Lichtverhältnisse: Tageslicht in Wohnungen nach thermischen Sanierungen

Im Zuge der thermischen Sanierungen von Bestandswohnbauten wird primär auf die Dämmung der Gebäudehülle zur Minimierung der thermischen Verluste abgezielt. Die Folge sind Reduktionen der Tageslichtquantität und -qualität in Wohnungen. Die sanierungsbedingten Veränderungen von Diffus- und Direktlichteinträgen sowie der nutzbaren solaren Gewinne und der Tageslichtautonomie werden anhand konkreter Wohnungsbeispiele und einer ausgewählten Versuchswohnung berechnet. Aus den Untersuchungsergebnissen werden Strategien für tageslichtoptimierende Sanierungsmaßnahmen abgeleitet. Darüber hinaus werden häufig angewandte Arten der thermischen Gebäudesanierung sowie der Stellenwert des direkten Lichteinfalls für die allgemeine qualitative Wahrnehmung von Wohnsituationen durch die Ergebnisse aus zwei Onlineumfragen, die am Department für Bauen und Umwelt im Zuge dieser Arbeit durchgeführt wurden, erfragt und bewertet.

Praktiken der thermischen Gebäudesanierung

Die Dämmung der Gebäudehülle samt Fenstertausch ist, laut einer Umfrage unter ArchitektInnen, BaumeisterInnen, Wohnbaugesellschaften und Hausverwaltungen, die am häufigsten angewandte Art der thermischen Gebäudesanierung. Andere Sanierungsmethoden sehen lediglich die Dämmung der Gebäudehülle vor, oder es wird eine energetische Komplettsanierung samt Erneuerung der Haustechnikanlage vorgenommen. Als Dämmmaterial kommen überwiegend wärmedämmverbundsysteme aus EPS- oder XPS- Platten zum Einsatz. Anorganische oder biologisch- nachhaltige Baustoffe werden kaum verwendet.

Die im Zuge von Sanierungen getauschten Fenster bestehen überwiegend aus Holz und Aluminium mit 2-facher Wärmeschutzverglasung. Das Verhältnis von Glas- und Rahmenanteilen wird von etwa der Hälfte der Befragten zumeist aus ästhetischen aber auch aus lichtplanerischen Gründen berücksichtigt. Veränderungen von Fenstergrößen und damit verbundenen Eingriffe in das Erscheinungsbild von Fassade finden kaum Anwendungen.

Quantitativer Lichteintrag

Diffuslichteintrag

Messungen und Berechnungen der Lichtsituationen ergeben bei allen untersuchten Wohnungen geringe Lichteinträge mit einem durchschnittlichen Tageslichtquo-tientwert von 1,21% vor der Sanierung. Durch den Sanierungseingriff werden die quantitativen Lichteinträge um durchschnittlich 22% verringert, was dem Verzicht auf etwa jedes fünfte Fenster gleichkommen würde.

Folgende Faktoren sind für die Verringerungen der Lichteinträge hauptverantwortlich:

  • Erhöhung der Rahmenanteile der Befensterungen um durchschnittlich etwa 11%
  • Vergrößerung der Leibungsgeometrien durch zusätzlich aufgebrachte Dämmschichten an der Außenfassade (Dämmstärke zw. 10cm und 18cm)
  • Rechtwinkelige, schachtartige Fensterleibungen
  • Oberflächengestaltungen mit geringen Lichtreflexionseigenschaften

Tageslichtoptimierende Maßnahmen

Folgende Möglichkeiten für lichtoptimierende Sanierungsmaßnahmen werden empfohlen:

  • Verwendung von Fenstern mit verringerten Rahmenanteilen (in den Untersuchungen wurden die Rahmenanteile der Fenster um ca. 10% reduziert, die Rahmenansichtsbreite verringerte sich dabei von 14cm auf 10cm)
  • Modellierung von Fensterleibungen, Abschrägungen im Sturz- und Flankenbereich (zur Vermeidung von Wärmebrücken und für eine vereinfachte Umsetzung ohne Tausch von bestehenden Fensterüberlagern wurden die Abschrägungen nur bis etwa 7cm an die Fensterrahmen herangeführt)
  • Verwendung von inneren und äußeren Bauteiloberflächen mit hohen Reflexionseigenschaften (im Leibungsbereich und - wenn möglich - im Bodenbereich vor und an gegenüberliegenden Fassaden
  • bei Balkonen: Verwendung von transparenten Brüstungsausfachungen zur Steigerung des Lichteintrages im Bodenbereich der dahinterliegenden Aufenthaltsräume

Die vielfach angenommene Vermutung, vermehrten Direktlichteintrag durch Versetzung von Fenstern an die Vorderkante der Außenfassade erzielen zu können, wird durch zusätzlich durchgeführte Untersuchungen nicht bestätigt. Eher ist durch diese Maßnahme mit Lichtverlusten zu rechnen.

Durch Berücksichtigung dieser Empfehlungen können die quantitativen diffusen Lichteinträge in Wohnungen auf ein vergleichbares Niveau wie vor der Sanierung gebracht werden und ermöglichen orientierungsabhängige Steigerungen des direkten Lichteinfalles.

