Evaluierung des Pilotversuchs "Forum-10" als Unterstützungsforum für MieterInnenbeiräte im 10.Bezirk

Forum 10 ist ein Zusammenschluss von MieterInnen-Beiräten im 10. Wiener Gemeindebezirk. Das Forschungsprojekt hat sich damit auseinandergesetzt, welchen demokratiepolitischen Wert dieses MieterInnen-Forum hat, einerseits für die beteiligten MieterInnen-VertreterInnen, andererseits als Unterstützungsplattform im Rahmen des MieterInnen-Mitbestimmungsstatuts der Stadt Wien. Dabei wurde auch die Rolle von Wohnpartner (bzw. der Gebietsbetreung für städtische Wohnhausanlagen) als begleitende Einrichtung, sowie die Einbindung anderer AkteurInnen, wie Wiener Wohnen oder die Politik, kritisch betrachtet.

Ziel dieses Forschungsvorhabens war es Aussagen darüber zu treffen, wie der Prozess der Entstehung und Etablierung des Forum-10 von verschiedenen Seiten eingeschätzt wird und welche Empfehlungen sich daraus für die weitere Entwicklung des Forum-10, aber auch für die Übertragbarkeit des Modells ableiten lassen. Neben einer Dokumentenanalyse und teilnehmenden Beobachtungen wurden MieterInnen-vertreterInnen, wohnpartner-MitarbeiterInnen, VertreterInnen von Wiener Wohnen, der Bezirkspolitik und der Stadtforschung interviewt.

Vernetzungsstrukturen

Grundsätzlich zeigen sich bei der Vernetzung von MieterInnenvertreterInnen unterschiedliche Modelle in Wien, von sehr stark Bottom-up-orientierten Prozessen bis zu eher Top-down-ogranisierten Prozessen. Von Strukturen, die parteipolitisch mehr oder weniger vereinnahmt sind, bis zu Strukturen, die explizit parteiunabhängig sein wollen. Von Strukturen, die eher lokal überschaubar organisiert sind bis zu wienweiten Strukturen mit vielen Mitgliederzahlen. Mit dem Forum-10 zeigt sich ein Prozess, der sowohl bottom-up als auch top-down definiert wurde. Einerseits ging die Initiative stark von den MieterInnenvertreterInnen aus, die sich nach der Etablierung nun auch selbst organisieren. Andererseits hat die GB_wohn bzw. wohnpartner die Rolle übernommen, den Prozess zu moderieren - innerhalb der Vernetzungsstruktur, aber auch zwischen den MVs und anderen AkteurInnen, wie Wiener Wohnen und der Politik. Dadurch konnte eine Akzeptanz der Vernetzungsstruktur nach innen und außen entwickelt werden.

Forum-10 ist ein überschaubares Modell, geprägt davon, dass sich die MieterInnenvertreterInnen mit dem Prozess und der Vernetzungsstruktur stark identifizieren und dadurch auch Lernprozesse möglich waren und sind. Diese Lernprozesse haben sich einerseits auf die Arbeit der MVs bezogen, der Austausch und Reflexion der MieterInnenvertretungsarbeit ermöglicht. Das Forum-10 eröffnet aber auch Zugang zu neuen Kontakten, die für die Arbeit der MieterInnen-vertreterInnen wichtig ist. Andererseits beziehen sich die Lernprozesse auf demokratisches Vorgehen. Der Wert des Forum-10 als Lernort für partizipatives demokratisches Vorgehen besteht nicht nur für die beteiligten MVs, sondern wird auch aus politischer Perspektive positiv bewertet: Durch die kleinräumige Vernetzung der MieterInnenvertreterInnen standen Sachthemen im Vordergrund, deren Bearbeitung möglich gemacht und einer parteipolitischen bzw. rechtspopulistischen Instrumentalisierung entzogen werden könnte. Die parteipolitische Unabhängigkeit war den MieterInnenvertreterInnen wichtig und Voraussetzung für die Akzeptanz des Forum-10 durch die MVs. Eine parteipolitische Färbung der Vernetzungsstruktur hätte dazu geführt, dass sich weniger MVs beteiligt und sich vertreten gefühlt hätten. Die parteipolitische Unabhängigkeit ist aber auch für andere AkteurInnen auf stadtpolitischer und bezirkspolitischer Ebene, sowie für Wiener Wohnen Voraussetzung für die Akzeptanz des Forum-10 und die Zusammenarbeit. Diese Unabhängigkeit wurde entscheidend durch die Begleitung der GB_wohn bzw. wohnpartner gewährleistet.

