Kooperationspotentiale in der Stadtregion Wien

Wien wächst zunehmend Richtung Umland. Insbesondere südlich des 23. Wiener Gemeindebezirkes Liesing an der Grenze zum Bezirk Mödling bestehen enge siedlungsstrukturelle und funktionale Verflechtungen mit den angrenzenden niederösterreichischen Gemeinden. Der Bevölkerungsdruck erhöht die Nachfrage nach leistbarem Wohnraum. Diese Siedlungsdynamik stellt eine Herausforderung für eine qualitative Entwicklung von Siedlungs- und Freiräumen, von Infrastrukturen aber auch für das soziale Gefüge und die Identifikation mit dem Wohnort dar. Angesichts der Stadt-randlage ist eine grenzüberschreitende Koordination und Zusammenarbeit notwendig. Durch die gemeinsame Entwicklung von Zielgebieten, eine Abstimmung rechtlicher Instrumente und die Initiierung von Bündnissen können eine nachhaltige Raumentwicklung und Wohnraumversorgung sowie eine gute Qualität von Naherholungsgebieten, Verkehrsinfrastrukturen und sozialen Dienstleistungen auf stadtregionaler Ebene angesteuert werden. Die exemplarische Analyse bestehender Kooperationsansätze zeigt diesbezügliche Chancen, aber auch Barrieren. Potenziale erschließen sich aus den Aktivitäten der „Planungsgemeinschaft Ost“ und des „Stadt-Umland-Managements“, aus den im Zuge der Regionalen Leitplanung Mödling erfolgten Abstimmungsprozessen zwischen niederösterreichischen Gemeinden sowie aus EU-kofinanzierten Vernetzungsprojekten. Barrieren für stadtregionale Kooperationen bestehen im Zusammenhang mit unterschiedlichen rechtlichen Normen und wohnpolitischen Leitbildern, mangelnden Anreizsystemen und in der Schwierigkeit, einen regionalen Ausgleich für räumlich ungleich verteilte Nutzen und Lasten der Siedlungsentwicklung zu finden.

Zielsetzung

Nicht nur Wien wächst, sondern auch die Umlandgemeinden verzeichnen erhebliche Bevölkerungszuwächse. Diese Entwicklung bringt grundlegende Veränderungen der bevölkerungs-, wirtschafts- und versorgungsmäßigen Strukturen mit sich. In der Stadtregion entstehen urbane Verflechtungsräume, die eine hohe Einwohner- und Arbeitsplatzdichte, wechselseitige Abhängigkeiten und zunehmende Pendlerströme aufweisen. Der gesamte Raum befindet sich in einer andauernden Transformationsphase. Um eine sozial nachhaltige Raumentwicklung, eine gute Qualität von Freiräumen, Verkehrsinfrastrukturen und sozialen Dienstleistungen zu gewährleisten, muss diese Wachstumsdynamik gemeindeübergreifend gesteuert werden. Dies wirft Fragen auf, welche Veränderungen für den Erhalt der Qualitäten dieses Lebensraumes wichtig sind und welche Ansätze denkbar wären, um Siedlungs-, Verkehrs- und Infrastrukturentwicklungen durch stadtregionale Kooperationen aufeinander abzustimmen. Welche zusätzlichen Handlungsspielräume können durch Kooperationen in der Stadtregion Wien erschlossen werden und wie kann man dazu an bestehende Kooperationen anknüpfen?

