Kasernen-Konversionen - Schließung schafft neue Räume

Ziel des Projektes "Kasernen-Konversionen - Schließung schafft neue Räume" (KaKo) ist, Erfahrungen aus Umwandlungen von Gebäuden und Freiräumen auf ehemaligen Kasernengeländen zusammen zu tragen und zu analysieren, um diese Erkenntnisse in künftigen Konversionen in Wien anzuwenden (auch erweiterbar für andere Projekte im "brownfield development").

Um diese Inhalte zu erreichen, wurde bei der Auswahl der Analysebeispiele ein besonderer Wert auf solche Erfahrungen gelegt, bei denen zumindest in Teilen die alten Baubestände einer neuen Bedeutung zugeführt wurden - (kollektives) Wohnen, Arbeit im Wohnumfeld, Gemeinschaftsräume etc.. Weiter wird nicht nur auf die Um- und Neunutzungen der Kasernengelände im engeren Sinne geachtet, sondern auch auf die Einbindung in den Stadtteil / das Grätzel. Dahinter steht die These, dass die alten Baustrukturen gerade solche Nutzungen ermöglichen, die zum einen neue Wohnformen umsetzen lassen resp. neue Formen des Wohnens und Arbeitens zulassen und zum anderen in den Stadtteil hinauswirken. Damit soll versucht werden, "territoriales Kapital" daraus zu erzeugen, dass aus dem "funktionalen Loch" im Grätzel-Zusammenhang durch die vormalige militärische Nutzung ein neues Potenzial für den gesamten Stadtteil entstehen kann.

Um diese Ziele zu erreichen, wurden unterschiedliche Methoden angewandt:

  • Im ersten Schritt wurde im deutschsprachigen Raum (insbesondere in Deutschland (Fußnote 1)) bei Bundes- und Landesbehörden recherchiert. Dazu wurden Internet-Recherchen und Hintergrundtelefonate geführt sowie auf einschlägige Veröffentlichungen der Behörden und zusammenfassende und bewertende Literatur (Fußnote 2) zurückgegriffen.
  • Diese Informationen wurden im zweiten Schritt mit dem Ziel ausgewertet, einen Kriterien-Katalog auszuarbeiten und etwa 20 Kasernen nach diesen Kriterien einzuordnen und zu bewerten.
  • Im dritten Schritt wurde mit der Auftraggeberin aus diesen etwa 20 bewerteten Beispielen sechs "gute Beispiele" in Münster, Fürth, Karlsruhe, Tübingen (2) und Freiburg ausgewählt, in denen eine genauere Vor-Ort-Analyse vorgenommen werden sollte.
  • In diesen Städten wurden im vierten Schritt Ortsbegehungen mit jeweils umfangreichen Fotodokumentationen sowie insgesamt 22 ExpertInnen-Interviews mit VertreterInnen der planenden Verwaltung, der Wohnungswirtschaft, mit ArchitektInnen und aktiven BewohnerInnen durchgeführt.
  • Im fünften Schritt wurden die unterschiedlichen Quellen schließlich in zweierlei Hinsicht ausgewertet: erstens als Darstellung der sechs Fallbeispiele und schließlich in einer zusammenfassenden Übersicht der "good practise"-Beispiele, die vor allem dahingehend ausgerichtet ist, Hinweise für den Umgang mit ehemaligen Kasernengeländen in Wien zu erhalten.

In allen Beispielen wurde deutlich, wie wichtig es ist, mit den bestehenden Regelungen, die eher dazu geeignet sind, "second best"-Lösungen nahezulegen, kreativ und pro-aktiv umzugehen. Das erfordert insbesondere

  • von den handelnden AkteurInnen in der Politik ein klares Bekenntnis zu den Projektzielen und eine hohe parteiübergreifende Akzeptanz;
  • von der planenden Verwaltung ein hohes Maß an Flexibilität, Einsatzbereitschaft und Überstunden (also sehr viel intrinsische Motivation) sowie eine hohe Bereitschaft, eine neue Planungs- und Verwaltungskultur umzusetzen.
  • Die Wohnungswirtschaft ist gefordert, weniger kurzfristige betriebswirtschaftliche Vorteile, sondern langfristige und sozial-integrative Ziele in den Vordergrund zu stellen. Dazu gehört es auch, eine Identifikation mit dem Ort / eine Bindung an den Ort zu haben resp. zu entwickeln und sich mit anderen AkteurInnen aktiv an der Entwicklung des Mikrostandortes zu beteiligen.
  • Die BewohnerInnen müssen sich aktiv an der Gestaltung ihrer Wohnungen, ihrer nachbarschaftliche Beziehung und in der Gestaltung der halb-öffentlichen Räume beteiligen.

