Grün- und Freiflächen im Wohnbau bei knappen Mitteln
Hochwertige Grün- und Freiräume werden auch in dichter mehrgeschossiger Bebauung zunehmend als wichtig erachtet.
Durch die gestiegenen Baukosten und Grundstückspreise für den Wohnbau, den hohen Wohnungsbedarf infolge des Bevölkerungswachstums in Wien sowie die aktuell angestrebte Verdichtung des Wohnbaus auf innerstädtischen und infrastrukturell bereits erschlossenen Flächen kommen die Grün- und Freiflächen vermehrt unter Druck.
Unter Berücksichtigung dieser erhöhten ökonomischen und der generellen ökologischen Anforderungen war es Zielsetzung der vorliegenden Studie, Aussagen zu den Qualitäten, Rahmenbedingungen und Verfahren im mehrgeschossigen Wiener Wohnbau bzw. im wohnungsbezogenen Städtebau im Hinblick auf die Kosten der Grün- und Freiraumgestaltung zu erarbeiten.
Auf der Basis von Interviews mit rund 20 ExpertInnen und AkteurInnen im Wiener Wohnbau sowie durch die Vertiefung in drei Fallstudien von geförderten Wohnprojekten und die Auswertung relevanter Forschungsarbeiten zu diesem Thema wurden Aussagen über mögliche Einsparungspotentiale und deren Grenzen abgeleitet und in Beziehung zu Qualitäten und verfahrensmäßigen Rahmenbedingungen gesetzt.
Grün- und Freiräume als bedeutsame Elemente im Alltagsleben der StadtbewohnerInnen und im ökologischen System der Stadt gehorchen im Kern einer anderen sachlichen und zeitlichen Logik als die Gebäude. Sie zeigen bestimmte Qualitäten oder auch Mängel oft erst im Lauf der Jahre. Ein Großteil des "Materials" (Bäume, Sträucher etc.) entwickelt sich erst allmählich und unterliegt einem ständigen Veränderungsprozess und ist sensibel gegenüber verschiedensten Einflüssen u. a. der Art der Benutzung und der Pflege. Innerhalb der immer noch stark auf "Bauen" zugeschnittenen Denk- und Verfahrensweisen besteht die Herausforderung darin, noch geeignetere Voraussetzungen für die planerische und instrumentelle Integration von Grün- und Freiräumen zu entwickeln.
Grün- und Freiräume im Planungsprozess
Trotz des hohen Stellenwertes, der der Grün- und Freiraumplanung im geförderten Wohnbau in Wien inzwischen eingeräumt wird, zeigen sämtliche Interviews, dass sie innerhalb des gesamten Ablaufs vom Städtebau bis zur Fertigstellung der Baulichkeiten oft zu spät einberufen und zu früh wieder entlassen wird. Im Dreieck der Kräfte zwischen Bauträgern, ArchitektInnen und Landschafts-planerInnen haben letztere in der derzeitigen Struktur des Planungsprozesses immer noch die relativ schwächste Position.
Im Planungsprozess wurde ein fehlendes "Missing Link Städtebau" zwischen den verschiedenen Planungsebenen angesprochen. Auf städtebaulicher Ebene werden viele Projekte bereits sehr detailliert und bis zu Wohnungsgrundrissen ausgearbeitet. Hingegen werden Leitlinien, Entwicklungsgrundsätze und wichtige städtebauliche Vorgaben meist nur für die größeren Projekte - wie z. B. sehr ausführlich für das Seestadt Aspern - erarbeitet.
Derzeit werden in verschiedenen Projektgebieten kooperative Planungsverfahren abgehalten. Diese neuen Verfahren sind noch in der Erprobungsphase, bieten aber eine gute Möglichkeit, die verschiedenen AkteurInnen (Verwaltung, PlanerInnen, ExpertInnen, BürgerInnen, Bauträger etc.) in einer relativ gleichberechtigten Form frühzeitig mit in die Entwicklung neuer Stadtteile einzubinden. Mit solchen Ansätzen lassen sich nach Erfahrung der ExpertInnen Koordinationsprobleme im Verfahren zusätzlich minimieren.
Eine kontinuierlichere Begleitung des Planungs- und Umsetzungsprozesses durch die Freiraumplanung auf allen Ebenen der Projektentwicklung könnte im städtebaulichen Kontext einen wesentlichen Beitrag zur generellen Kostenminderung bringen.
