Der Gemeindebau - Die Weiterentwicklung einer Idee

In Zusammenarbeit mit der Stadt Wien produzierte Wokafilm einen Film über die Geschichte des Wiener Gemeindebaus. Ziel war es, einen Film in einer Art und Weise zu gestalten, in welcher der Zuseher das Gesehene verfolgen und logisch verstehen kann. Keine Überladung mit Fachbegriffen Ziffern und Zahlen nur dort wo sie unvermeidlich und wichtig sind. Der Film sollte von den Aufnahmen der verschiedenen Objekte und Locations, vor allem aber auch von historischem Bild und Filmmaterial leben. Statements von Architekten, Städteplanern, Bewohnern des Gemeindebaus, vor allem aber des Wohnbaustadtrats zu den einzelnen Blöcken sollten kurz und prägnant eingebaut werden.

Die Produktion des Films begann im Herbst 2008 mit ersten Aufnahmen der gewünschten Gemeindebauten und endete im April 2009. Gegen Ende der Dreharbeiten wurde Frank Hoffmann als Sprecher engagiert, welcher sowohl den deutschen, als auch den englischen Teil sprach.

Inhalt des Films

Schlägt man ein Lexikon auf, erfährt man über Wien: 1.690.000 Einwohner, damit zehnt größte Stadt der Europäischen Union, Stadt an der Donau mit 23 Bezirken, bedeutende Architektur und Heimat des Wiener Schnitzels. Liest man weiter, erfährt man, dass knapp ein Drittel der Einwohner, immerhin rund 500.000 Bewohner in rund 2.000 Gemeindebauten leben.

Doch blenden wir zurück .Es ist das Jahr 1900. Durch die Zuwanderungswelle aus den Kronländern der Donaumonarchie nach Wien stieg die Bevölkerung auf über 2 Millionen Einwohner. Dadurch wurde die Wohnsituation der Arbeiterklasse oft von unzumutbaren Wohnverhältnissen bestimmt. Die Folgen dieser Entwicklung waren hohe Mieten. Die Wohnungen selbst waren überbelegt, die Zahl der Untermieter und " Bettgeher " stieg, und das Wohnungselend wurde immer schlimmer.

Der Erste Weltkrieg kostete nicht nur viele Opfer, er verschlimmerte die Wohnungssituation weiter. Doch man begann zu handeln. Schon vorher schlossen sich viele Menschen zusammen und errichteten selbst erste, leistbare Siedlungen. Es entstanden somit die ersten Wohnungsgenossenschaften, die Vorläufer des Gemeindebaus. Ab 1922 kaufte die Gemeinde Wien Grundstücke auf und begann darauf zu bauen. Es war die Geburtsstunde des Wiener Gemeindebaus. In den Jahren 1923/24 wurde der vom Architekten Hubert Gessner geplante Metzleinstalerhof als erster Wiener Gemeindebau fertig gestellt. Dieser Bau zeichnet sich durch reiche keramische Verzierungen in Form von farbigen Reliefs an Fenstern und Fassaden aus.

Gleich anschließend entstand in unmittelbarer Umgebung der Reumannhof. Die mittlerweile denkmalgeschützte Anlage besteht aus 478 Wohnungen, Geschäftslokalen und Einrichtungen wie einem Kindergarten. Das Herzstück der Anlage ist der Ehrenhof, der mit einem schwarz-weißen Bogenmuster gepflastert ist und mit seinem Brunnen einen repräsentativen Eindruck vermittelt. Bei der Gestaltung der Höfe wurden vom Architekten Anleihen bei Stiftshöfen und Freihäusern genommen. Mit den charakteristischen Lampen und Figuren wurde bewusste hochwertige, ja palastartige Architektur für Arbeiter geschaffen.

