Wohnen für geflüchtete Menschen in Wien

Ausgangslage und Zielsetzungen

Die Entwicklung Wiens ist stark durch Zuwanderung geprägt. Rund 36% aller nach Österreich neu Zugewanderten ziehen aktuell nach Wien (vgl. Stadt Wien - MA 17 2017: 39). Der Prozess des Ankommens und der Integration stellt für viele geflüchtete und zugewanderte Menschen eine große Herausforderung dar. Wien war und ist von der Flucht- und Asylmigration überproportional betroffen. Im Dezember 2019 waren über 11.600 Personen in Wien in der Grundversorgung (vgl. FSW 2019: 2). Zahlreiche Geflüchtete haben bereits Asyl oder subsidiären Schutz erhalten. Darüber hinaus ziehen viele Menschen nach positivem Abschluss ihrer Verfahren aus den Bundesländern nach Wien. Im Zuge der Familienzusammenführung werden sich die Gesamtzahlen weiter erhöhen.

Nach positivem Abschluss des Asylverfahrens werden Geflüchtete nach maximal vier Monaten aus der Grundversorgung entlassen. Spätestens danach besteht Bedarf nach günstigem, rasch verfügbarem Wohnraum (im Falle von Familiennachzug entsteht dieser Bedarf sofort). In erster Linie sind Asylberechtigte und ihre Familien auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen. Die von FSW und sozialen Trägern vermittelten Startwohnungen kommen nur einem kleinen Teil der Asylberechtigten
zugute.

Wohnen ist einer der wichtigsten Lebensbereiche und das Finden eines leistbaren und geeigneten Wohnraums eine der Grundvoraussetzungen für soziale Inklusion. Die meisten neu zugewanderten Menschen finden sich aktuell im privaten Wohnungsmarkt Wiens wieder, insbesondere in einem Wohnsegment, das im Vergleich zu anderen häufig mit prekären Wohnbedingungen verbunden ist. Sie wohnen überdurchschnittlich oft in befristeten Mietverträgen und zu höheren Mietpreisen. Gleichzeitig stehen ihnen meist weniger Wohnfläche und weniger Räume pro Person zur Verfügung. Der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen ist damit besonders hoch und stellt finanziell vor Herausforderungen (vgl. Stadt Wien - MA 17 2017: 21).

Dazu kommen rechtliche Unsicherheiten, Formen der Ausbeutung und Ausnutzung im Rahmen von (Unter-)Mietverhältnissen, Überbelag und gesundheitsgefährdende Wohnsituationen in nicht oder nicht adäquat sanierten Altbauwohnungen. Viele erleben zudem Diskriminierungserfahrungen bei der Wohnungssuche. 

Die ersten Jahre in Wien sind häufig auch durch instabile Wohnverhältnisse geprägt, durch wechselnde Wohnformen und durch Wohnungssuche. Zugewanderte und geflüchtete Menschen finden meist außerhalb des Gürtels, in Teilen des 2. und 20. sowie des 10. und 11. Bezirks in Gründerzeitvierteln mit großem Altbaubestand eine Wohnung. Aufgrund des Wachstums der Stadt sowie der Veränderungen am Wiener Immobilienmarkt, die das Marktsegment des gründerzeitlichen Altbaus aktuell stark überformen, laufen die Gründerzeitviertel allerdings Gefahr, ihre bisherige „Ankommens- und Integrationsfunktion“ zusehends einzubüßen. Das Segment der Wiener Gemeindewohnungen und der geförderten Wohnungen – auf der anderen Seite – ist für neu zugewanderte und geflüchtete Menschen aktuell nicht bzw. schwer 
zugänglich (vgl. Aigner 2018: 5f).

Gleichzeitig ist über die konkreten Lebenssituationen, Wohnbiographien und Herausforderungen aus Sicht der betroffenen Bevölkerungsgruppen relativ wenig bekannt – auch weil Menschen aufgrund der Situation am Wohnungsmarkt häufig in den informellen Subwohnungsmarkt gedrängt werden. Dieses Forschungsprojekt möchte daher mehr Wissen über das Themenfeld generieren und dabei insbesondere
die lebensweltliche Perspektive von betroffenen Menschen selbst in den Vordergrund stellen. Im Fokus stehen dabei geflüchtete Menschen mit positivem Asylbescheid (Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte) und deren Situation am Wiener Wohnungsmarkt. Es soll eine differenzierte Betrachtung von unterschiedlichen Gruppen ermöglicht werden – in Hinblick auf deren Zugang zu verschiedenen
Wohnsegmenten und in Hinblick auf deren Wohnbiographien und Wohnbedürfnisse. Merkmale wie Aufenthaltsstatus, nationale Herkunft und ethnische Zugehörigkeit, Einbindung in soziale Netzwerke, sozial-ökonomischer Status, Bildung und Sprache können dabei unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen. Darüber hinaus sollen auch die Wahrnehmungen von relevanten Stakeholdern und ExpertInnen zum Themenfeld in die Erhebung einbezogen werden.

Mit der Studie soll einerseits ein Überblick über die quantitative Entwicklung des Zuzugs von geflüchteten Menschen nach Wien ermöglicht werden. Wie entwickelt sich der Zuzug von einzelnen ZuwandererInnengruppen in verschiedenen Bezirken? Welche stadträumliche Verteilung ihrer Wohnorte zeigt sich? Wie charakterisieren dich die Gruppen in soziodemographischer Hinsicht? In welchen Wohnformen bzw. Haushaltszusammensetzungen leben sie?

Andererseits möchte die Studie die Perspektiven der Zielgruppen selbst in Hinblick auf ihre Wohnsituationen und Wohnbedürfnisse erheben und sichtbar machen. Wie bewegen sich geflüchtete Menschen am Wohnungsmarkt – insbesondere diejenigen, die von verschiedenen Wohnsegmenten ausgeschlossen sind? Zu welchen Wohnformen haben sie Zugang und welche Wohnsituationen erleben sie? Welche Faktoren beeinflussen Wohnungszugang und Wohnsituationen? Woher werden Informationen bezogen, die als Entscheidungsgrundlage für Wohnungssuche oder Wohnungswechsel dienen? Welche Hürden, Schwierigkeiten und Diskriminierungserfahrungen werden erlebt? Welche Handlungsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien werden entwickelt?

Zudem sollen abschließend Handlungsempfehlungen formuliert werden.
Fakten
  • Auftraggeber
    Arbeiterkammer Wien

    Stadt Wien, Wohnbauforschung (MA 50)
  • Projektträger
    Caritas der Erzdiözese Wien - Hilfe in Not
    Stadtteilarbeit

    FH Campus Wien
    Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit

    Universität Wien
    Institut für Soziologie

    Urban Innovation Vienna
  • Projektteam
    Caritas der Erzdiözese Wien
    Katharina Kirsch-Soriano da Silva (Projektleitung)
    Florian Rautner
    Sam Osborn

    FH Campus Wien
    Christoph Stoik

    Universität Wien
    Christoph Reinprecht
    Jana Reininger
    Lena Coufal

    Urban Innovation Vienna
    Herbert Bartik
    Johannes Lutter
  • Projektlaufzeit
    2020
  • Downloads
  • Endbericht 3.15 MB
    Anhang 2.65 MB