Rolle der einzelnen Akteure

Die GB_wohn bzw. wohnpartner unterstützte die Aushandlungsprozesse der MVs, half bei der Etablierung, zog sich danach aber zurück und übergab die Organisation des Forum-10 an die MVs. Die GB_wohn bzw. wohnpartner (auch weg) übernahm auch die Aufgabe, eine Einbindung anderer AkteurInnen, wie zu WW, der bezirks- und stadtpolitischen Ebene zu gewährleisten. Die Evaluierung zeigt, dass die Einbindung dieser AkteurInnen soweit gestaltet sein soll, dass diese über die Entwicklung der Vernetzung informiert sind. Sie sollten sich an der Vernetzung allerdings nicht beteiligen, um nicht instrumentalisierend Einfluss zu nehmen. Eine regelmäßige Kommunikation zwischen der Vernetzungsstruktur und dem KundInnendienstzentrum ist empfehlenswert, bei Bedarf können auch andere AkteurInnen kontaktiert werden, wie die Direktion von Wiener Wohnen, die Stadtrat-Ebene und die bezirkspolitische Ebene. Die Rolle der Bezirkspolitik wird widersprüchlich gesehen. Einerseits gehe es bei der Vernetzung von MieterInnenbeiräten um Themen, die Wiener Wohnen betreffen, andererseits könnten MVs Interessen von BewohnerInnen auch den Bezirken gegenüber vermitteln.

Die Erwartungen an Vernetzungsstrukturen von MieterInnenbeiräten sind je nach AkteurInnen unterschiedlich, als Lernort für MVs, über gebündelter Ansprechstruktur für MieterInnen-Anliegen, als "Sensor" für den Bezirk bis zu ExpertInnen-Pool für die Weiterentwicklung des MieterInnenmitbestimmungsstatuts. Die Evaluierung zeigt, dass es v.a. für Wiener Wohnen vorteilhaft ist, wenn über eine Vernetzungsstruktur viele MieterInnenvertreterInnen über einen Weg erreicht werden können. Mit dem Forum-10 konnte auch die Kommunikation zwischen MVs und Wiener Wohnen verbessert werden. Andererseits wurde seitens des KundInnendienstzentrums ein höherer Arbeitsaufwand befürchtet.

Die Evaluierung zeigt auch, dass Vernetzungsstrukturen keine Probleme lösen, die allgemein im MieterInnenmitbestimmungsstatut bzw. in der Unterstützung der MBs-Arbeit zu suchen sind. Einerseits könnten sich Probleme sogar verfestigen, weil MieterInnenvertreterInnen in Vernetzungsstrukturen "Gleichgesinnte" treffen und weniger Druck haben, auf andere Gruppen in ihrer Wohnhausanlage zugehen zu müssen. Andererseits können Vernetzungsstrukturen den Einstieg neuer MVs in die MB-Arbeit erleichtern. Für die MVs sind Vernetzungsstrukturen einerseits ein Austauschforum, andererseits aber auch die Möglichkeit, Interessen zu bündeln und gemeinsam nach außen zu vertreten.

Empfehlungen

  • Förderung der überschaubaren Vernetzung der MBs unter Begleitung einer parteipolitisch unabhängigen Einrichtung, ermöglicht es, parteipolitische Instrumentalisierung zu verhindern.
  • Überschaubare Vernetzung unterstützt partizipative demokratische Prozesse, die sich auf sachpolitische Themen beziehen.
  • Überschaubarkeit fördert Lernprozesse der MVs und die Identifikation mit der Vernetzungsstruktur und MB-Arbeit.
  • Interesse für die Vernetzung sollte von MieterInnenvertreterInnen ausgehen.
  • Begleitung der Initiierung und Etablierung durch eine Einrichtung wie wohnpartner sollte gewährt werden, wenn dies von den MVs erwünscht ist. wohnpartner könnte in dieser Rolle auf die Transparenz des Prozesses achten (Protokoll, Entscheidungsprozesse etc.), aber auch die Schnittstelle zu anderen AkteurInnen darstellen und so die Einbindung von Wiener Wohnen und die Information der Politik sichern. wohnpartner sollte sich aber nach der Etablierung zurückziehen, um die Eigenständigkeit der Vernetzungsstruktur zu ermöglichen. Ihre Funktion ist, auf Transparenz (breite Einladung, Protokolle) zu achten. Sollten MVs die Begleitung durch wohnpartner nicht wünschen, ist empfehlenswert, dass wohnpartner zu den MVs trotzdem Kontakt hält.
  • Bei der Gründung einer Vernetzungsstruktur sollten möglichst alle betroffenen MVs einbezogen und eingeladen werden und möglichst breit beteiligt werden.
  • Prozessen bei der Initiierung und Vernetzung sollte Zeit gegeben werden, einerseits um Lernprozesse zu ermöglichen, andererseits um Entscheidungen in Bezug auf Ausrichtung und Organisation der Vernetzungsstruktur so zu ermöglichen, dass Entscheidungen breit mitgetragen werden. Dieser Entscheidungsprozess klärt u. a., ob die Vernetzungsstruktur eher zum Austausch oder/und zur Vertretung nach außen genutzt werden soll. Bei der Vertretung nach außen ist besonders auf die Transparenz der Entscheidungsfindungsstrukturen zu achten.

Deutlich wurde, dass die Unterstützung der Vernetzung der MieterInnenver-treterInnen seitens der MVs als Anerkennung der MB-Arbeit durch die Stadt, vertreten durch das Stadtrat-Büro, gesehen wurde.
Fakten
  • Projektträger
    FH Campus Wien
    Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit GmbH
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Christoph Stoik M.A.
    Mag. (FH) Julia Emprechtinger
    Mag. Sonja Gruber
  • Laufzeit
    April bis November 2010
  • Kontakt
    kosar[at]fh-campuswien.ac.at
  • Downloads
  • Abstract 19.25 KB
    Projektbericht 6.5 MB