Im Rahmen des vorliegenden Projektes werden anhand von Fallbeispielen Ansätze einer bundesländerübergreifenden Abstimmung und interkommunalen Zusammenarbeit aufgezeigt, die auf langfristige Verbesserungen für die ansässige Wohnbevölkerung abzielen. Als Gebiet für die Auswahl und Analyse von Kooperationsbeispielen wurde eine räumliche Abgrenzung vorgenommen, die den Wiener Gemeindebezirk Liesing und die unmittelbar angrenzenden, niederösterreichischen Umlandgemeinden Perchtoldsdorf, Brunn am Gebirge und Vösendorf umfasst. Diese Eingrenzung erfolgte unter der Prämissen, einen Verflechtungsbereich zu erfassen, der einerseits im Kernbereich von Liesing ein wohnpolitisches Zielgebiet der Wiener Stadtentwicklung darstellt (z.B. "In der Wiesen", "Carrée Atzgersdorf") und andererseits im Rahmen des EU-Programmes URBACT derzeit als „regionaler Kooperationsraum“ entwickelt wird. Auf Basis der Erfahrungen mit bestehenden Kooperationen wird untersucht, welche Voraussetzungen nötig sind, damit sich kooperative Modelle in der Stadtregion etablieren können. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf freiwilligen und netzwerkartigen Kooperationsformen, die einen Ausgangspunkt für eine schrittweise Institutionalisierung regionaler Kooperationen darstellen können.

Methode

Die Analyse von Kooperationsansätzen und -potenzialen basiert auf einer Kombination von Erhebungen vor Ort, der Analyse von Plan- und Textdokumenten sowie auf Leitfadeninterviews mit ExpertInnen aus Politik, Verwaltung, Wohnbau und Forschung. Die Literaturanalyse orientiert sich an der Frage, welche Rahmenbedingungen grundsätzlich nötig sind, damit Kooperationen in Stadtregionen zustande kommen, welche treibenden Kräfte sie befördern und welche Hürden sich ergeben können. Im Rahmen einer Dokumentenanalyse werden die für regionale Kooperationen relevanten strategischen Ziele der Entwicklungskonzepte der niederösterreichischen Landesregierung, der Gemeinden im Untersuchungsgebiet und des Bezirks Liesing sowie des Wiener STEP 2025 untersucht. Ergänzend dazu werden die Herausforderungen und Problemlagen, mit denen die untersuchten Gebiete konfrontiert sind, aus Sicht von EntscheidungsträgerInnen dargestellt. Dazu dienen Leitfadeninterviews mit ExpertInnen aus den Bereichen Politik, Verwaltung und Stadt-Umland-Management. Um Empfehlungen für die Initialisierung stadtregionaler Kooperationen ableiten zu können, werden außerdem Praxisbeispiele aus wachsenden Regionen in der Schweiz und in Deutschland, die ebenso von einer Verknappung an leistbarem Wohnraum betroffen sind, analysiert.

Ergebnisse

Stadtregionen beschreiben einen Siedlungsraum, der aus verdichteten städtischen Strukturen besteht, die aufgrund funktionaler Verschränkungen von Kernstadt und Umgebungsgemeinden über die ursprünglichen Grenzen dieser Kernstadt hinausragen. Stadtregionen sind nicht allein anhand administrativer Einheiten abgrenzbar, sondern konstituieren sich aus Interaktionsmustern, Pendler- und Güterströmen, für die insbesondere wirtschaftliche Entwicklungen treibende Kräfte darstellen. Die regionale Ebene gewinnt vor allem im Einzugsbereich von Großstädten gesellschaftlich und politisch an Bedeutung. Denn Regionen sind nicht nur Wirtschaftsräume, sondern vor allem auch Lebensräume, die an Bedeutung für den Alltag gewinnen. Insbesondere in Stadtregionen überschreiten alltägliche Wege, Konsummuster und Kontakte die administrativen Grenzen von Gemeinden, Bezirken und Bundesländern. Die Flexibilität auf Arbeitsmärkten und eine anhaltende Zuwanderung erweitern das soziale Gefüge, die örtlichen Aktivitäten und den Ortsbezug der BewohnerInnen. Daraus folgt, dass das entlang von Gemeinde- und Bundesländergrenzen organisierte Politik- und Verwaltungssystem durch ein regionales Zusammenspiel verschiedener Ebenen und AkteurInnen ergänzt werden muss. Fachlich getrennte Verwaltungsstrukturen machen eine fachübergreifende Koordination erforderlich. Strategische Planungen werden intensiviert, um einen übergeordneten Rahmen für sektorale und formale Planungen zu schaffen. In der Stadtregion Wien bildet die „Planungsgemeinschaft Ost“ (PGO) auf Verwaltungsebene die zentrale Einrichtung der Länderverwaltungen Burgenland, Niederösterreich und Wien zur „Abstimmung, Koordination und Vorbereitung raumplanerisch relevanter Fragen in der österreichischen „Länderregion Ost“.

