Einbruchschutz in Wiener Privathaushalten - Eine kriminalpolitische Bestandsaufnahme

Ausgangspunkt

Aus der Sicht der Polizei unternehmen zu wenige Haushalte Vorkehrungsmaßnahmen zum Einbruchschutz, und die Versicherungen beklagen, dass ihre Ausgaben auf Grund von Wohnungseinbrüchen exorbitant steigen, sodass sie eine Anhebung der Versicherungsprämien in Erwägung ziehen. Eine Strategie des Appellierens an das individuelle Engagement der BewohnerInnen zum Einbruchschutz erscheint nicht befriedigend. Diese Unzufriedenheit der Behörden galt als Ausgangspunkt für eine im Jahr 2005 beim Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Auftrag gegebene Studie.

In einer Bestandsaufnahme sollte die Bedeutung von Wohnsicherheit und entsprechenden Vorkehrungsmaßnahmen gegen Wohnungseinbruch aus verschiedenen Blickwinkeln erfasst werden, um daraus ein besseres Verständnis bezüglich des Zusammenwirkens von Bewohnern, Sicherheitsindustrie, Polizeilicher Beratung und Wohnbauträgern zu entwickeln. Dazu wurden im Laufe des Jahres 2005 Daten aus der Polizeilichen Lageevidenz und aus Umfragedaten zum (Un-)Sicherheitsgefühl aus früheren und neuen standardisierten Bevölkerungsbefragungen ausgewertet. Ergänzt wurde die Untersuchung durch qualitative Interviews mit Vertretern der Bauwirtschaft, insbesondere Baugenossenschaften, Hausverwaltungen und den Gebietsbetreuungsstellen der Gemeinde Wien, Anbietern von Sicherheitstüren, und mit MitarbeiterInnen von Mietervertretungen und Hausbetreuungszentren, um möglichst nahe an die Bedürfnisse der MieterInnen heran zu kommen. Besondere Aufmerksamkeit galt jener aktuellen Förderaktion der Gemeinde Wien, wonach im Rahmen der Wohnungsverbesserung die Anschaffung von genormten Sicherheitstüren mit bis zu 20% oder maximal 400,- € unterstützt wird.

Gesamtresümee

Bei einem Anstieg der Einbruchshäufigkeit von 4.691 Fälle im Jahr 2002 auf 11.613 Fälle im Jahr 2004 (vgl. Tab. 1 und Grafik1) erkennen wir gleichzeitig ein erstaunlich hohes Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung, geringe Verbrechensfurcht und folglich geringes Problembewusstsein. Umfrageergebnisse aus den Studien "Leben und Lebensqualität in Wien" und "Kriminalitätsängste in Wien", sowie die Wiener Daten aus dem Forschungsprojekt "Insecurities in European Cities" zeigen eine allgemeine Unsicherheit bezüglich Kriminalität im Wohnviertel bei 9% bis 13% der Bevölkerung, und konkrete Verbrechensfurcht vor Wohnungseinbruch bei 11% bis 17% der Bevölkerung, bei einer Einschätzung des eigenen Opferrisikos von maximal 14%. Ungünstige soziale, finanzielle und gesundheitliche Befindlichkeit, sowie die eher negative Bewertung des Wohngebiets korrelieren dabei deutlich mit der Verbrechensfurcht.

25% ohne Einbruchschutz - Wer und warum?

Im Rahmen des Forschungsprojekts zum "Einbruchschutz in Wiener Privathaushalten" wurde in einer Telefonbefragung vom Juni 2005 nach der Ausstattung mit technischen Sicherheitsvorkehrungen gefragt. Immerhin ein Viertel der Befragten (25%) gaben an, weder über eine Sicherheitstüre, noch über ein Sicherheitsschloss oder eine Alarmanlage zu verfügen. Jene Wiener und Wienerinnen ohne Einbruchschutzmaßnahmen (ESM) wohnen am häufigsten in privater Hauptmiete (31% ohne ESM) oder in Gemeindebauten (31% ohne ESM). Einfamilienhäuser und Reihenhäuser sind erwartungsgemäß am besten gesichert (11-15% ohne ESM). Als häufigste Begründung für unterlassene Sicherheitsmaßnahmen wird genannt, dass man sich "auch so ausreichend sicher fühlt" (55% von 241 Befragten, die keine der genannten Schutzmaßnahmen haben). Das trifft besonders für die Altersklasse der unter 30-Jährigen zu. Auch Wohnungs- oder Hauseigentümer nennen diesen Grund besonders häufig. Für insgesamt 17% sind Sicherheitsvorkehrungen zu teuer. 12% sagen, "es gibt Nachbarn, die aufpassen" und 10% geben an, "noch nicht daran gedacht zu haben". Für 9% der Befragten ist mit der Haushaltsversicherung genügend Absicherung gegeben. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2002 (Karmasin 2002) gaben lediglich 3% der Befragten an, ihre Sicherheitsvorkehrungen verbessern zu wollen. Damit ist die Bereitschaft in Einbruchschutzmaßnahmen zu investieren in Wien äußerst gering.