Der Gemeindebau im "roten Wien"

Zum Symbol des "Roten Wien", wie diese Epoche auch genannt wird, wurde der Karl Marxhof in Döbling. Von Karl Ehn geplant wurden 1.200 Wohnungen errichtet. Die eindrucksvolle Architektur mit der wuchtigen Hauptfront und den charakteristischen Figuren zieht auch heute, rund 80 Jahre nach seiner Errichtung zahlreiche Besucher an und selbst bei Stadtrundfahrten wird eine Besichtigung angeboten. Generell wurden nur etwa 30% der Gesamtgrundfläche bebaut. Der Rest sind grüne Innenhöfe. Die Gemeinschaftseinrichtungen waren für die Menschen ungemein wertvoll. Es war damit nämlich nicht nötig, die Wohnanlagen zu verlassen, um zum Beispiel die Kinder ins Freibad, den Kindergarten oder die Schule zu bringen. "Licht, Sonne und Luft. Kinder zur Freiheit, sie kennen ja diesen ganz berühmten Spruch, der ist ja sozusagen hier in dieser Architekturgesinnung mit entstanden", so Architekt Smetana.

Architektonisch bedeutend ist auch die 1932 fertig gestellte Werkbundsiedlung in Lainz. 32 Architekten, unter ihnen Adolf Loos und Clemens Holzmeister entwarfen die Pläne für 70 Häuser. Jedes in einem eigenen Stil. Jedes Haus hat einen Eigengarten. Heute ist diese Anlage das Ziel zahlreicher Architekturtouristen aus aller Welt.

Austrofaschismus, Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg beendeten die Bautätigkeit des Roten Wien, in der mehr als 60.000 Wohnungen errichtet worden waren. Zahlreiche jüdische Bewohner wurden vertrieben. Wertvolle Kulturbauten, aber auch die Gemeindebauten wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Wieder begann der Aufbau....

Der Gemeindebau nach 1945

Eines dieser Programme führte zum Bau des ersten Gemeindebaus nach dem Krieg, der Per Albin Hansson Siedlung. Das von Franz Schuster geplante Projekt war der Gartenstadtidee der Zwischenkriegszeit verpflichtet und wurde durch ein Hilfsprogramm der Schwedischen Regierung ermöglicht. Doch auch die kriegsbeschädigten Bauten wurden saniert.

In Penzing, nahe der Stadtgrenze und bereits im Grüngürtel errichtete die Gemeinde Wien den Hugo Breitner Hof. Mit 1276 Wohnungen ist dieser Bau einer der Größten in Wien. in der ohnehin schon grünen Umgebung sind die großzügig angelegten Höfe und Grünflächen. Der Hof ist nach dem Finanzstadtrat Hugo Breitner benannt, der in der 1. Republik die für die Errichtung der Gemeindebauten wichtige Wohnbausteuer eingeführt hat. In Margareten entstand in den 50er Jahren der Theodor Körnerhof mit großen Grünflächen und dem ersten Wohnhochhaus.

Die Fortsetzung der Idee des Gemeindebaus, der sozial orientierte Wiener Wohnbau der Gegenwart begann mit Bauten wie dem Wohnpark Alt Erlaa. Dachschwimmbäder setzten neue Maßstäbe. Seine Fortsetzung erfährt der Terrassenwohnbau im Heinz Nittel Hof in Floridsdorf. Harry Glück plante diese Anlage mit 1380 Wohneinheiten und großen Terrassen, unterirdischen Garagen und Dachschwimmbädern. Immerhin dienten diese auffälligen Terrassenhäuser als Kulisse für den Hollywoodfilm "Break Dance".

Die gesellschaftlichen Veränderungen der 90er Jahre führten zur Errichtung von weiteren Gemeindewohnungen. Eine davon ist die Autofreie Mustersiedlung in Floridsdorf. Die Bewohnerinnen und Bewohner gestalten ihre Anlage auch selbst immer weiter. Kinder spielen in vollkommen natürlich gehaltener Umgebung. Dachterrassen werden selbst gestaltet und erweitert. Ganz in der Nähe stellt die sogenannte " Frauenwerkstatt " eine weitere Themensiedlung dar. Eine schräg zu einem Anger abfallende Anlage bezieht die Frauenwerkstatt vor allem Wohnbedürfnisse von Frauen ein. Somit gelangen die Kinder, natürlich zu deren Spass, gefahrlos in das Tagesheim.

