Stadterneuerung in Madrid: Fragen der Stadterneuerung als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Stadtentwicklungspolitik in Madrid
am Beispiel des Untersuchungsgebietes Lavapiés

In dieser Arbeit wurden anhand von Literaturrecherche und Interviews die Bedeutung der Stadterneuerung in Madrid sowie deren Instrumente und Wirksamkeit untersucht und anhand des Sanierungsgebiets Lavapiés konkret veranschaulicht.

Stadtplanung und Stadterneuerung in Madrid

In der autonomen Region – der „Comunidad“ Madrid - leben ca. 5 Mio. Menschen, in der Stadt selbst etwa 3 Mio., knapp 1/5 der Häuser in der Hauptstadt Spaniens wurde erst nach 1940 errichtet. Spekulation, horrende Mieten und ein enormer Bauboom kennzeichnen die vom Bevölkerungsverlust im Zentrum bedrohte Stadt, Eigentum ist die vorherrschende Wohnform. Die heute unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen der Regierung zwischen Bund (PSOE) und Comunidad und Stadt (PP) führen auch zu Spannungen in der Stadtplanung. Bund, Comunidad und Stadt versuchen nun mittels Programmen und Bürgschaften den Mietwohnungsmarkt zu vergrößern, die Preise zu senken und den Wohnungsleerstand zu verringern. Der Anteil an städtischen Wohnungen ist mit etwa 12% gering, unter öffentlich gefördertem Wohnen versteht man in Madrid günstigere Kaufbedingungen, der Anteil an geförderten Mietwohnungen liegt bei 1%. Der derzeitige Entwurf des städtischen „Plan de Vivienda“ versucht die Situation zu verbessern.

Der Plan General der Ordenación Urbana (PGOU) aus 1997, enthält alle für Stadtentwicklung und -erneuerung wesentlichen Ziele, Normen und Bestimmungen, der „Plan de Vivienda 2005-2008“ legt die Regelungen für gefördertes Wohnen fest. Durch das „Ley de conglegacion de renta” 1964, das alle - oft sehr niedrigen - Mieten fixierte, wurde Vermietung und Erneuerung uninteressant, Verkauf von Wohnungen führte bis zur Aufhebung des Gesetzes 1983 zur Dominanz von Horizontaleigentum (viele EigentümerInnen eines Gebäudes) und Verfall von Gebäuden. Erst mit Beginn der Demokratie versuchten die linken Parteien abbruchreife Häuser zu retten, die Stadt kaufte und erneuerte bis Ende der 1980er-Jahre mehr als 100 Gebäude und mittels Förderungen für Renovierung an Wohnhäusern begann man, den Wertverfall im Zentrum zu stoppen. Mit dem Regierungswechsel zur PP Ende der 1980er-Jahre und der beginnenden Spekulation ging die Stadt mehr zum gewinnbringenderen Abbruch und Neubau über. Erst 1994 begann man Sanierungsgebiete fest zu legen, in denen für 5 Jahre besondere Förderungsmodalitäten gelten. Im restlichen Stadtgebiet außerhalb dieser Zonen müssen Gebäude, die älter als 100 Jahre sind, einer technischen Inspektion unterzogen werden und die Unterstützungen sind geringer als in ARI.

Erste wirkliche Erfolge in der Stadterneuerung konnten erst Mitte der 1990er-Jahre erzielt werden, lt. einer gemeinsame Studie von Stadt und Universität wurde 1979-1999 noch zu viel in die Erneuerung und Erweiterung des Straßennetzes an der Peripherie investiert, und zu wenig Schwerpunkt auf das innerstädtische Leben gelegt. Heute hinkt die Erneuerung dem gewinnbringenderen Neubau immer noch stark nach, der Sektor ist jedoch im Wachsen begriffen, viele Bauträger erkennen die Marktlage und den Wunsch vieler Menschen nach Leben im Zentrum.

