Wissenschaftliche Begleitung der Planungsphase der Holzbauprojekte "Mühlweg"

Zielsetzung

Mit dem Bauträgerwettbewerb "Mühlweg" hat die Stadt Wien mit der Holz- und Holzmischbauweise einen neuen Schwerpunkt gesetzt. Diese Bauweisen stellen am Wiener mehrgeschoßigen Wohnungsmarkt eine Neuheit dar. Gerade im städtischen Umfeld ist die Kombination von Holzelementen mit mineralischen Bauteilen eine zukunftsträchtige Bauweise. Die Möglichkeiten der Vorfertigung und die dadurch verkürzte Bauzeit, die geringe Baurestfeuchte, sowie die ökologischen Vorteile des Holzbaus werden in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Da im urbanen Umfeld kaum Erfahrungen mit der Holz-Mischbauweise vorliegen, wurde die Holzforschung Austria von der MA50 beauftragt, die drei Gewinnerteams während der Planungsphase zu unterstützen. Ziel ist es, möglichst frühzeitig in den Planungsprozess integriert zu werden und bei holzbauspezifischen Fragestellungen die Erfahrungen der Prüf- und Überwachungstätigkeit sowie Ergebnisse aus Forschungsvorhaben einbringen zu können. Diese Betreuung garantiert einen hohen Qualitätsstandard der Pilotprojekte.

Zusätzlich soll für den Wettbewerbsauslober die Einhaltung von Juryauflagen und die Entwicklung der Projekte im Laufe der Entwurfs-, Einreich- und Ausführungsplanung dokumentiert und bewertet werden.

Projektanalyse

Bei den Gewinnerprojekten handelte es sich in der Wettbewerbsphase um drei sehr unterschiedliche Konzepte. Im Folgenden werden relevante Änderungen bis zum Stand der Ausführungsplanung Dezember 2005 angeführt. Die Analyse erfolgt aus der Sicht des nicht unmittelbar am Projekt beteiligten Betrachters.

Bauplatz A

Am Bauplatz A (Kaufmann/BWS) werden die tragenden Bauteile ab dem ersten Obergeschoß in Holzmassivbauweise ausgeführt, wobei die Rohelemente montiert werden und vor Ort die Komplementierung erfolgt. Bei den Trenndecken wird erstmals bei großvolumigen mehrgeschoßigen Wohnbauten eine Holzuntersicht der Brettsperrholzelemente ohne abgehängter Deckenuntersicht ausgeführt. Dies stellt hinsichtlich des Schallschutzes der Deckenkonstruktion bzw. hinsichtlich der Ausführung der Anschlüsse zu den Wandelementen zur Unterbindung der Schall-Längsleitung bei diesem Bauplatz auch die größte Herausforderung dar. Die Außenwände werden als vorgefertigte Holzrahmenelemente ausgeführt.

Bei diesem Projekt liegen keine wesentlichen Abweichungen zur Wettbewerbsabgabe vor. Dies ist auf eine genaue Durchdetaillierung des Projektes zum Zeitpunkt des Wettbewerbes und auf die Kontinuität und die gute Zusammenarbeit des Projektteams zurückzuführen. Bei dem Projekt wurden neben geringfügigen Änderungen der Grundrisse bei einzelnen Aufbauten Optimierungen zur Schaffung von zusätzlichen Reserven (z.B. Schallschutz) durchgeführt.

Im Wettbewerb war eine Fassade aus Robinienplatten vorgesehen, um die Anforderungen der Wiener Bauordnung hinsichtlich der Brennbarkeit zu erfüllen. §99 (3) fordert, dass bei Gebäuden mit mehr als zwei Hauptgeschoßen die Außenseite zumindest schwer brennbar ausgeführt sein muss. Aufgrund der Gefahr von Verfärbungen bei den einsetzbaren heimischen Hölzern (Eiche, Robinie) und der geringen Verfügbarkeit wurde nach einer alternativen Fassadenausführung gesucht. Die Ergebnisse des aktuellen Forschungsvorhabens "Leistungsfähige Fassadensysteme" der Holzforschung Austria zeigen, dass eine Brandschutzabschottung mit einer Auskragung von 15 cm, wie sie nun entsprechend der Ausführungsplanung umgesetzt wird, die Anforderungen erfüllt. Durch diese Abänderung der Fassadenausführung können wirtschaftlichere Produkte bei gleichzeitiger Verbesserung des Brandschutzes eingesetzt werden.

Bauplatz B

Am Bauplatz B (Riess/Arwag) war in der Wettbewerbsphase ein mineralischer Erschließungskern mit mineralischen Feuchträumen vorgesehen, woran der Holzbau in Form von vorgefertigten Modulen in Holzmassivbauweise angebunden werden sollte. Bei diesem Projekt lag in der Detailplanung im Anschlussbereich der Elemente die größte Herausforderung. Bei diesem Bauplatz traten neben Bauherrenwünschen im Bereich der Wohnungstypologie konstruktive Änderungen auf.