In Verflechtungsräumen können Entscheidungen, die auf Gemeindeebene auf Basis ihrer rechtlichen Eigenständigkeit getroffen werden, maßgebliche externe Effekte auf andere Gemeinden erzeugen. Aufgrund dieser wechselseitigen Abhängigkeit setzt eine Steuerung der Entwicklung von Stadtregionen Abstimmungsprozesse in Form interkommunaler Zusammenarbeit voraus. Interkommunale Zusammenarbeit ist etwa im Bereich der Wasser-, Abwasser- und Abfallwirtschaft gut etabliert. Die – im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes – im Jahr 2008 geschaffene Möglichkeit einer Teilung der Erträge aus der Kommunalsteuer kann ein wichtiger Anstoß für eine gemeindeübergreifende Entwicklung von Betriebsgebieten sein. Die Problematik besteht aber darin, die Ebene der Gesamtregion mit der Ebene der Gemeinden anhand gemeinsamer Entwicklungsziele zu verbinden, wobei Zielkonflikte zwischen Gemeinden und der Region aber auch unter den Gemeinden selbst auftreten können. Dies wirft die Frage auf, wie Bereiche der Siedlungsentwicklung und Daseinsvorsorge regional „gemanagt“ werden können. Diesbezüglich zeigen Beispiele aus Deutschland, der Schweiz und aus Vorarlberg mögliche Herangehensweisen und Umsetzungsschritte.

Anlassbezogene Abstimmungsprozesse, die Wien und dessen Umland betreffen, werden vom „Stadt-Umland-Management“ (SUM) unterstützt. Dessen Funktion besteht im Wesentlichen darin, Akteure zu vernetzen, Informationen bereitzustellen, Prozesse zu initialisieren und in der Anfangsphase zu moderieren. Gemeinden können Vorhaben über ein vom SUM entwickeltes Schema (VIA SUM) miteinander abstimmen, sind dazu jedoch nicht verpflichtet.

Vom SUM werden darüber hinaus jährlich Konferenzen zu agglomerationsspezifischen Themen veranstaltet. Aus den damit angestoßenen Kommunikations- und Austauschprozessen können durchaus auch kooperative Strategien emergieren. Da diese nicht durch einen zentralen öffentlichen Akteur sondern durch kollektive Lernprozesse gelenkt werden, kann sich auf ihrer Grundlage jedoch kein schlüssiges Entscheidungssystem bilden, das einer langfristigen Entwicklungsperspektive gerecht wird. Dazu ist im Sinne einer „strategischen Planung“ ein Bezugsrahmen für spätere Entscheidungen nötig. Dieser lenkt Denkmuster und Wahrnehmungen von AkteurInnen in Entscheidungssituationen in eine gewünschte Richtung, wodurch strategische Weichenstellungen geschaffen werden. Die Voraussetzungen dazu sind zunächst auf Ebene offizieller Zielformulierungen von Seite der Landesregierungen gegeben: Der STEP 2025 gibt die Zielsetzung vor, die Metropolregion Wien durch „regionale Kooperationen“ zu stärken. Diese sollen im Stadt-Umland-Bereich in Abstimmung mit Niederösterreich erprobt werden. Die Hauptregionsstrategie Niederösterreichs legt einen Schwerpunkt auf interkommunale Zusammenarbeit, auf Kooperationen im Bereich „identitätsstiftender Maßnahmen“ sowie auf die Intensivierung von Stadt-Umland-Kooperationen. Ein Problem besteht darin, dass regionale Kooperationen im Gegensatz zu sektoralen Kooperationen, bei denen der Anstoß zur Kooperation häufig von unten kommt, von oben – also durch die staatliche Ebene oder durch EU-Programme – „angeschoben“ werden müssen. Erst durch die Förderung von Modellvorhaben oder innovativen Ansätzen können Impulse gesetzt werden, die nötig sind, um Prozesse einer kooperativen Selbststeuerung auszulösen.