Mechanischer Einbruchschutz

Durch die Festlegung der Voraussetzungen für die Förderung durch die Gemeinde Wien zum Einbau einer Sicherheitstüre wird eine Selektion vorgenommen, die sich nicht an den Opferstatistiken bzw. an der Analyse von geografischen Hot-Spots im Stadtgebiet orientiert, sondern mittels Ausschlusskriterien ein bestimmtes soziales Segment im Wohnungsbau für die Förderung auswählt: Von der Förderung definitiv ausgeschlossen sind Neubauten, die in den letzten 20 Jahren gebaut wurden, Wohnungen über 150 Quadratmeter Wohnnutzfläche, Zweitwohnsitze in der Stadt, Eigenheime, Kleingartenwohnungen sowie Wohnungen in Reihenhäusern. Dabei wird deutlich, dass die Förderung für sozial und finanziell schwächere Bevölkerungsschichten in innerstädtischen Mietwohnungen in Altbauten bestimmt ist.

Eine Telefonumfrage unter 1.000 Wienerinnen und Wienern vom Juni 2005 zeigte, dass nach 3 Monaten weniger als die Hälfte der Befragten (38%) von der Förderung gewusst haben. Wenn von jenen 547 Befragten, die angeben keine Sicherheitstüre zu haben (55% der Gesamtstichprobe), nur 157 Befragte (16% der Gesamtstichprobe) angeben, eine solche zu benötigen, und davon wieder nur 117 Befragte (12% der Gesamtstichprobe) ein Interesse an der Förderung bekunden, so ist das für den Einbruchschutz insgesamt nicht besonders Erfolg versprechend. Von April bis Oktober des Jahres 2005 haben 1.626 Haushalte die Förderung in Anspruch genommen. 644 Anträge wurden von Eigentümern, 982 Anträge von Mietern eingereicht.

Anbieter von Sicherheitstüren berichten dagegen über eine deutliche Absatzsteigerung im Jahr 2005, den sie auf eine "verkaufsverstärkende Wirkung" durch die Förderaktion der Gemeinde Wien zurückführen. Dazu haben die Firmen selbst mehr oder weniger aktiv beigetragen, indem sie beim Verkauf die Förderantragsformulare entweder gemeinsam mit den Kunden ausgefüllt, oder sie diesen mitgegeben haben. Die finanzielle Vergünstigung scheint jedoch für Kunden eher als willkommener Nebeneffekt zu gelten, denn als Motivation und Auslöser für den Weg zur Sicherheitsfirma. Von den Geschäftsleuten der Sicherheitsindustrie zum Einbruchschutz wurde eine Ausweitung der Förderung angeregt, bei der nicht nur Wohnungseigentümer bzw. Mieter, sondern auch die Wohnbaugenossenschaften, Hausverwaltungen und die Versicherungswirtschaft bedient werden.

Über die sozialen, räumlichen und kriminologischen Besonderheiten jener Haushalte, die die Förderung angenommen haben, wurden im Rahmen der Förderaktion keine Daten gesammelt. Nachdem die Aktion nicht auf einzelne Wohngebiete oder Stadtviertel begrenzt war, lassen sich auch keine gesicherten Rückschlüsse über die Auswirkung auf die Kriminalitätslage bzw. über kriminalpräventive Effekte ziehen. Mit anderen Worten: Ob der Einbau von 1.626 Sicherheitstüren in Wien im Untersuchungszeitraum mit der Veränderung der Zahl der Wohnungseinbrüche in der Kriminalstatistik korreliert, ist nicht gesichert.

Der Einbau von Sicherheitstüren ist keine vorrangige Angelegenheit der Wohnbaugenossenschaften oder Hausverwaltungen, und wird daher von diesen auch nicht finanziell unterstützt. Vorrang haben technische Installationen wie Wasserleitungen, Heizung, Strom, Gas und Wärmeschutzmaßnahmen (Fenster, Fassade). Einbruchschutzmaßnahmen gelten als Verbesserung des Objektes und zählen nicht zur gesetzlichen Erhaltungs- und Instandsetzungspflicht für Hausverwaltungen. Die Rücklagen einer Hausverwaltung werden in der Regel für die Einhaltung der Erhaltungspflicht ausgegeben, nicht zuletzt um technischen EU-Standards zu folgen.

