Our Stories - Unsere Geschichten(n)
Oral History als identitätsstiftendes und gemeinschaftsförderndes Element im Wohnbau - ein Pilotprojekt in Monte Laa

Das Projekt "Our Stories - Unsere Geschichte(n)" schlägt die erzählte Geschichte als Baustein zur Förderung der Gemeinschaftbildung im Wohnbau vor. Das Konzept gründet auf der wissenschaftlichen Methode der "Oral History", die - neben der Berücksichtigung von Dokumenten und Texten - in erster Linie auf der Befragung und den Erzählungen von ZeitzeugInnen beruht.

Eine neu errichtete Wohnhausanlage wirkt zunächst als Raum ohne eigene Geschichte. Auch die persönlichen Erfahrungen und Geschichten der neuen BewohnerInnen können, nicht zuletzt im Licht der zunehmenden Migration, eher als trennendes, denn als verbindendes Element erscheinen. Demgegenüber wollte das Projekt "Our Stories - Unsere Geschichte(n)" die individuellen Lebensgeschichten, ebenso wie die Geschichte des Ortes, an dem sie aufeinander treffen, als Chance begreifen. Im Zuge eines Prozesses sollten die Biografien der BewohnerInnen in Beziehung zu einander und zum Ort gesetzt werden. Dadurch sollte ein Beitrag zur Entwicklung einer tragfähigen Gemeinschaft geleistet werden.

"Our Stories - Unsere Geschichte(n)" wurde als Pilotversuch konzipiert, um eine auf die Forschungsmethode der Oral History aufbauende Vorgehensweise im neuen Wiener Stadtteil "Monte Laa" zu erproben. Dem entsprechend bildeten qualitative Interviews mit BewohnerInnen das entscheidende Element im Prozess der Material-sammlung. Im Mittelpunkt der Interviews standen drei Aspekte: Das heutige Erleben des Alltags in Monte Laa, die Geschichte des Stadtteils und die Lebensgeschichten der Einzelnen vor deren Einzug in Monte Laa. Ein Spannungsfeld aus Themenkreisen, das zwar auch die heutige Lebenssituation beleuchtete, aber darüber hinaus ging, in dem der Akt des Erinnerns an etwas Vergangenes zu einem zentralen Element wurde.

Im Rahmen der Studie wurden sowohl Wohnbauten fokussiert, die eben erst bezogen worden waren, als auch seit einigen Jahren bewohnte Bauteile. Interviews wurden in drei, zwischen 2007 und 2011 errichteten, geförderten Wohnbauten geführt. Die ausgewählten Wohnhausanlagen sollten im Zuge des Projektes jedoch nicht als isolierte Einheiten betrachtet werden. Sie wurden als Teil des neu entstandenen Viertels Monte Laa verstanden, zu dem auch die älteren geförderten Wohnhausanlagen (Baujahr 2001-2007), sowie die Kleingartensiedlung "Garten- und Tierfreunde am Laaerberg" gehören. Insgesamt wurden Intensivinterviews mit 43 Personen geführt. Es war uns wichtig, bei der Auswahl der Interviewpartnerinnen, die sprachliche und kulturelle Diversität in den Wohnhausanlagen zu berücksichtigen. Interviews wurden in Deutsch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch und Englisch geführt.

Im Mittelpunkt des Projektes stand die Frage, ob und wie von der Methode der Oral History ausgehend ein "Werkzeug" entwickelt werden kann, das in geförderten Wohnhausanlagen gemeinschaftsfördernd wirkt. Vor diesem Hintergrund wollten wir einen Rahmen schaffen, in dem die eigene, persönliche Geschichte der Bewohner-Innen mit der Geschichte des Stadtteils in Beziehung tritt, ja zu einem Teil dieser wird. Die Erzählung der Geschichte von Monte Laa sollte so zu einem gemeinsamen Faden werden, den jede BewohnerIn weiter spinnen kann. Auf diese Grundidee aufbauend sollte ein Werkzeug geschaffen werden, das die Identifikation der einzelnen BewohnerInnen mit ihrem Wohnumfeld stärkt, die Neugierde auf die NachbarInnen weckt, in die bestehenden Strukturen integriert ist und diese aufwertet.

Vor diesem Hintergrund wurden zwei konkrete Bausteine entwickelt:

Onlineportal "www.UnsereGeschichten.mon..."

Ausgangspunkt für den Inhalt des Portals war das vom Projektteam ausgearbeitete Material. Aus den Interviews wurden Sequenzen ausgewählt und zu Beiträgen über die Geschichte(n) von Monte Laa bzw. seiner BewohnerInnen ausgearbeitet. Jedem Beitrag wurde ein Bild zugeordnet. Thematisch kategorisiert können die Beiträge online abgerufen werden. Der Idee der erzählten Geschichte folgend, wurden darüber hinaus ausgewählte Stellen aus den Interviews von Jugendlichen aus Monte Laa vorgelesen und als Tondokumente Online gestellt. Die Jugendlichen wurden so zu den ErzählerInnen der Geschichte ihres Stadtteils. Schließlich sind auf einer Weltkarte jene Orte eingezeichnet, an denen die befragten BewohnerInnen von Monte Laa früher gewohnt haben. So ist eine digitale Ausstellung über die Geschichte des Stadtteils und dessen BewohnerInnen entstanden, erzählt von diesen selbst. Auf diesen Grundstock aufbauend, können BewohnerInnen online an der Geschichte weiter schreiben und ihre früheren Wohnorte in die Karte eintragen lassen.

