiefen. Die Einbettung der baulichen Maßnahmen in ein Gesamtkonzept, Grundausrichtungen der Planung und themenbezogene Konzepte standen im Mittelpunkt. Bemerkenswert ist die Ähnlichkeit der aktuellen Planungsgrundlagen - ihre Prinzipien, ihre Ausrichtung, ihr direkte Verbindung zu Umsetzungsprogrammen, und das starke Votum beider Städte für Bürgerbeteiligung. Allerdings ist der PLU, anders als der STEP, ein verbindliches Regelwerk. Unterschiede zeigen sich daher in den Regelungen, aber auch in den Organisationsformen, die es zu evaluieren und weiter zu entwickeln gilt.

Ausblick

Die Zukunft liegt langfristig darin, in Wien wie in Paris, in und mit der Agglomeration zu denken und zu handeln. Dies beginnt mit den angrenzenden Gemeinden und reicht bis in die großen europäischen Entwicklungszonen. Das abschließende Podiumsgespräch zeigte das große Interesse beider Seiten und erste Ergebnisse im Sinne gegenseitigen Lernens und der Identizierung übertragbarer Prinzipien und Praktiken.
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