Da bei der Ausschreibung die vorab durchgeführte Kostenschätzung nicht mehr eingehalten wurde, wird die Ausführung mit flächigen Elementen anstelle der im Wettbewerb vorgeschlagenen Module angedacht. Die Ausführenden führten Transportprobleme - infolge der Breite von 4,5 m - und Bedenken bei der Montage und der Anschlussausbildung als Argumente gegen die Modulbauweise an. Dies zeigt einen Optimierungsbedarf für Modulbauweisen, die bei höchster Vorfertigung mit fertigen Oberflächen durchaus eine Alternative darstellen können, auf. Der konstruktive Wechsel ist aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar.

Die ursprüngliche Eichenfassade wurde im Rahmen der Detaillierung umgeändert. Es gab zwischendurch, ähnlich dem Bauplatz A, Überlegungen, die Fassade in Lärche auszuführen. Zur Zeit wird eine kleinformatige Eternitfassade angedacht. Die Bauherrenschaft führt als Grund Bedenken hinsichtlich der Akzeptanz einer alternden - sich ungleichmäßig verfärbenden - Holzfassade im städtischen Raum bei den Bewohnern an.

Bauplatz C

Am Bauplatz C (Dietrich-Untertrifaller/BAI) wurden zwei Neuheiten für den sozialen Wohnungsbau miteinander kombiniert. Zum einen werden die Außenwände erstmalig bei einem Großbauvorhaben in Holzmassivbauweise mit einem sehr hohen Vorfertigungsgrad realisiert. Darüber hinaus ist das Objekt in Passivhausbauweise konzipiert. Aufgrund von Veränderungen in der Teamzusammenstellung - Konkurs des Haustechnikplaners - kam es zu einer Verzögerung im Planablauf. Im Zuge der Ausschreibung musste festgestellt werden, dass die angebotenen Preise sowohl beim Teil- GU "Baumeister inkl. Haustechnik" als auch beim Teil- GU "Holzbau inkl. Fassaden" deutlich über den im Rahmen des Wettbewerbes durchgeführten Kostenschätzungen lagen. Aus diesem Grund mussten von dem Projektteam für den Endnutzer akzeptable Einsparungsmaßnahmen gesucht werden, welche aber die Qualität des Wettbewerbes möglichst geringfügig beeinflussen sollten. Einsparungspotentiale konnten bei einer Volumenreduktion im Tiefgeschoß - aufgrund von Optimierungen der Stellplätze und der Mieterkeller - und in der Weiterentwicklung der Haustechnik, sowie in der Optimierung der Detailausführung im Holzbau genutzt werden.

Im Wettbewerb waren beim Bauplatz C im 1. und im 3. Stock Loggien und im 2. Stock Balkone vorgesehen. Laut Wiener Bauordnung zählen Loggien zur Gänze zur Wohnnutzfläche (vgl. Wr.BO §2/9), während Balkonflächen nicht gerechnet werden. Diese Ungleichbehandlung der Freiflächen führt dazu, dass natürlich jeder Bauträger danach trachtet, möglichst viele Loggien zu bauen, wodurch sich für die Architektur eine gewisse Einschränkung ergibt. Im Rahmen der Projektweiterentwicklung des Bauplatzes C wurden die Balkone in Loggien abgeändert, wodurch ca. 160 m² förderbare Nutzfläche gewonnen werden konnte. Da die Seitenflächen im 2. Obergeschoß verglast werden, hat diese Maßnahme für das Erscheinungsbild aber nur geringe Auswirkungen.

Technische Beratung der Projektteams

Im Rahmen des Projektes wurde den Projektteams auch eine holzbautechnische Beratung durch die Mitarbeiter der Holzforschung Austria angeboten. Die Schwerpunkte dabei waren bei den einzelnen Bauplätzen unterschiedlich gelagert. Wesentliche Fragestellungen traten in den Bereichen Fassadenausführung, Optimierung von Bauteilaufbauten, Schallentkoppelung, Luftdichtheit der Gebäudehülle, Möglichkeiten der Vorfertigung bzw. Optimierungen des Montageablaufes auf. Es konnten dabei Erfahrungen aus der Prüf- und Überwachungstätigkeit und Ergebnisse aktueller Forschungsarbeiten in die Planung aufgenommen werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden unter anderem Abweichungen im Zuge der Einreichplanung und der Ausführungsplanung von den Wettbewerbsgrundlagen des Bauträgerwettbewerbes "Holz- und Holzmischbauweise" analysiert und bewertet.

Gründe für die Abweichungen

Die Qualität der Gewinnerprojekte war sehr gut. Im Laufe der Entwicklung bis zur Ausführungsplanung ergaben sich verschiedene Veränderungen, wobei sich geringfügige Überarbeitungen kaum vermeiden lassen bzw. zum Teil sinnvoll sind.

Im Rahmen der Arbeit wurden die im Laufe der Planung durchgeführten wesentlichen Abweichungen analysiert. Als Ursache treten grundsätzlich Änderungswünsche der Bauherren, wie z.B. geänderte Grundrisstypologien durch die Einbindung zusätzlicher interner Fachabteilungen, Optimierungen bzw. Weiterentwicklungen der Projekte, neue Teamzusammenstellungen, geänderte Systemanbieter und eine ausführlichere Detaillierung auf.

