10 Jahre Bauträgerwettbewerbe - Veränderungen im Wohnbau

Ziel der Studie war es, anhand von Beispielen der letzten 20 Jahre den Wandel im Wiener Wohnbau zu dokumentieren. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt in den Änderungen seit Einführung der Bauträgerwettbewerbe im Jahr 1995, seit der eine allgemeine Qualitätssteigerung im geförderten Wohnbau festzustellen ist. In diesem Zusammenhang wird auch der Einfluss der Bauordnungsnovelle im Jahr 1996, die einige Änderungen in Bezug auf die notwendigen Räume innerhalb der Wohnung zur Folge hatte, bewertet.

Es wurden 32 Projekte ausgewählt und nach einheitlichen Gesichtspunkten analysiert.

Historie

Als Antwort auf die große Wohnungsnot in der Zwischenkriegszeit wurden von der Stadt Wien zahlreiche Gemeindebauten errichtet. Was in den Wohnungen aufgrund ihrer geringen Größe fehlte, wurde in Form von Gemeinschaftseinrichtungen angeboten. Die Stadtplanung wurde erst in den fünfziger Jahren zum zentralen Thema in Wien. Ziel war die Verdichtung der Randbezirke zur Entlastung des Stadtzentrums. Unter der Prämisse der Trennung von Wohnen und Arbeiten wurden jedoch reine Wohnsiedlungen geschaffen. Mit dem Stadtentwicklungsplan von 1984 wurde der Schwerpunkt auf die sanfte Stadterneuerung in den innerstädtischen Gebieten gelegt. Für die Besiedelung entlang der Stadterweiterungsachsen musste der öffentliche Verkehr entsprechend ausgebaut und die notwendige Infrastruktur angelagert werden.

In den 80er Jahren machten sich auch die ersten ökologischen Tendenzen im Wohnbau bemerkbar. Angesichts steigender Ölpreise bestand das Hauptanliegen darin, den Energieverbrauch niedrig zu halten. Kleinmaßstäbliche Bauaufgaben mit niedrigeren Bebauungshöhen wurden aktuell, die international auch viel Beachtung fanden.

Der 1984 ins Leben gerufene Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds WBSF (heute "Wohnfonds Wien") ermöglichte eine bessere Steuerung der Grundstückspreise und in Folge auch der Preise für Wohnbauten.

Die erhöhte Nachfrage nach Wohnraum in den neunziger Jahren führte zu einem weiteren Stadtentwicklungsplan 1994, der die Entwicklung entlang der festgelegten Siedlungsachsen fortsetzte. Ziel der Wohnbaupolitik war es, Bauvorhaben mit hoher architektonischer und städtebaulicher Qualität zu fördern, aber auch die infrastrukturellen Einrichtungen und die Verkehrserschließung zu gewährleisten.

Einflussfaktoren

Die Lebensstile und Arbeitswelten haben sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Diese soziale und gesellschaftliche Entwicklung hat auch auf das Wohnen Einfluss. Haushalte werden kleiner und verändern sich schneller, "Heimarbeit" nimmt zu, und auch auf die vermehrte Zuwanderung und Integration muss im Wohnbau reagiert werden. Generell wird versucht, sowohl eine Nutzungsmischung in den Stadtgebieten zu erreichen, (d.h. gemischte Baugebiete auszuweisen, in denen Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung gleichermaßen möglich ist), als auch durch einen Mix an verschiedenen Wohnungsgrößen und Finanzierungsformen eine soziale Durchmischung in den Wohngebäuden zu erreichen.

Rahmenbedingungen & Institutionen

Mit der Baurechtsnovelle 1996 wurde der § 90 der Wiener Bauordnung wesentlich vereinfacht. Fast alle Bestimmungen über Zimmergrößen und Wohnungseinteilungen sind weggefallen. In einer weiteren Novelle 2002 wurden einige Absätze bezüglich der Belichtung und Belüftung von Räumen geändert. Eine neuerliche Bauordnungsnovelle widmet sich dem Thema "Barrierefreies Bauen".

Das Wohnbauförderungsgesetz wurde 1992 durch einen wesentlichen Punkt ergänzt. Die Kosten für Einrichtungen zur Nutzung umweltschonender Energieformen wurden förderungsrelevant. Seit Mitte 1996 wird von den neu eingereichten Projekten Niedrigenergiestandard erreicht, was inzwischen auch Bedingung für den Bezug einer Förderung ist.

Der Wohnfonds Wien dient als Geschäftsstelle des Grundstücksbeirates und schreibt die Bauträgerwettbewerbe aus. Aufgabe des Fonds ist neben dem Grundstückserwerb und -verkauf auch die Entwicklung von Grundstücken, welche den späteren Weiterverkauf erst möglich macht. Die Beurteilung der eingereichten Projekte erfolgt im Beirat ebenso wie bei den Bauträgerwettbewerben nach dem sogenannten Drei-Säulen-Modell: Die Entwürfe werden dabei nach den Bereichen Planung/Architektur, Ökonomie und Ökologie bewertet. Seit 1995 wurden insgesamt 18 Wettbewerbe durchgeführt.

Projektdokumentation

Die 32 ausgewählten Projekte gliedern sich in Beispiele vor 1995 (zurückgehend bis zum Jahr 1984); Wohnbauten, die vom Grundstücksbeirat bewertet worden sind, das heißt Projekte nach 1995; und Projekte, die im Rahmen von Bauträgerwettbewerben entwickelt wurden.