Vergrößerungen oder Erhöhnung der Anzahl von Fensteröffnungen wurden in der vorliegenden Studie nicht angewendet.

Direktlichteintrag

Direkter Lichteintrag wird in der vorliegenden Studie durch jene Zeit quantifiziert, in der eine horizontale Messfläche im Lauf eines Jahres von direktem Licht besonnt wird.
Durch die beschriebenen lichtoptimierenden Sanierungsmaßnahmen kann dieser im Vergleich zum Wohnungszustand vor der Sanierung gesteigert werden. In Abhängigkeit von der Wohnungsorientierung kann der vermehrte jährliche Direktlichteintrag wie folgt beziffert werden:

  • Ost- bzw. Westorientierung: Steigerungen bis zu 17%
  • Südorientierung: Steigerungen bis zu 8%

Sanierungen ohne tageslichtoptimierende Maßnahmen (schachtartige Leibungen, hohe Fensterrahmenanteile), bewirken hingegen orientierungsabhängige Reduktionen des Direktlichteintrages:

  • Ost- bzw. Westorientierung: Lichteinbußen bis zu 6%
  • Südorientierung: Lichteinbußen bis zu 9%

Tageslichtautonomie

Die Tageslichtautonomie gibt an, zu wie viel Prozent einer Bemessungszeit natürliches Licht in einer Wohnung zur Aufrechterhaltung einer angenommenen Mindestbeleuchtungsstärke ausreicht und demnach kein künstliches Licht zugeschaltet werden muss.

Eine Versuchswohnung mit einem durchschnittlichen Tageslichtquotient von 1,27% weist eine Tageslichtautonomie von 23% auf (bei angenommener Mindestbeleuchtungsstärke von 300 Lux und einem Nutzungszeitraum zwischen 7.00 und 22.00). In Monaten mit kurzen Tageslängen und geringen äußeren Beleuchtungsstärken (etwa im Dezember oder Jänner) muss fast durchgehend Kunstlicht zugeschaltet werden, in den Sommermonaten reicht das Tageslicht nur zu etwa 50% der Bemessungszeit aus, um die erforderliche Mindestbeleuchtungsstärke aufrecht zu erhalten. Durch den sanierungsbedingten Verlust an Lichteinträgen wird die Tageslichtautonomie um bis zu 35% herabgesetzt.

Lichtoptimierte Sanierungsmaßnahmen tragen dazu bei, den zusätzlichen Energieverbrauch für Kunstlicht einzugrenzen. Eine Anhebung der Lichteinträge (Tageslichtquotient-Annahme 3%), etwa durch Veränderungen von Fenstergrößen, würden eine Steigerung der Tageslichtautonomie von 23% auf 57% ermöglichen.

Heizwärmebedarf und solare Gewinne

Die sanierungsbedingte Reduktion des Heizwärmebedarfes durch die Aufbringung einer 10cm starken äußeren Wärmedämmung betragen in den durchgeführten Untersuchungen je nach Sanierungsart und Orientierung zwischen 19% und 23% im Vergleich zum Gebäudezustand vor der Sanierung (bei einem Heizwärmebedarf von 87kWh/m²a bei Nordorientierung, 83kWh/m²a bei Ost- und Westorientierung und 74kWh/m²a bei Südorientierung).

Die passiv solaren Gewinne Qs weisen dabei folgende Größenordnungen auf:

  • Nordorientierung Qs = 7% des HWB
  • Ost- bzw. Westorientierung Qs = 12% des HWB
  • Südorientierung Qs = 24% des HWB

Bei Nordorientierung werden die nutzbaren passiv solaren Gewinne durch alle untersuchten Sanierungsvarianten im Vergleich zum Gebäudezustand vor der Sanierung verringert. Bei Ost- und Westorientierung ermöglichen lichtoptimierende Sanierungsmaßnahmen eine Beibehaltung, bei Südorientierung eine Steigerung der erzielbaren Einträge um bis zu 11% verglichen mit jenen vor der Sanierung.

Qualitative Lichtwahrnehmung

Anhand der Ergebnisse einer Onlineumfrage wurde die Bedeutung von Tageslicht auf die Anmutung von Wohnräumen untersucht. Dabei zeigt sich, dass direkter Lichteintrag bei vergleichbaren Raumabbildungen bei mehr als 80% der gezeigten Beispiele höhere Akzeptanz findet als eine diffuse Lichtsituation.

Vor diesem Hintergrund und der großen Bedeutung von Licht auf Gesundheit und Wohlbefinden sind Veränderungen der Lichtsituationen in Wohnungen, die im Zuge von Gebäudesanierungen entstehen können, im Sinne einer positiven Raumwahrnehmung unbedingt zu beachten.
Fakten
  • Projektträger
    Donau-Universität Krems
    Department für Bauen und Umwelt
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Gregor Radinger
    Eva Jacoby
    Renate Hammer
    Peter Holzer
  • Laufzeit
    Februar bis Dezember 2010
  • Kontakt
    gregor.radinger[at]donau-uni.ac.at
  • Downloads
  • Abstract 115.85 KB
    Projektbericht 4.53 MB