Das Thema des Bauträgerwettbewerbes und die Holzbauweise können als Ursache für die angeführten Abweichungen ausgeschlossen werden. Bautechnische Änderungen traten sowohl beim Holzbau als auch bei der mineralischen Bauweise auf. Großteils kann es zu geringfügigen Abänderungen einzelner Bauteilschichten bei unterschiedlichen Anbietern kommen, wobei die Qualität des Einzelbauteiles und des gesamten Objektes bestehen bleibt.

Die im Wettbewerb erforderlichen genauen ökonomischen Kennwerte setzen eine ausführliche Planung voraus. Von Beginn der Wettbewerbsbearbeitung an waren bei den drei Gewinnerteams beratend ein Bauphysiker und ein Statiker beteiligt. Eine möglichst frühe Abstimmung der einzelnen Fachbereiche verringert in Summe die Planungsarbeiten. Eine Veränderung eingespielter Teams im Zuge der Ausführung kann mitunter für die Entwicklung des Projektes Nachteile bedingen. Ein Vergleich der einzelnen Bauplätze bestätigt die Wichtigkeit der Zusammenarbeit.

Bei den Pilotprojekten zeigte sich, dass eine professionelle Begleitung durch einen unabhängigen "Dritten" interessante Impulse für die Teams und eine Qualitätssteigerung für die Objekte ergeben.

Folgewirkung

Durch den Bauträgerwettbewerb und durch vergleichbare Holzbauprojekte konnte die große Nachfrage an Holzbauten im urbanen Umfeld bestätigt werden. Die ökologischen Vorteile der Bauweise in Form der sehr guten energetischen Eigenschaften bei geringem Primärenergiebedarf stellen für die CO2-Einsparung der Kommunen ein wesentliches Potenzial dar. Merl führt in seiner Dissertation Vergleichsberechnungen zwischen dem Ist-Stand des Wiener Wohn- und Bürobaus des Jahres 2001 und einem Szenario bei dem alle Objekte bis fünf Geschoße gemäß der Bauordnung in Holz errichtet werden durch. Diese Maßnahme würde eine Reduktion der CO2-Äquivalente von rd. 400.000 t auf rd. 221.000 t bedingen. Laut Merl könnte das betrachtete Szenario zum Wiener Klimaschutzprogramm (2 Mio. t Reduktion der jährlichen treibhauswirksamen Emissionen) einen Beitrag von knapp 10 % leisten. Zusätzlich trägt die Wiederverwendung und das Recycling von Altholz zu einer Reduktion des Flächenverbrauches bei.

Aus heutiger Sicht gibt es aber trotz der Aufbruchstimmung in der Branche noch zu wenige Betriebe, die für Großprojekte mit ca. 100 Wohneinheiten Holzbausysteme anbieten. Die Tatsache, dass die Bauträger aus organisatorischen Gründen die Vergabe an Generalunternehmer vorziehen, stellt für die Holzbauunternehmer zur Zeit ebenfalls noch eine Hürde dar. Der relativ große Anteil der mineralischen Bauweise und der Haustechnik schreckt die Mittelbetriebe noch ab. Die Herstellungskosten liegen beim Holzbau über denen der mineralischen Bauweise und die geringeren Folgekosten finden noch zu wenig Berücksichtigung. Für eine im Vergleich zur mineralischen Bauweise preiswertere Ausführung bei Großbauvorhaben ist im Bereich der Holzmassivbauweise eine stärkere Industrialisierung mit einem höheren Vorfertigungsgrad - vergleichsweise mit der Holzrahmenbauweise - und eine größere Anzahl von Anbietern erforderlich.

Durch die Pilotprojekte und durch Veranstaltungen, wie z.B. wienwood 05 (Wiener Holzbaupreis 2005), findet der "Wiener Holzbau" auch von Bundesländern mit einer längeren Holzbautradition Beachtung. Gerade im mehrgeschoßigen Wohnungsbau in Holz-Mischbauweise etabliert sich dieser neue Wiener Markt. Es kann ähnlich dem Bayrischen Pilotprojekt von einem nationalen bzw. mitteleuropäischen Vorbildcharakter des "Wiener Holzwohnbaus" gesprochen werden.

Zur Gewährleistung der hohen qualitativen Ansprüche an die Pilotprojekte ist eine Begleitung während der Bauphase unbedingt erforderlich. Die drei Pilotprojekte weisen sowohl im Umgang mit der Materialkombination, in der Holzbauweise selbst, als auch in der Fassadenausführung starke Unterschiede auf. Ein Vergleich der drei Objekte im Laufe der Nutzung würde für den Holzeinsatz im städtischen Umfeld interessante Neuerkenntnisse bieten.
Fakten
  • Projektträger
    Holzforschung Austria
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Martin Teibinger
    Margit Kocher
  • Laufzeit
    Jänner bis Dezember 2005
  • Kontakt
    m.teibinger[at]holzforschung.at
  • Downloads
  • Abstract 1.7 MB
    Projektbericht 3.04 MB