Um die unterschiedlichen Beispiele besser vergleichen zu können, wurden sie neben den drei Betrachtungszeiträumen auch nach den Kriterien "Bauform" (Baulücke, Zeile, Block, raumbildende Struktur) und "Erschließung" (Mittelgang, Laubengang, Spänner) strukturiert.

Änderungen

Die Änderungen im Wohnbau seit Einführung der Bauträgerwettbewerbe, aber auch seit der Tätigkeit des Grundstücksbeirates lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen. Die baulichen Änderungen betreffen die Planung und Architektur der Gebäude. Die städtebauliche Situierung im Stadtgefüge ist dabei ein wichtiger Punkt. Die Erdgeschosszonen sollen Bindeglied zwischen Wohnhaus und Umgebung sein. Bei der Erschließung ist der Laubengang vorherrschend. Generell wird versucht, die Gänge und Stiegenhäuser möglichst mit natürlicher Belichtung zu versorgen. Häufig anzutreffen sind offene Stiegenhäuser. Bei der Freiraumplanung ist eindeutig eine Qualitätssteigerung festzustellen. Auch die Zahl der wohnungsbezogenen Freiräume hat sich erhöht. Das Angebot an Gemeinschaftsflächen, die allerdings nicht gefördert werden, ist deutlich gestiegen. Fitnessräume, Sauna und Schwimmbad sollen die Wohnqualität zusätzlich erhöhen. Die Grundrisse sind flexibler angelegt. Durch Schiebewände oder Schalträume kann auf die verschiedenen Wohnbedürfnisse reagiert werden. Die immer öfter zu findenden Wohnküchen sind eine Folge der offenen Grundrissgestaltung. Ein Kritikpunkt sind die Gangküchen, die auf Grund von Laubengangerschließungen jedoch ausreichend belichtet werden.

Durch die Bauordnungsnovelle 1996 sind einige Änderungen, wie zum Beispiel der Verzicht auf Abstellräume oder die Abkehr von abgeschlossenen Vorräumen, festzustellen. Der entstehende Mangel an Stauraum in den Wohnungen ist sicher nicht als positiv zu bewerten. Als Wohnungstyp sind Maisonetten und Split-Level Wohnungen vorherrschend. Beim Wohnungsmix wird versucht, durch unterschiedliche Größen und Förderungen verschiedene Bewohnergruppen anzusprechen und so auch eine soziale Durchmischung zu erzielen. Themenbauten, wie "integratives Wohnen" oder "betreutes Wohnen" befassen sich bewusst mit dieser Thematik.

Verbesserungen sind außerdem im Bereich der Ökonomie bzw. Ökologie eingetreten. Die Mietpreise sind trotz Qualitätssteigerung nicht gestiegen, ebenso wenig die Baukosten. Positiv anzumerken ist neben dem generell geforderten Niedrigenergiestandard auch der Trend in Richtung Passivhaus. Alternative Energiesysteme, recyclebare Baustoffe und ein möglichst niedriger Versiegelungsgrad sind ebenso hervorzuhebende Qualitätskriterien im Wohnbau.

Conclusio

Vorrangiges Ziel bei der Einführung der Bauträgerwettbewerbe 1995 war es, eine Qualitätssteigerung im Wohnbau ohne Erhöhung von Baukosten und Mietpreisen zu erreichen. Wettbewerbe mit spezifischen Themenschwerpunkten sollten die Innovation bei den Projekten fördern. In Folge entstand eine ganze Reihe von engagierten Projekten, und das durchschnittliche Qualitätsniveau im Wiener Wohnbau ist gestiegen. Die konsequente Zusammenarbeit zwischen Bauträgern, ArchitektInnen und ausführenden Firmen führte zu einer sukzessiven Qualitätssteigerung. Die Siegerprojekte der Bauträgerwettbewerbe zeigen auch, dass sich die Baukosten in dieser Zeit nicht erhöht haben.

Die Frage einer vergleichbaren Qualitätsdokumentation wird für die Auslober an Bedeutung gewinnen, da auch der geförderte Wohnbau vermehrt Teil des Immobilien-Investitionsmarktes wird. Ein Vorschlag wäre, eine Projektdokumentation zu verlangen, die Grundlage für eine nachträgliche, klassifizierende Bewertung wird. Diese Dokumentation soll die von der Jury prämierten Kriterien durch alle Projektphasen verfolgen und die Änderungen festschreiben. Der Inhalt zeigt dann die positive und negative Entwicklung der ursprünglichen Entscheidungskriterien der Jury und kann damit Grundlage einer Auszeichnung nach Fertigstellung des Projektes werden.

Das Land Wien sollte die Erstellung günstigen Wohnraums auch weiterhin unterstützen, auch angesichts zunehmender Aufwendungen in anderen Sektoren. Innovative Projekte und Experimente sollten noch stärker als bisher der Öffentlichkeit nahe gebracht werden und zur Diskussion anregen.

Das Setzen von Themenschwerpunkten innerhalb der Wettbewerbe sollte aber noch besser zur Forcierung von neuen Ideen und Konzepten genutzt werden, die wiederum Auswirkungen auf den restlichen Wohnungsbau haben. Die Planungen der nächsten Jahre werden sicher Fragen wie die demographische Entwicklung, die zunehmende Mobilität und die Migration verstärkt zum Thema machen. Die Ergebnisse der Wettbewerbe lassen darauf schließen, dass in Zukunft diese Verfahrensform forciert wird. Generell kann das vor zehn Jahren eingeführte System der Bauträgerwettbewerbe auf eine recht erfolgreiche Geschichte zurückblicken.
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