Da Regionen im politisch-administrativen System nicht als eigenständige Ebene institutionalisiert sind, kann nicht auf Formen einer „Top-down“-Steuerung zurückgegriffen werden. Stadtregionale Kooperationen können jedoch an bestehende Abstimmungsprozesse und Zusammenarbeitsformen anknüpfen. Grundsätzlich gibt es vier Ebenen, auf denen sich diesbezügliche Potenziale erschließen lassen: die Ebene von Projekten, die Ebene der raumordnungsrechtlichen Instrumente, die Ebene der Entwicklung von Zielgebieten in Teilräumen und die Ebene strategischer Zusammenschlüsse in Form von Bündnissen. Positive Erfahrungen mit projektbezogenen Kooperationen schaffen Erfolgserlebnisse und ein „Kooperationsklima“. Sie können so zu einem wichtigen Baustein einer inkrementellen Strategie werden, um stadtregionale Bündnisse auf den Weg zu bringen. Dazu eigenen sich funktionale Themenstellungen, die in überschaubaren Projekten bearbeitet werden können, aber auch die Definition von Teilräumen, für die gemeinsame Entwicklungsgebiete festgelegt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Kooperation besteht auf Ebene der Abstimmung rechtlicher Instrumente. Schließlich können Bündnisse geschlossen werden, um auf der Basis gemeinsamer Zielformulierungen konkrete Umsetzungsschritte einzuleiten.

Im Bereich der technischen Infrastruktur bestehen im Untersuchungsgebiet Kooperationen im Bereich der Kläranlagen, der Entsorgung von Bauabfällen, der Leitungsnetze der Wasserversorgung und der Kanalnetze. Im Bereich der sozialen Infrastruktur (Betreuung, Bildung, Gesundheit und Pflege) bestehen derzeit kaum Kooperationen zwischen Wien und den Umlandgemeinden. In den Interviews wird diesbezüglich vor allem die Einrichtung gemeinde- bzw. länderübergreifender Schulsprengel im Pflichtschulbereich diskutiert. Auffällig ist, dass es auch im Kulturbereich bis auf vereinzelte persönliche Kontakte keine nennenswerte Vernetzung auf regionaler Ebene gibt, obwohl für größere Areale wie für jene des ehemaligen Leiner-Gebäudes in Mödling und der aufgelassenen Sargfabrik in Atzgersdorf kulturelle Nachnutzungen angedacht sind, die sich an regionale Nutzerkreise richten.

Ein Beispiel für eine Kooperation zur Entwicklung von Zielgebieten ist das EU-kofinanzierte URBACT III-Projekt „sub>urban. re-inventing the fringe“. Im Rahmen dieses Projektes wird in Kooperation der Magistratsabteilung 18 der Stadt Wien, der Marktgemeinde Vösendorf, der niederösterreichischen Landesregierung, der PGO und des SUM ein Lokaler Aktionsplan erarbeitet, der für das Aktionsgebiet „Wien-Liesing / Marktviertel Vösendorf“ gemeinsame Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Standortes festlegt. Konkret geht es um eine Aufwertung von Teilbereichen der Triesterstraße, den Lückenschluss von Rad- und Fußwegen, die Vernetzung von Freiräumen und die Erhöhung der Auf-enthaltsqualität des öffentlichen Raumes.

