Kongress "Gesunde Raumluft"
Schadstoffe in Innenräumen - Prävention und Sanierung

Stand des Wissens über den Umgang mit Innenraumluftverunreinigungen unter besonderer Berücksichtigung des geförderten Wohnbaus

Einführung

Im MessezentrumWienNeu fand am 12. und 13. Februar 2004 der erste Internationale Kongress in Österreich zum Thema "Gesunde Raumluft" statt.

Insbesondere die Möglichkeiten, im geförderten Wohnbau Rahmenbedingungen für Schadstoffminimierungen zu schaffen, wurden aufgezeigt. Die Bandbreite erstreckte sich von der Präsentation neuer Berechnungsmodelle zur Abschätzung von Folgekosten durch schlechte Luft, über Fragen zur Entwicklung von Standards beim Umgang mit innenraumbezogenenen Beschwerden bis hin zur umwelt- und gesundheitsgerechten Leistungsbeauftragung.

Themenkomplexe

Qualitätssicherung im Objektbereich

Die Beiträge und Workshops zeigten auch, wie sich Forschung und Entwicklung mit den praktischen Erfahrungen, die sich aus der Suche nach den Ursachen ergeben, verschränken und zu Projekten wie etwa "SIBAT - einem neuen Ansatz zur Bewertung von Baustoffen zur Sicherstellung der Raumluftqualität" führen oder zu den "Gebäudepässen", die dazu beitragen, dass schon in der Bauphase Schadstoffe vermieden werden. Herstellern von Industrieprodukten und den Anbietern von Dienstleistungen fallen diese Ergebnisse quasi in den Schoß. Wesentlich mehr Firmen könnten schon heute Nutzen daraus ziehen.

Klimaanlagen: Lüftung und Hygiene

Die Beiträge waren in ihrer Kernaussage teilweise ernüchternd. So zeigte sich beispielsweise, dass selbst im professionellen Bereich, wie in Großküchen oder auf Intensivstationen von Krankenhäusern, wo Hygieneanforderungen heute zur Selbstverständlichkeit zählen, bei Klima- und Lüftungsanlagen noch immer auf saubere Lösungen "vergessen" wird.

Workshop Fußbodenbeschichtung

Grenzüberschreitend wie das Medium Luft nun einmal ist, waren neben den Fachbeiträgen auch die Workshops angelegt, so auch jener, der sich dem Thema "Fußbodenbeschichtungen und Raumluft" widmete. Die spannend geführte Diskussion zwischen AnwenderInnen, HerstellerInnen, BeraterInnen und EinkäuferInnen machte sichtbar, worin häufig das Übel liegt, wenn die Luft dick wird. Vielfach, so stellte sich heraus, ist es der "ungesunde" Druck auf die Kosten in Richtung Billigstlösungen. In der Vergabe- und Einkaufspraxis fehlt es oft an den einfachsten Qualitätskriterien. Z.B. kann in der Leistungsbeschreibung von Anbietenden die Lieferung von schadstoffarmen Produkten, Systemen und Konzepten verlangt werden. Eingemahnt wurde auch die noch immer fehlende Verpflichtung für Hersteller zur Volldeklaration der für ihre Produkte verwendeten Inhaltsstoffe.

Workshop SIBAT

Im Projekt "SIBAT" (Vorsorgende Sicherstellung der Innenraumluftqualität von Gebäuden durch die Auswahl von Baustoffen) geht es um die Entwicklung eines Bewertungsansatzes, welcher das für den Innenraum relevante humantoxische Wirkpotenzial von Bauprodukten pragmatisch und in der Praxis anwendbar darstellt. Im Workshop wurden ein Vorschlag eines Bewertungssystems, die Integration in das TQ-Gebäudebewertungs- und -zertifizierungssystem und die bestehende bauXund-Datenbank, für deren Baustoffe ein solches Bewertungsschema anwendbar sein sollte, kurz vorgestellt. Mit ExpertInnen aus diversen Bereichen wurden die Erwartungen der verschiedenen Anwendenden an ein solches Bewertungssystem diskutiert, und es wurde erörtert, welche Informationen von den Herstellern von Bauprodukten bereitgestellt werden können.

Plenarvortrag: Evaluation of the economical effects of indoor environment

"Kurzsichtig eingespart, langfristig draufgezahlt" so lässt es sich auf den Punkt bringen. Denn wie Berechnungsmodelle zeigten, verursacht Leistungsabfall aufgrund schlechter Innenraumluftbedingungen immense Kosten.

Vorgestellt wurde dazu eine Untersuchung von Univ. Prof. Dr. Olli Seppänen. Dabei hatte man für 1999 berechnet, dass sich allein in Finnland die Kosten aufgrund von gesundheitlichen Beschwerden, wie etwa Allergien, auf geschätzte 3 Mrd. Euro pro Jahr belaufen. Dieser Beitrag weckte sehr großes Interesse. Je transparenter sich die Kosteneffizienz von Maßnahmen, die zu einer verbesserten Innenraumsituation führen, darstellen lässt, indem die Verbindung zum finanziellen Gewinn aus einer verbesserten Gesundheit und Produktivität der MitarbeiterInnen gelingt, um so eher wird in Lösungen für eine saubere Innenraumluft investiert werden.