Grün auf dem Bauplatz
Ähnlich wie auf städtebaulicher Ebene wurde festgestellt, dass auch projektbezogen der Einsatz der Grün- und Freiraumplanung auf den einzelnen Bauplätzen in einer Vielzahl von Fällen erstens "zu spät" im Planungsverlauf einsetzt, und zweitens "zu früh" endet. Dies kann auch auf dem Bauplatz zu Koordinations- und Abstimmungsproblemen, bis hin zur Umsetzung führen, da die PlanerInnen nicht mehr ausreichend an der Detaillierung, der Ausschreibung, an den Entscheidungen über nachträgliche Einsparungen bzw. am Controlling der Realisierung (Bauleitung etc.) beteiligt sind. Einsparungen an den falschen Stellen können die gesamte Qualität der Grün- und Freiräume gravierend tangieren. Der relativ geringe Anteil der Kosten für den Grün- und Freiraum an den gesamten Bau- und Betriebskosten (lediglich 1,5 bis 3 %) kann solche kontraproduktiven Ansätze nicht rechtfertigen.
Pflege
Die Pflege ist für die Grün- und Freiflächen entscheidend in Hinblick auf ihre Entwicklung. Einsparungen bei Bau und Anlage der Grün- und Freiflächen, die Wahl vermeintlich günstigerer Elemente, schlechte Ausführung und mangelnde Bauaufsicht führen nicht nur zu schlechter Qualität im Sinne der Nutzungsmöglichkeiten bzw. der Haltbarkeit, sondern auch zu höheren Kosten in der Pflege. Mangelnde Sachkenntnis und fehlende Information des Pflegepersonals, aber auch Unverständnis der BewohnerInnen für die Artenauswahl und das Gestaltungskonzept haben oft gravierende negative und manchmal kostenintensive Folgen. Ein gutes Pflegekonzept, gut geschultes Pflegepersonal, eine Pflegeberatung durch die LandschaftsplanerInnen in den ersten Jahren, eine entsprechende Information bzw. je nach Projekt eine Beteiligung der BewohnerInnen an der Pflege und Weiterentwicklung der Flächen kann zu einer optimalen und ökonomischen Flächenentwicklung beitragen.
Ökologische Entwicklung
Die ökologischen Entwicklungen im Bereich der Dachbegrünung, der Niederschlagswasserversickerung, der CO2-Reduktion im Zusammenhang mit dem Grünvolumen auf den Grundstücken, die optimale Baustellenorganisation und die intelligente Nutzung und Verbindung technischer Detaillösungen im Sinne von Smart-City tragen insgesamt zur Reduktion der Bau- und der Unterhaltungskosten und damit teilweise auch zur Reduktion der Betriebskosten für die BewohnerInnen bei.
Grün "trotz" knapper Mittel
Sorgfältige und ausreichende Investitionen im Planungsprozess, im Bau und in der Pflege führen insgesamt und insbesondere langfristig zu Kostenersparnissen, nicht zuletzt in den Betriebs- und Instandhaltungskosten. Da die Realisierung der Grün- und Freiräume in die Endphase der Bautätigkeit fällt, sind diese besonders anfällig für späte Abänderungen und Kürzungen.
Übereinstimmend wurde von verschiedenen AkteurInnen und ExpertInnen festgestellt, dass eine gute Grundqualität im Freiraum rund 100,- €/m² kostet und, dass man nur bei einer entsprechend großen zusammenhängenden Flächen im Freiraum mit 70,- €/m² auskommen kann. Die Grundqualität beinhaltet: Wege, Bäume, sonstige Bepflanzungen, Spielgeräte, Mobiliar, Freiraumentwässerung und Beleuchtung auf niedrigem Niveau.
Nach weitgehend einhelliger Auffassung und Erfahrung aller AkteurInnen bzw. ExpertInnen ist bei den Errichtungs- und Pflegekosten für Grün- und Freiflächen kein - oder nur ein äußerst geringes - Einsparungspotential gegeben. Einsparungen im Freiraum sind im Hinblick auf die Zufriedenheit und die Naherholungsmöglichkeiten für die BewohnerInnen als eher kontraproduktiv anzusehen.