In Bezug auf die Abstimmung rechtlicher Grundlagen ist festzustellen, dass sowohl die zentralen Publikationen der Planungsgemeinschaft Ost als auch die Veröffentlichungen der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) einen strategischen Schwerpunkt auf den Verflechtungsraum rund um Wien richten. Auf Ebene der Landeshauptleute von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland wurde die Entwicklungsstrategie „stadtregion+“ unterschrieben, die auf die Ostregion eine ge-meinsame Perspektive eröffnet und den Zuzug anhand des Leitprinzips der „strukturierten Stadtregion“ auf verkehrs- und infrastrukturmäßig gut erschlossene Bereiche entlang zentraler Verkehrsachsen lenken soll. Eine Umsetzung dieser Strategie macht jedoch die Mobilisierung von Baulandreserven sowie Nachverdichtungs- und Sanierungsmaßnahmen im Bestand erforderlich, wozu jedoch der entsprechende Einsatz raumordnungsrechtlicher Instrumente oder zusätzliche Förderungen nötig wären. Dazu kommt, dass steigende Grundstückspreise und eine Verknappung des Angebots an leistbarem Wohnraum für Gemeinden die Notwendigkeit verschärfen, Boden zu beschaffen oder in die Bereitstellung und Sicherung von Flächen für den „förderbaren“ Wohnbau zu intervenieren. In Bezug auf die Thematik des leistbares Wohnens, stellt sich daher die Frage, wie die Realisierungschancen geförderter Wohnbauprojekte durch die Instrumente der örtlichen Raum-ordnung verbessert werden können und welcher gemeinde- und länderübergreifende Abstimmungs-bedarf diesbezüglich besteht.

Zunächst zeigen sich zwischen Niederösterreich und Wien wesentliche Unterschiede in den wohnpolitischen Zielsetzungen, die sich auch in den Planungen und gesetzlichen Regelungen nieder-schlagen: Während das niederösterreichische Landesentwicklungskonzept keine dezidiert wohnpolitischen Aussagen in Bezug auf den förderbaren Wohnbau vornimmt, wird dessen Bedeutung im STEP 2025 der Stadt Wien als „wichtigste Säule des Wohnungswesens“ hervorgehoben. Im niederösterreichischen Landesentwicklungskonzept wird die Wohnraumversorgung unter die generelle Klammer einer Siedlungsentwicklung gestellt, die sämtliche Daseinsfunktionen in einem angemessenen Verhältnis bereitstellt. Die Wohnqualität wird außerdem im Zusammenhang mit Baukultur, Erholungs- und Freiräumen thematisiert, nicht aber hinsichtlich einer Leistbarkeit. Wohnraumbezogene Zielsetzungen unterscheiden sich auch auf Ebene der raumordnungsrechtlichen Grundlagen zwischen Wien und Niederösterreich. Die Bauordnung von Wien schreibt als wohnpolitisches Ziel vor, bei der Festlegung und Änderung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen auf die Wohnraumvorsorge unter Beachtung der Bevölkerungsentwicklung und der Wohn-bedürfnisse Bedacht zu nehmen. Außerdem besteht die Möglichkeit, in Wohngebieten Teilgebiete für den förderbaren Wohnbau auszuweisen. Das niederösterreichische Raumordnungsgesetz (NÖ ROG 2014) definiert den Erhalt und Ausbau der Nutzungsvielfalt von Stadt- und Ortskernen auch im Sinne eines ausgewogenen Anteils an Wohnnutzung als Leitziel für die örtliche Raumordnung. Entsprechend der raumordnerischen Zielarchitektur wird eine wohnpolitische Zielsetzung am ehesten noch in Richtung der Lage bzw. des Standortes, nicht aber isoliert in Hinblick auf die Leistbarkeit verfolgt. Der förderbare Wohnbau ist im NÖ ROG nicht als eigenständige Widmungs-kategorie vorgesehen. Von Seite der ÖROK (2014) werden daher eine stärkere regionsspezifische Verankerung des sozialen Wohnbaus in der überörtlichen Raumordnung und eine entsprechende Anpassung im Bereich der örtlichen Raumplanung empfohlen. Ein Ansatz wäre auf überörtlicher Ebene die regionale Abschätzung von Flächenbedarfen und die Spezifikation von Kriterien der Bedarfszuweisung, die im Rahmen der örtlichen Raumplanung beim Umgang mit dem förderbaren Wohnbau berücksichtigt werden müssten. Eine weitere Empfehlung bezieht sich auf die Einrichtung eines Bodenbereitstellungsfonds, um Gemeinden bei der aktiven Bodenpolitik zu unterstützen. Auf Basis des niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes stehen den Gemeinden befristete Widmungen und privatrechtliche Maßnahmen zur Verfügung, um in die Bodenverfügbarkeit einzugreifen, wobei letztere voraussetzen, dass Grundeigentümer grundsätzlich dazu bereit sind, eine „Gegenleistung“ zu erbringen. Das Gesetz sieht außerdem (befristete) Vorbehaltsflächen für Einrichtungen, die öffentliche Zwecke erfüllen, vor. Der förderbare Wohnbau ist in der dazugehörigen Aufzählung jedoch nicht enthalten. Auch die Wiener Bauordnung berechtigt die Gemeinde dazu, mit Grundeigentümern privatrechtliche Vereinbarungen abzuschließen, um für Flächen für den erforderlichen Wohnraum vorzusorgen und GrundeigentümerInnen an den anfallenden Infrastrukturkosten des Baulandes zu beteiligen.