Auf dem Gelände einer ehemaligen Sargfabrik in Penzing wurde eine Wohnhausanlage, Namens Sargfabrik errichtet. Mit auffallender oranger Außenfassade. In der Sargfabrik sorgen Gemeinschaftseinrichtungen wie ein Restaurant, eine Bar und Veranstaltungsräume dafür, dass auch viele Bewohner der Umgebung diese Anlage besuchen.

Die Zukunft des sozialen Wohnbaus hat bereits begonnen.

Die Zukunft teilweise bereits umgesetzt wurde in der interethnischen Wohnanlage in Liesing , ausgezeichnet mit dem ersten Wiener Wohnbaupreis 2009. Spielplätze und Gemeinschaftseinrichtungen werden von Menschen verschiedener Herkunftsländer benutzt.

Umweltbewusstsein spielte beim Bau der Bike City in Wien Leopoldstadt eine wesentliche Rolle. Die Höfe und damit die Freizeiträume liegen ruhig, abseits des Verkehrs. Spezielle Vorrichtungen wurden geschaffen, um die Fahrräder leicht zu erreichen und zu verwahren.

Die Erweiterung des öffentlichen Verkehrs an die Peripherie läßt auch die Stadtgrenze zu einem attraktiven Wohngebiet werden. Die Siedlung Kellerergasse liegt direkt an der Grenze zu Perchtoldsdorf. Holz war der bestimmende Baustoff, der im Reihenhausstil errichteten Anlage. Das westliche Pendant ist die Mustersiedlung in Hadersdorf, bei der Beton als Baustoff dominierend war. International renommierte Architekten entwickelten dabei individuelle Haustypologien.

Auch die Stadtteilbildung spielt im modernen Wohnbau eine wesentliche Rolle. Donaucity und Wohnpark Neue Donau am linken Donauufer sind dabei ebenso prägend wie die von Süden her weit sichtbare Wienerbergcity. Eine wesentliche Rolle spielt aber auch der Erhalt und die Sanierung der früheren Gemeindebauten. So wurden im Hugo Breitnerhof auf den Dächern nicht nur Solaranlagen errichtet, sondern auch Dachgeschoßwohnungen, die für junge Menschen attraktiven Wohnraum darstellen.

Die Zukunft des geförderten Wohnbaus hat natürlich längst begonnen. Wenn etwa in Wien Liesing auf den ehemaligen Gründen der Brauerei neuer, leistbarer Wohnraum entsteht. So am Pelagonienweg in der Donaustadt, wo eine Anlage im Stil einer Dorfstrasse entsteht. Oder bei der Planung für das "junge Wohnen am Nordbahnhof". Auch im internationalen Vergleich stellt das Wohnen im Wiener Gemeindebau die günstigste Wohnmöglichkeit dar. Es war ein weiter, aber lohnender Weg. Immer lag aber eine Idee zu Grunde -- gutes Wohnen muss leistbar sein. Für Alle. So gesehen hat sich also an der Grundidee des sozialen Wiener Wohnbaus nichts verändert...
Fakten
  • Projekträger/Produktionsteam
    Wokafilm

    Drehbuch: Herbert Kafka
    Produzentin: Gabriela Kafka
    Kamera: Herbert Kafka
    Schnitt: Herbert Kafka
    mit Final Cut Pro
    Ton: Andreas Kafka
    Filmmusik: Blue Valley
    Interviewbetreuer: Matthias Kafka
  • Trailer
    wokafilm.beepworld.de

    Preis der DVD: 19,90€
  • erhältlich bei
    Wokafilm
    Hochstrass 402
    3033 Altlengbach
    0676 3107031
    office[at]wokafilm.at
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