Soziale Kontrollstrukturen zum Einbruchschutz

Umfassende Konzepte zur Prävention von Wohnungseinbrüchen berücksichtigen im allgemeinen neben dem mechanischen Schutz durch Sicherheitstüren und Alarmsysteme auch einen sozialen Ansatz: Wenn man davon ausgeht, dass Täter möglichst unbeobachtet und unauffällig vorgehen wollen, dann spielen soziale Kontrollmaßnahmen mit dem Ziel, Tatgelegenheiten in der Wohnhausanlage zu unterbinden, eine wesentliche kriminalpräventive Rolle. Wie wird kommunale Kriminalprävention zum Thema Einbruchschutz in Wien beurteilt?

Unsere Interviews haben gezeigt, dass Sicherheit ein positiver Nebeneffekt von Gemeinschaftseinrichtungen in der Wohnhausanlage ist. Subjektive Sicherheit entsteht durch informelle soziale Kontrolle, wenn Anrainer einander kennen, und verdächtige Situationen leichter erkannt werden. Die in diesem Projekt gewonnenen Informationen deuten einerseits darauf hin, dass es organisatorische Strukturen gibt, die die soziale Kontrolle fördern, dass es aber auch Entwicklungen gibt, die anonyme Lebensweisen in der Anlage hervorrufen. Wenn Hausbesorger zunehmend durch Reinigungsfirmen ersetzt werden, die Kommunikation durch den Zuzug von Fremden erschwert wird, Kirchen, Parteien und Vereine ihre verbindenden Funktionen verlieren und das Privatleben im Gegensatz zum Berufsalltag hinter verschlossenen Türen stattfindet, dann wirken diese Individualisierungstendenzen dem kommunalpräventiven Sicherheitsgedanken entgegen. Der urbane Lebensstil der jüngeren Bevölkerung - die Betonung der Privatsphäre und die in der Stadt verstreuten sozialen Netzwerke - trägt ebenfalls zu diesem Trend des "moralischen Minimalismus" in der Nachbarschaft bei.

Die Einrichtung von Hausbetreuungszentren durch die Wohnbaugenossenschaften soll diesen Entwicklungen wirksam begegnen. Wenngleich diese in erster Linie für technische Instandhaltung und Einhaltung der Hausordnung zuständig sind, so fühlen sie sich durchaus auch für die Bewusstseinsbildung zum Einbruchschutz durch Informationsvermittlung verantwortlich. In diversen Anschlägen in Aufzügen oder im Stiegenhaus werden Sicherheitstipps gegeben. Dazu erhalten die MieterInnen ein- bis zweimal im Jahr ein Rundschreiben zur Erinnerung an das Thema Wohnungseinbruch.

Im öffentlichen Wohnungsbau werden diese kommunalen Aufgaben von "Wiener Wohnen" und den selbständig gegründeten Mieterbeiräten in den einzelnen Gemeindebauten erfüllt. Auch diese sind insbesondere für Erhaltung und Instandsetzung verantwortlich, übernehmen aber auch die sozialen Funktionen der früheren Hausbesorger. Allerdings muss festgehalten werden: Aktive Hausgemeinschaften in Wien fungieren nicht unter dem Aspekt eines "Interessensvereins Einbruchschutz" - oder wie es international heißt: "Neighbourhood Watch". Der Einbruchschutz ist nur in den seltensten Fällen das Hauptmotiv für soziale Kontakte.

Schlussresümee

Das Thema Einbruchschutz hat in Wien bis heute keinen besonders hohen Stellenwert erlangt. Einzelne Stellen wie der Kriminalpolizeiliche Beratungsdienst bieten zwar Service und Information an, jedoch bleibt der Leidensdruck in der Bevölkerung der einzige Antrieb zur Eigeninitiative für eine technische Aufrüstung der Wohnung oder des Hauses: Die Beratung wird von Haushalten besonders dann nachgefragt, wenn diese durch einen Einbruch im eigenen Wohnobjekt oder in der unmittelbaren Nachbarschaft sensibilisiert wurden. Erst mit der Opfererfahrung steigt die Bereitschaft zur Investition in technischen Einbruchschutz.

Im Gegensatz zu Beispielen in England, Deutschland und den Niederlanden gibt es in Österreich keine aktiven organisatorischen oder finanziellen Initiativen durch das Ministerium oder anderer koordinierender Stellen, die eine konzertierte Vorgangsweise von (Stadt-) Verwaltung, Polizei, Sicherheitsindustrie, Versicherungen, Wohnbaugenossenschaften, Städtebau, Sozialhilfe und Wissenschaft forcieren würden.
Fakten
  • Auftraggeber
    Stadt Wien, MA50, Abteilung Wohnbauforschung
    Kriminalpolizeiliche Beratung
    Siemens Österreich
  • Projektträger
    Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie Wien
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Wolfgang Stangl
    Günter P. Stummvoll
    Alexander Neumann
  • Laufzeit
    April bis Oktober 2005
  • Kontakt
    guenter.stummvoll[at]aon.at
    alexander.neumann[at]irks.at
  • Downloads
  • Abstract 96.76 KB
    Projektbericht 631.52 KB