Informelle Ansätze wie die Ansprache von EigentümerInnen widmungsmäßig ungenutzter Grundstücke oder die Erstellung von Masterplänen haben gegenüber den genannten Maßnahmen den Vorteil, nicht in die Verfügungsspielräume von EigentümerInnen oder Bauträgern einzugreifen. Ein vergleichsweise junges Werkzeug, das niederösterreichische Gemeinden bei der Aktivierung von Potenzialflächen zur Innenentwicklung unterstützen soll, bietet die Flächenmanagementdatenbank, die von der NÖ Landesregierung kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Weitere Möglichkeiten, im Rahmen der Raumplanung auf lokaler Ebene auf die Wohn-raumversorgung indirekt einzuwirken, liegen im Bereich der Verordnung erforderlicher Stellplätze und in Dichtebestimmungen von Flächenwidmungs- und insbesondere Bebauungsplänen. Laut niederösterreichischem Raumordnungsgesetz ist bauliche Dichte zwar im Hinblick auf eine „flächensparende verdichtete Siedlungsstruktur“ gesetzlich erwünscht, muss sich jedoch im Rahmen des Leitzieles der "Erhaltung und Verbesserung des Orts- und Landschaftsbildes" bewegen. Auch wenn Wiener Umlandgemeinden tendenziell urban geprägt sind, bedingt die Struktur ihrer Ortskerne eine weitgehend gemäßigte Dichte. Verdichtungspotenziale, die aufgrund der Kubaturen und Bebau-ungsvorschiften grundsätzlich möglich wären, können nicht ausgeschöpft werden. Zu-, Um- und Anbauten im Bestand sind häufig umstritten und stoßen insbesondere bei Nachbarn auf Wider-stände. Aus Sicht der befragten Gemeindeführungen sind urbane Dichten ebenfalls problematisch, da sie dem Selbstbild als „Weinort“ oder „Gartenstadt“ entgegenstehen, welches für eine Abgrenzung gegenüber der Großstadt und damit für die lokale Identität wichtig ist. In Hinblick auf die Dichtebestimmungen im Wohnbauland bietet das niederösterreichische Raumordnungsgesetz auch die Möglichkeit restriktiver Festlegungen: zur „Sicherung des strukturellen Charakters“ darf die Widmung Bauland-Wohngebiet durch eine Wohneinheitenbeschränkung spezifiziert werden. Diese Möglichkeit der Beschränkung bietet sich seit der letzten Novelle des NÖ ROG übrigens auch innerhalb des gewidmeten „Bauland-Kerngebietes“. In den südlichen Wiener Umlandgemeinden, auf denen traditionell ein hoher Siedlungsdruck lastet, werden solche Beschränkungen in Flächenwidmungsplänen dazu eingesetzt, um strukturunverträgliche Dichten in Einfamilienhaus-gebieten hintanzuhalten. Das geeignete Instrument für eine Ausweisung von Zielgebieten einer Kooperationspotenziale in der Stadtregion Wien gewollten (Nach-)Verdichtung wären hingegen örtliche Entwicklungskonzepte, da sie unter anderem auf einer Grundlagenforschung basieren, die den künftigen Wohnraumbedarf analysiert. Seit der Novelle 2014 sind Örtliche Entwicklungskonzepte jedoch nicht mehr verpflichtender Bestandteil des Örtlichen Raumordnungsprogrammes. Ohne Entwicklungskonzepte fehlen dadurch allerdings wesentliche Grundlagen zur Steuerung der sozialräumlichen Situation der Bevölkerung, die für eine längerfristige und gemeindeübergreifende Abstimmung des Wohnbedarfs notwendig wären.