Um zu innovativen Lösungen zu gelangen, um beispielsweise die Eigentumsbildung von Haushalten auch mittlerer Einkommen zu ermöglichen, den Fortzug junger Familien ins Umland zu verhindern, die Bildung von Gemeinschaften zu fördern, Privatinitiative im Wohnumfeld zu wecken, neue Wohn- und Wohn-Arbeitsformen einen Raum zu geben und verstärkt nutzungsgemischte, vollwertige Stadtteile zu entwickeln, sind die folgenden Punkte (im Idealfall alle gleichzeitig) zentral:

  • Eine deutliche, konsequente und hoch angesiedelte politische Strategie und Entscheidung (starkes politisches Bekenntnis).
  • Personen in der Verwaltung und unter den (ersten) BewohnerInnen, die konsequent ihre Linie verfolgen (auch gegen die anfängliche Skepsis von Banken, Verwaltungen und Kommunalpolitik).
  • Eine aktive Stadtverwaltung, die (am besten) weitgehend als durchgängiger Developer auftritt, ausschließlich an End-Nutzende verkauft oder verpachtet und die Planwertgewinne ins Quartier re-investiert (als revolvierender Fonds für temporäre Nutzung, soziale Infrastrukturen, Anreiz-Systeme für privat(wirtschaftlich)es Engagement etc.).
  • Die Umsetzung der strategischen Ziele der Stadtverwaltung, d.h. beispielsweise der funktionale Mix, die städtebaulichen Zielsetzungen und das Betreiben von Einrichtungen in bestimmten Gebäuden kann nicht über das Planungsrecht hergestellt werden; dieses setzt nur den formellen Rahmen. In diesem Zusammenhang wird auf Masterpläne verzichtet resp. es sind nur Skizzen und es wird mehr Gewicht auf eine Prozessbeschreibung zur Zielerreichung (‚roadmap') gelegt. Die genauen Ziele werden über Städtebauliche Verträge (beispielsweise Anteil an Gewerbefläche pro Gebäude, Verzicht auf Pkw resp. Parkierungsregulierungen) maßgenau geregelt.
  • Eine deutliche Absage an Bauträger-Modelle zu Gunsten der Förderung von Baugemeinschaften und Klein-Genossenschaften (sie sind kostengünstiger - damit werden auch Beziehende niedrigerer Einkommen erreicht, sind städtebaulich und architektonisch vielfältiger, gemeinschaftsförderlicher und daher nachhaltiger).

Und: Die Projekte brauchen - insbesondere am Anfang - mehr Zeit und Geduld als erwartet und erhofft.

Fußnote 1: Der Grund liegt an dem Ausmaß der Veränderung der militärischen Lage. Die Schweiz ist hiervon weitgehend unberührt, auch in Österreich hat es in der Vergangenheit wenig Veränderungen ergeben - diese stehen gegenwärtig erst an. In Deutschland jedoch hat sich diese Situation nach der Vereinigung deutlich verändert: Die Alliierten haben fast alle ihre Standort aufgegeben und auch die Bundeswehr hat die Mannschaftszahlen deutlich verringert, so dass eine Reihe von Kasernenstandorten in den letzten 15 Jahren aufgegeben wurden.

Fußnote 2: Die meisten Veröffentlichungen hierzu sind als "graue Literatur" zu bezeichnen, viele davon sind im Rahmen von Diplomarbeiten oder Dissertationen in den Bereichen Geographie und Raumplanung entstanden.
Fakten
  • Projektträger
    TU Wien, Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung, Fachbereich Soziologie (ISRA)
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Jens S. Dangschat
    Vera Baumgartl
  • Laufzeit
    Juni bis Dezember 2007
  • Kontakt
    jens.dangschat[at]tuwien.ac.at
  • Downloads
  • Abstract 73.84 KB
    Projektbericht 441.29 KB