BürgerInnenbeteiligung ist bei größeren Projekten selbstverständlich, funktioniert auf unterschiedliche Weise und nicht immer gleich gut. Auch wenn die Stadt mehr in die Erneuerung des öffentlichen Raumes investieren möchte, können sich die Ergebnisse, die mit Unterstützung des URBAN-Kohäsionsfonds der EU erreicht wurden, durchaus sehen lassen. Nach einer jahrelangen von KFZ dominierten Planungspolitik konnte im Zentrum doch relativ viel Raum für den Fußgeherverkehr zurück gewonnen werden.

Sanierungsgebiet Lavapiés

Lavapiés ist ein Viertel mitten im Zentrum Madrids, das als jüdische Vorstadt im 12. Jahrhundert erbaut wurde und vom 17. Jahrhundert an, als es Teil der Stadt wurde, bis heute als multikulturelles Einwandererviertel niedriger Klasse gilt. Der industrielle Boom und das Bevölkerungswachstum im 18. und 19. Jahrhundert führten zu starker Verdichtung, die wertvolle Bausubstanz wurde im 19. und 20. Jahrhundert mit den heutigen Substandardwohnungen in den Hinterhöfen erweitert. Die Vernachlässigung des Viertels resümiert in den heutigen Problemen: Überalterung der Bevölkerung, Vielzahl an kaum belüfteten und belichteten Substandardwohnungen, Fehlen von Freiflächen und Infrastruktur, Abnahme der Wirtschaftskraft, Überhandnahme des Großhandels, mangelnde Integration, soziale Marginalität, etc.

Lavapiés zählt seit 1997 zu den jüngsten Erneuerungsprojekten Madrids und umfasst eine Fläche von etwa 35 ha mit knapp 20 000 BewohnerInnen. Ein Büro wurde eingerichtet, in dem mittels Koordination von Stadt, Comunidad, Bund und EU die Ziele der Erneuerung von Wohnungen und Infrastruktur sowie die Investitionen in Ausstattung, Sozialprogramme und sonstige Projekte verfolgt werden. Besondere Förderungen und Programme für die Beseitigung von Substandardwohnungen sowie für die Erneuerung leer stehender Wohnungen wurden erstellt.

Einzelne Projekte konnten realisiert, das Problem der Substandardwohnungen jedoch nicht gelöst werden. Ein Teil der Gebäude wurden zwar instand gesetzt, die Lebensbedingungen der BewohnerInnen jedoch weder baulich noch sozial verbessert. Der Vorwurf vom Netz der lokalen Institutionen und der im Viertel lebenden Menschen läuft auf eine äußerliche Behübschung und große Investitionen in Vorzeigeprojekte hinaus, während die Menschen unter schlechten Bedingungen weiterleben. Eine „Rehabilitación Integrada“ muss neben den baulichen und historischen Belangen auch die sozialen, funktionalen und bildungspolitischen Aspekte integrieren. Integrierte Perspektive und bessere Koordination zwischen den Administrationen und der Durchführung ist notwendig, mediative und partizipative Mittel müssen verstärkt eingesetzt werden.

Abschließend werden in dieser Arbeit die Grundideen für Umplanungsvorschläge, konkret für zwei Gebäude präsentiert, die im Rahmen einer Dissertation an der technischen Universität Madrid durchgeführt wurden. Gezeigt wird, wie mittels flexiblerer Bestimmungen zur Hofentkernung mit sowohl geringem Wohnungsverlust als auch kleinerem finanziellem Aufwand um- und neugebaut und somit das Problem der Substandardwohnungen gelöst werden könnte.

Resumee

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslage in Madrid – es gibt kaum Mietwohnungen, fast nur Horizontaleigentum und wenig städtische Wohnhausanlagen – können das für FörderungswerberInnen unkompliziertere Antragsstellungsverfahren und die Investitionen im öffentlichen Raum – mit der 100%igen Förderung der Fassadenrenovierung im Rahmen des PAA - als positiv und für Wien diskutierenswert eingestuft werden.

Als warnende Beispiele für Wien sollen Lavapiés mit mangelnder Integrations- und Sozialpolitik in der Stadterneuerung sowie die Probleme in San Cristobal de Los Angeles infolge des Verkaufs von städtischen Wohnhausanlagen für kurzfristige monetäre Ziele angesehen werden.
Fakten