Die – von Seite der PGO vorgeschlagenen – Strategien zur räumlichen Entwicklung in der Ostregion stellen für Planungskooperationen erforderliche Entscheidungsgrundlagen für den Umgang mit dem prognostizierten Bevölkerungswachstum in den Bereichen der Siedlungs- und Standortentwicklung bereit. Die Umsetzung ist jedoch angesichts der unterschiedlichen Zuständigkeiten im Bereich der Raumordnung (örtliche vs. überörtliche Raumplanung, Zuständigkeit des Bundes für Fachplanungen, Zuständigkeit der Länder und Gemeinden für die überörtliche bzw. örtliche Raumordnung) kompliziert. Die Verschränkung „horizontaler“ wie auch „vertikaler“ Beziehungsmuster wird zur Grundvoraussetzung, um regionale Entwicklungen in bestimmte Bahnen lenken zu können. Eine wesentliche Neuerung war in diesem Zusammenhang die Einführung des Instruments der Regionalen Leitplanung, durch welches in Niederösterreich eine neue Herangehensweise der überörtlichen Raumordnung etabliert wurde. Der Ansatz der Regionalen Leitplanung wurde erstmals im Nordraum von Wien erprobt und in einem zweiten Schritt auch im Bezirk Mödling angewendet. (Regionaler Leitplan Mödling 2016) Basierend auf den Ergebnissen der "stadtregion+" wurden die künftig absehbaren Herausforderungen der Raumentwicklung von Gemeinden des Bezirks Mödling und VertreterInnen der Landesregierung gemeinsam diskutiert und daraus abgeleitet Strategien und Umsetzungsmaßnahmen festgelegt. Dies stellt insofern eine Erleichterung für die Initialisierung stadtregionaler Kooperationen mit Wien dar, da nun die partikularen Interessen der Umgebungs-gemeinden auf eine gemeinsame Stoßrichtung und definierte Zielgebiete herunter gebrochen wurden. Dies vereinfacht einerseits eine Abstimmung mit Wien und stärkt andererseits die Stellung der einzelnen Gemeinden gegenüber der Kernstadt. Ein kritischer Punkt, der zum derzeitigen Stand noch nicht geklärt werden kann, ist die Wirksamkeit des Regionalen Leitplans Mödling in der Praxis. Dies betrifft die Frage der Verbindlichkeit der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen, worunter eine Überarbeitung von Bebauungsplänen, der Einsatz städtebaulicher Verträge, eine aktive Bodenpolitik, das Festlegen von Siedlungsschwerpunkten innerhalb der Gemeinden und die Einrichtung eines regionalen Infrastrukturfonds fallen.

Ein weiterer Ausgangspunkt für regionale Abstimmungen im Bereich der Wohnraumversorgung ist die Erstellung wohnpolitischer Handlungskonzepte, die als Basis für gemeinsame wohnpolitische Zielsetzungen in Form von Bündnissen eingesetzt werden können. Die Erstellung solcher Konzepte kann die Handlungsfähigkeit von Gemeinden und Städten im Wohnungsbereich stärken. Grundsatzbeschlüsse auf Basis von Bestandsanalysen und Prognosen können eine Basis für die Quantifizierung des regionalen Wohnraumbedarfs differenziert nach Wohnformen wie Singlewohnungen, Junges Wohnen, Familienwohnungen und altersgerechte Wohnungen, für ein strategisches Flächenmanagement und die Abstimmung von städtebaulichen Entwicklungen oder Stadterweiterungsvorhaben bilden. Das – von der PGO beauftragte – Monitoring der Siedlungsentwicklung in der Stadtregion kann dazu eine adäquate Informationsgrundlage bereitstellen.

