Frauen-Wohnbauprojekte in Wien
In der Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer

Herausforderungen
Die Stadt Wien erwartet, bis zum Jahr 2027 wieder zur Zwei-Millionen-Metropole werden. Dabei wird die Gesamtbevölkerung, die 2018 einen Frauenanteil von 51,5 Prozent auswies, jünger, älter und kulturell vielfältiger zugleich. Vor allem die in sich sehr heterogene Bevölkerungsgruppe der Frauen bedarf leistbarer und bedarfsgerechter Mietwohnungen.

Der geförderte Wohnbau nimmt diesen wachsenden Bedarf aktuell einerseits mit der Neuausrichtung der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung durch die Einbindung der Fachaufgaben „Frauenförderung“ und „Koordinierung von Frauenangelegenheiten“ gezielt in den Blick, andererseits mit dem bewährten Instrument themenspezifischer Bauträgerwettbewerbe. Es gilt, auf der Basis der 4-Säulen- Modells der Wohnbauförderung, kostengünstig und rasch große Volumen von Wohnraum zu errichten und damit vor allem in neuen Stadtquartieren gleichwertige Lebensbedingungen für alle Bedarfsgruppen und insbesondere Frauen in der Vielfalt ihrer unterschiedlichen Lebenslagen, Interessen und Alltagsbezüge zu schaffen.

Einige der aktuell im Entstehen begriffenen Wohnbauprojekte haben z.B. explizit zum Ziel, auf die unterschiedlichen Wohnbedarfe Alleinerziehender einzugehen und Innovation auch im Bereich des seriellen Wohnens anzubieten. Dabei spielt nicht nur die baulichräumliche Konzeption eine Schlüsselrolle, sondern auch die Sicherung guter Quartiersinfrastrukturen und soziokultureller Vernetzungsmöglichkeiten.

Auf der baulich-konzeptionellen wie gleichstellungspolitischen Ebene kann Wien bei der Bearbeitung dieser Herausforderung anknüpfen an international beachtete Modellprojekte im Bereich alltags- und frauengerechter und an den Lebensphasen der BewohnerInnen orientierter Planung: Soziale Innovationen im Wohnungsbau gingen, wie die feministische Architekturforschung belegt, in der Geschichte häufig von Frauen aus (vgl. Becker, 2009; Dörhöfer, 1998; Droste/Diesenreiter/Riss 2016; Droste 2017; Friedl, 2007; Pollack 2003/2008; Zibell/Schröder 2004/2007).

Vom Roten Wien bis heute: Wohnbau von und für Frauen
Die Auseinandersetzung mit alltags- und frauengerechter Planung geht auch in Wien bis weit in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück und im Kontext der zweiten Frauenbewegung etablierte sich eine Vielfalt von „Frauenräumen“ und Frauenprojekten. Es wurden entscheidende Impulse zur Infragestellung der Geschlechterverhältnisse in der Planung und eine grundlegende Kritik an der Monofunktionalität vor allem der Nachkriegssiedlungen, an der dichotomen Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Raum, der mangelnden Berücksichtigung von Sicherheit und die hierarchischen Raum- bzw. Grundrissstrukturen auch im modernen Wohnbau formuliert.

Forderungen nach einem frauen- und familienfreundlichen Wohnumfeld sowie nach Funktionsmischung in den Siedlungen begannen die Planung zu verändern. Greifbar wird der Einfluss dieses Perspektivwechsels in den 1990er Jahren: Sie brachten die Wiener Kriterien für eine alltags- und frauengerechte Stadt- und Wohnbauplanung hervor und neben den beiden „Frauen-Werk-Stadt“-Projekten auch selbstorganisierte Frauenwohnprojekte (vgl. Pollack, 2007; Riss, 2016). Zur planerischen Perspektive auf diese Prozesse und Projekte liegen u.a. die genannten architekturgeschichtlichen Forschungen sowie eine Reihe von Arbeitshilfen vor, so auch eine Studie/Arbeitshilfe Geförderter Wohnbau in Wien: alltagsgerecht, smart und sozial nachhaltig im Auftrag der Wiener Wohnbauforschung (vgl. Droste/Diesenreiter/Riss 2017).

Studie
Die Frauen-Werk-Stadt I wurde bereits kurzfristig nach Fertigstellung einer Evaluation aus dieser Perspektive unterzogen. Eine übergreifende und auf eine längere Wohnerfahrung zurückgehende Bewertung der Frauen-Wohn-Projekte durch die NutzerInnen steht – abgesehen von einigen Bachelor-Arbeiten zur Frauen-Werk-Stadt I - jedoch bisher aus. Da als wesentliches Element der Qualitätsentwicklung in der Wohnbauförderung seit gut zwei Jahrzehnten die explizite Ausrichtung der Planung an den Bedürfnissen der NutzerInnen benannt wird, setzt die hier angebotene Evaluationsstudie an diesem Punkt an: Sie analysiert mithilfe sowohl quantitativer als auch qualitativer Methoden die Alltagserfahrungen der NutzerInnen mit Wohnraum, Wohnumfeld und Infrastrukturen, die explizit geschlechterdifferenziert, zielgruppenspezifisch und an den Lebensphasen und alltäglichen Lebenswelten der BewohnerInnen orientiert geplant wurden. Die Studie wurde im Zeitraum von Mai bis Dezember 2019 erarbeitet, im Bereich der quantitativen Analyse in Zusammenarbeit mit dem Wiener Institute for Social Research and Consulting (SORA).

Die abschließenden Handlungsempfehlungen adressieren eine breite Fachöffentlichkeit, insbesondere aber für zukünftige Ausschreibungen /Konzeption von Bauträger-Wettbewerben im Rahmen der Wohnbau-Offensive 2018-2020 Verantwortliche und für die Wettbewerbsverfahren zuständige Jury-Mitglieder. Die Studie leistet darüber hinaus einen Beitrag zur Einordnung der Frauen-Wohn-Projekte in einen von der Wohnbauforschung 2019 angestrebten Gesamtüberblick zu frauengerechtem Wohnen vom Roten Wien bis heute.
Fakten
  • Fördergeber
    Stadt Wien, MA 50 – Referat Wohnbauforschung und internationale Beziehungen
  • Projektträger
    UrbanPlus
    Droste&Partner
  • Projektteam
    Christiane Droste
    Carina Diesenreiter
    Sabina Riss
  • Dauer
    07/2019-12/2019
  • Downloads
  • Studie_DE 6.81 MB