Zur Implementierung der Website wurde mit dem Verein "Miteinander am Monte Laa - Laaer Berg" ein lokaler Kooperationspartner gefunden. Gemeinsam wurde eine Internet-Plattform geschaffen, bei der das Projekt "Unsere Geschichte(n)" und das neu strukturierte, vom Verein betriebene Portal "Montelaa.net" ein interagierendes System bilden. Die bestehende lokale Struktur konnte so valorisiert werden, wodurch die Basis für eine nachhaltige Wirkung des Projektes gelegt worden ist. Inhalt und Redaktion der neuen Einträge gehen mit offiziellem Ende des Forschungs-projektes in den Verantwortungsbereich des Vereins "Miteinander am Monte Laa - Laaer Berg" über.

Ausstellung "Unsere Geschichte(n) Monte Laa"

Mit dem Start der Website wurde in Monte Laa die Ausstellung "Unsere Geschichte(n) Monte Laa" gezeigt. Über zwei Wochen lang waren im ganzen Stadtteil kurze Zitate aus den Interviews mit den BewohnerInnen zu lesen: auf Plakaten in den Wohnhäusern und auf insgesamt 75 Fahnen an Wohnungsbalkonen. Der Hauptteil der Ausstellung zog als "Wanderausstellung" in mehrere Gemein-schaftsräume des Stadtteils. In den Ausstellungsräumen konnten längere Tonpassagen aus den Interviews angehört werden. In der Ausstellung wurden neben den Tonspuren auch Objekte der befragten BewohnerInnen in Form einer Fotoreihe präsentiert. Weiters wurden die Wohnwege der befragten Personen anhand von Mappings dargestellt.

In Bezug auf die angestrebte identitätsstiftende und gemeinschaftsfördernde Wirkung des Projektes, kann festgehalten werden, dass die unmittelbaren Effekte vor Ort groß waren. Zum einen wurden über vierzig Personen interviewt, zumeist in deren Muttersprache. Darüber hinaus konnten dank der Ausstellung und der bewussten Zusammenarbeit mit Jugendlichen und SchülerInnen sehr viele verschie-dene BewohnerInnengruppen direkt angesprochen werden. Besonders interessant erscheinen jedoch die abzusehenden nachhaltigen Effekte: Infolge der intensiven Zusammenarbeit des Teams mit engagierten BewohnerInnen ergab sich bei einigen Beteiligten eine sehr starke Identifikation mit dem Projekt. Dies drückt sich nicht zuletzt in deren Bereitschaft aus, Verantwortung für das Weiterbestehen der Website übernehmen zu wollen. Darüber hinaus konnten vor Ort bestehende Strukturen in das Projekt mit einbezogen, durch den Arbeitsprozess aufgewertet und wohl langfristig gestärkt werden. Als Beispiel sei hier das mit dem Verein "Miteinander am Monte Laa - Laaer Berg" entwickelte neue Internetportal www.montelaa.net genannt.

Schließlich soll die Funktion der Website www.UnsereGeschichten.mon... einen längerfristigen Beitrag zur Entwicklung einer tragfähigen Gemeinschaft leisten. Zum einen dadurch, dass über das kontinuierliche Weiterschreiben der Geschichte verschiedene Personen an ein gemeinsames Projekt gebunden werden. Zum anderen könnte sie für die BewohnerInnen der unterschiedlichen, älteren und jüngeren Bereiche von Monte Laa ein gemeinsames identitätsförderndes Element werden. Dieses soll auch neuen, oder bislang nicht am Gemeinschaftsleben interessierten BewohnerInnen offen stehen.

Die ausgewählten Wohnbauten in Monte Laa haben sich als sehr geeigneter Rahmen erwiesen, um das Prinzip "Our Stories - Unsere Geschichte(n)" zu erproben und zu entwickeln. Entscheidend hierfür waren die vorhandenen Strukturen und bestehenden Netzwerke. Im Rahmen des Pilotprojektes wurde jedoch das Knowhow entwickelt, um "Our Stories - Unsere Geschichte(n)" auch in anderen Kontexten zu erproben. So kann z.B. der gemeinsam mit den BewohnerInnen entwickelte funktio-nale Aufbau der Website eine sehr gute Grundlage für weitere Anwendungsbereiche bilden. Aus der Arbeitserfahrung lässt sich jedoch eine Voraussetzung für ein Projekt dieser Art heraus schälen: Es braucht ein Mindestmaß an gewachsenen lokalen Strukturen, an die das Vorhaben andocken kann. Das große Potential des Ansatzes liegt darin, vorhandene Strukturen nützen, aufwerten und nachhaltig stärken zu können.
Fakten
  • Projektträger
    "search and shape" - Institut für Landschaft/Architektur/
    Sozialanthropologie
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Daniele Kárász
    Amila Sirbegovic
    Antonia Dika
  • Laufzeit
    März bis November 2011
  • Kontakt
    daniele.karasz[at]gmail.com
  • Downloads
  • Abstract 72.8 KB
    Projektbericht 2.69 MB