Letztlich hängt die Tragfähigkeit stadtregionaler Kooperationen auch davon ab, inwiefern es gelingt, einen Interessensausgleich zwischen Kernstadt und Umland bzw. zwischen Gemeinden entweder durch Win-Win-Situationen infolge von Wachstumseffekten oder durch neue regionale Lasten- und Nutzen-Ausgleichssysteme zu bewerkstelligen. Im Regionalen Leitplan Mödling ist ein „regionaler Infrastrukturfonds“ zum Ausgleich ungleich verteilter Lasten und Nutzen nur in Form eines interkommunalen Finanzausgleichs, also an Ausgaben und Einnahmen orientiert, vorgesehen. Die Klärung der Frage räumlich ungleich verteilter Lastenverhältnisse wirft jedoch auch die Frage des In-Wert-Setzens nicht-monetärer Leistungen wie das Bereitstellen von Erholungsfunktionen auf. Diesbezüglich gibt es zwar fachliche Auseinandersetzungen, in der Praxis aber noch keine konkreten Lösungsansätze.

Stadtregionale Kooperationen im Raum Wien sind vor allem aufgrund der Bundesländergrenzen mit strukturellen Barrieren konfrontiert. Allerdings eröffnen sich im Hinblick auf die Etablierung einer Kooperationskultur neue Möglichkeiten, die aus EU-geförderten Pilotprojekten, rechtlichen Erleichterungen für Gemeindekooperationen, der Möglichkeit der Kommunalsteuerteilung, der Einführung des Instruments der Regionalen Leitplanung und einer umfangreichen Datenbasis resultieren. Die Bearbeitung eines bislang kaum wahrgenommenen Gebietes an der südlichen Nahtstelle zwischen Wien und Niederösterreich und Ansätze für eine Redimensionierung der Bundesstraße 17 (Triester Straße) können den Übergangsbereich symbolisch und imagemäßig aufwerten. Die rechtlichen Möglichkeiten bieten unterschiedliche Organisationsformen für eine Zusammenarbeit, die situationsangepasst eingesetzt werden können. Die Kommunalsteuerteilung kann eine Basis für die Finanzierung regionaler Projekte bereitstellen. Die Datenlage zur Stadtregion kann als Ausgangspunkt für eine regional abgestimmte Planung des Wohnbedarfs und der sozialen Infrastruktur dienen. Die Abstimmung der Umlandgemeinden im Zuge der Regionalen Leitplanung erhöht deren Verhandlungsmacht gegenüber Wien und trägt damit zur Lösung des Asymmetrie-Problems für Stadt-Umland-Kooperationen bei.

Steigende Bodenpreise, Flächenverknappung und soziostrukturelle Veränderungen schaffen für die gesamte Stadtregion einen Problemdruck, der gemeindeübergreifende Bündnisse trotz unterschiedlicher Wohnleitbilder sinnvoll erscheinen lässt und wahrscheinlicher macht. Wien und die südliche „Suburbanisierungsachse“ sind mit steigender Wohnungsnachfrage und Engpässen an leistbarem Wohnraum bzw. verfügbarem Bauland konfrontiert. Auch angesichts der Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes über eine flächensparende, verdichtete Siedlungsstruktur müssen niederösterreichische Gemeinden künftig ein besonderes Augenmerk auf potenzielle Verdichtungsmöglichkeiten innerhalb gewachsener Strukturen richten. Steigende soziale und bauliche Dichten verändern das Zusammenspiel privater und öffentlicher Räume. Die Qualitätsanforderungen an die Bebauung, die Erschließung, Freiräume und Nutzungen werden erhöht. Damit aus Verdichtungsprozessen Vorteile generiert werden können, müssen sie außerdem mit individuellen und öffentlichen Wertvorstellungen in Bezug auf das Wohnen am Stadtrand in Einklang gebracht werden. Dazu wären positive Zukunftsbilder und eine Auseinandersetzung mit (sub)urbanen Qualitäten notwendig, die eine gemeinsame Klammer für stadtregionale Dialoge und Kooperationsprojekte setzen könnten.
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