Schimmel - Ursachen, Diagnostik und Sanierung

International zählt Raumluft bereits zu den großen Themen. Ein Blick auf die Liste der ReferentInnen und TeilnehmerInnen zeigt, dass es den VeranstalterInnen gelungen ist, für dieses, ihrer Meinung nach in Österreich noch zu wenig repräsentierte Thema, viel öffentliches Interesse zu wecken. Im Vergleich zu unseren Vorfahren müssen wir uns heute als "Stubenhocker" bezeichnen, die 90 % ihrer Lebenszeit in Innenräumen verbringen. Allerdings hält das Verhalten der GebäudenutzerInnen nicht unbedingt mit der gebäudetechnischen Entwicklung Schritt, wie das beispielsweise Mängel beim Lüften oder Schimmelpilzbefall nach dem Einbau dichter Fenster zeigte. Gerade bei der Renovierung von Wohnbauten tut Aufklärung der BewohnerInnen not.

Radon - Vorkommen und Vorsorge

Vor allem in Oberösterreich wurde bereits viel unternommen, Radonbelastungen richtig einzuschätzen und gezielt dagegen vorzugehen. Erkenntnisse wurden vorgestellt, die vor allem bei der Errichtung öffentlicher Wohnbauten große Verbesserungen bringen könnten.

Plenarvortrag: "Are we measuring the right indoor things?"

Provokant, aber logisch war der Titel des Vortrages von Peder Wolkoff vom National Institute of Occupational Health in Kopenhagen.

Er stellte die Frage in den Raum: "Are we measuring the right indoor things?" Es ringt einem Erstaunen ab, wie viel Aufwand und Akribie es erfordert, den Ursachen einer ungesunden Innenraumluft auf die Schliche zu kommen.

Beschwerden in Innenräumen

Im Mittelpunkt aller Beiträge stand das Bemühen zur Prävention und Vermeidung.

Allerdings, so die kritische Anmerkung von DI Dr. Hans-Peter Hutter von "ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt", stünden beispielsweise im medizinischen Bereich für die Arbeit der Vorsorge viel zu wenig Geldmittel zur Verfügung. Nicht jeder Hausarzt wisse schließlich, wie bei Beschwerden die Betroffenen in den eigenen vier Wänden vorgehen sollten.

Ein anderes Problem ist, dass sich die möglichen Belastungsquellen relativ rasch ändern. Zur Zeit ist es der Trend, Innenräume massiv zu beduften. Eine weitere Entwicklung, nämlich vermehrt Produkte mit Flammschutzmitteln auszurüsten, droht aus Kanada und Amerika nach Europa herüberzuschwappen.

Es fehlte auch nicht an der Kritik, dass Chemikalien oder Stoffgruppen industriell eingesetzt werden, obwohl für viele dieser Stoffe noch völlig ungeklärt ist, wie sie sich langfristig auf die menschliche Gesundheit auswirken.

Tabakrauch

Gut besucht war auch der Vortrag "Tabakrauch in Innenräumen" von Univ. Ass. Dr. med. Hanns Moshammer vom Institut für Umwelthygiene der Medizinuniversität Wien. In Discos etwa wird das 100fache der Werte in Raucherhaushalten erreicht. Betroffen sind davon vor allem aber jene, die sich an diesen Orten zum Arbeiten und nicht zum persönlichen Vergnügen aufhalten. Auf die Frage, was es an Neuem zum Thema Tabakrauch gibt, war die Antwort des Vortragenden sehr klar: Es fehlt uns nicht an Erkenntnissen, sondern an ihrer Umsetzung.

Luftqualität in Schulen

Neu und brisant auch der Beitrag zur Innenraumluftsituation in den Schulen. Für Schulen gibt es keine gesetzlich bindenden wirkungsbezogenen Grenzwerte, die als Regelwerk herangezogen werden können. Mit dem massiven Einsatz von Bau- und Alltagschemie, der hohen Zahl an SchülerInnen je Klasse und dichten Fenstern hat sich die Luftqualität in den Schulen zunehmend verschlechtert. Das Hauptproblem: Nicht immer gibt es "genug Luft zum Lernen". Verringerte Leistungs-, Merk- und Konzentrationsfähigkeit, aber auch Kopfschmerzen können SchülerInnen die Lust aufs Lernen verleiden. Ein allgemeiner Indikator und deutliches Warnsignal sind, wie Messungen zeigen, erhöhte CO2-Konzentrationen. Hier könnte in Zukunft die "kontrollierte Raumbelüftung" eine Lösung bringen. Auch die "CO2-Anzeige" in den Klassen ist keine Utopie mehr.

Recht auf gesunde Raumluft

Umwelt & Gesundheit sind eng verknüpft, das ist nicht neu. Eine gesunde Innenraumluft hat daher auch viel mit einem umweltfreundlichen Einkauf zu tun. Darauf wurde nicht nur von der Wiener Umweltanwältin Dr. Andrea Schnattinger schon im Eröffnungsstatement hingewiesen, sondern auch unter dem Themenkomplex "Recht auf gesunde Raumluft". Vorgestellt wurde u.a. das seit Jahren erfolgreich durchgeführte Projekt "ÖkoKauf" der Stadt Wien, dessen Ziel es ist, bei der Vergabe von Aufträgen in der Leistungsbeschreibung Kriterien zu verankern, die Schadstoffe im Produkt minimieren helfen. Denn was nicht an Belastungen in den Innenraum verschleppt wird, kann die Innenraumluft auch nicht belasten.

Schlussbemerkung

Mit ca. 200 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Diziplinen konnten erfolgreich Erkenntnisse für die Praxis diskutiert und wertvolle Kontakte geknüpft werden.
Fakten
  • Projektträger
    IBO - Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Barbara Bauer
  • Laufzeit
    Oktober 2003 bis Februar 2004
    Kongressdauer: 12./13. Februar 2004
  • Kontakt
    ibo[at]ibo.at
  • Downloads
  • Abstract 140.97 KB
    Projektbericht 5.36 MB