Neue Strategien zur Stadterneuerung

Neue Denkansätze zur Stadterneuerung müssen auch die Frage zulassen, ob es sich bei dem bisher eingeschlagenen "sanften Weg" um ein bewährtes Erfolgsmodell oder um ein Auslaufmodell handle. Denn auch Erfolgsmodelle werden alt, wenn sie nicht regelmäßig hinterfragt werden. Und so gilt es zu thematisieren, inwieweit das heutige Modell fortgeschrieben werden kann und welche neuen Modelle zukunftsweisend forciert werden sollten.

Kurze Nacht der Stadterneuerung

Die Gebietsbetreuung Ottakring setzt einen Schwerpunkt ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf die Kooperation mit Instituten verschiedenster Universitäten Wiens. Im Rahmen dieser Kontakte konnten zahlreiche Themen zur Stadterneuerung für Ottakring aufbereitet werden, die auf gesellschaftspolitische, soziale, wirtschaftliche, philosophische, stadtgestalterische und stadtplanerische Fragen reagieren.

"Die Kurze Nacht der Stadterneuerung" wurde im Juni 2004 aus Anlass des 30-jährigen Bestehens der Wiener Gebietsbetreuung durchgeführt. Das Thema "30 Jahre Stadterneuerung" wurde auf Initiative der Gebietsbetreuung Ottakring und des Institutes für Städtebau an der TU Wien in Zusammenarbeit mit Studierenden unterschiedlichster Universitätsinstitute in innovativer und aufgelockerter Weise eine "kurze Nacht" lang am 20. Juni 2004 vermittelt. Dazu wurden im Vorfeld von ca. 150 Studierenden "Neue Strategien der Stadterneuerung" erarbeitet, wobei für die Durchführung verschiedenster Aktionen und Veranstaltungen Unterstützung von diversen Einrichtungen der Stadt Wien und privaten Sponsoren gewonnen werden konnte.

Die Impulse wurden bei zahlreichen Aktionen in Ottakring der Öffentlichkeit in unterschiedlichen Präsentationsformen vermittelt. An verschiedenen Orten, vorwiegend in Neulerchenfeld, waren Installationen, multimediale Ausstellungen, Performances etc. zu sehen. Künstlerische und stadträumliche Interventionen standen im Vordergrund und luden zum Verweilen, Diskutieren und Agieren ein. Vor allem der öffentliche Raum wurde thematisch verstärkt behandelt.

Die Eröffnungsveranstaltung fand im IP.TWO, dem neuen Gewerbezentrum am Lerchenfelder Gürtel, Ecke Grundsteingasse, statt, so wie die Abschlussveranstaltung, bei der die "Kurze Nacht der Stadterneuerung" gemeinsam mit der "Langen Nacht der Musik" ausklingen sollte.

Herausragende Aktivitäten und Aktionen:

In/Out:

Die Fassade des Hauses Neulerchenfelder Straße 70 - ein langjähriges Problemhaus, das ab 2004/2005 saniert werden soll - war im Erdgeschoss mit einer rosa Plüschfassade überzogen.

Im Hof wurde ein Film zum Thema öffentlicher Raum präsentiert: Dieser zeigte auf außerordentliche Weise das Problem der Aneignung eines vielfältig nutzbaren öffentlichen Straßenraumes im gründerzeitlichen Rastersystem. Humorvoll und professionell stellten die Studierenden als SchauspielerInnen den Interessenskonflikt zwischen unvereinbaren Nutzungen im Straßenraum dar.

Im Erdgeschoss wurde ein Preis für die innovativste Idee einer Nutzung des leerstehenden Geschäftslokals verliehen. Den GewinnerInnen stellt der Eigentümer des Hauses nun ein Jahr lang das Geschäft gratis zur Verfügung.

Blow Up:

Auf andere Art thematisierte eine Studierendengruppe der BOKU das Thema öffentliche Freiräume als urbane Erlebnisräume, die als Teil der Stadtkultur vielschichtig interpretierbar sind.

Als experimentelle Stadtraumanalyse übertrug "blow up" die konzeptionellen Überlegungen auf den konkreten Ort des Grünzwickels bei der BP-Tankstelle vor dem Yppenheim. Das "BP"-Logo wurde auf "bar im park", "businesspark", "beserlpark", "besucherparadies" etc. umgemodelt, eine räumliche Um-Orientierung erfolgte durch die Implementierung einer Bar, wodurch eine Restfläche zum vielseitigen Teil einer alternativen Freiraumstruktur wurde. Mit unterschiedlichsten bp-Wortspielen bedruckte weiße Overalls wurden mit kleinen Ottakringer-Bieren verteilt wodurch auf eine attraktive Umnutzung aufmerksam gemacht wurde.

space.ing

Die Studierenden des Instituts für Städtebau, Stadtplanung und Entwerfen sowie des Instituts für Soziologie in der Raumplanung und Architektur der TU Wien beschäftigten sich mit der Frage, wie Architektur, Städtebau und Stadterneuerung auf gesellschaftlichen Wandel reagieren kann und muss. Veränderungen des gebauten Raumes und des Sozialraumes finden ihren Ausdruck in den urbanen öffentlichen Räumen - es wurde eine inter- und transdisziplinäre Sichtweise auf das Wechselspiel zwischen gebautem und sozialem Raum entwickelt.

Am Abend sollten die geplanten Aktivitäten wie "Urbane Quellen", "Sozialräumliches Nadeln" etc., im "weißen Kubus", dem verhüllten Ballkäfig am Yppenplatz stattfinden. Aufgrund der Sturmwarnungen konnten aber die bereits vorher aufgezeichneten Handlungen wie z.B. die Dokumentation des Aufbaus unter Einbindung der Jugendlichen des Yppenplatzes, nur auf einer Leinwand im Gebietsbetreuungslokal mitverfolgt werden. Die für diese Aktion ausgearbeiteten Plakate waren über den Sommer als Ausstellung in den Räumlichkeiten der Gebietsbetreuung zu sehen. In einer Postkartenaktion wurden die OttakringerInnen aufgefordert, ihre Anregungen, Wünsche und Beschwerden festzuhalten.

New Babylon Revisited

Die ehemalige ÖMV-Tankstelle an der Ecke Grundsteingasse/Kirchstetterngasse wurde von Studierenden des Instituts für Wohnbau und Entwerfen der TU Wien in Form von Modellen bespielt, die in Analogie zum historischen Vorbild des größenwahnsinnigen Turmbaus zu Babel fantastische Kollektivräume darstellten, welche die unterschiedlichsten Bedürfnisse und Sehnsüchte von BewohnerInnen erfüllen sollten. Die Qualität von Stadtvisionen, wie jene des Künstlers Constant, der sich in den 1960er und 1970er Jahren mit phantastischen Kollektivräumen befasste, die grenzenlose Lust und ultimative Freizeit verkörperten, wurde von den Studierenden als theoretische Grundlage bearbeitet, und fiktive Projekte für ein zukünftiges Leben im 4. Bezirk wurden ausgestellt.

Kleine Gärten ... große Häuser?

Während sich die meisten der Studierenden mit Freiräumen und deren Defiziten beschäftigten, wählte Wolfgang Thanel einen auf den ersten Blick wenig urbanen "starken Ort" aus - die Kleingartensiedlung der Gartenfreunde Ottakring. Die privaten, eng parzellierten Wiener Kleingärten sind mit hohen Zäunen vor Blicken geschützt und bilden ein eigenständiges soziales Territorium. Seit dem 1992 das dauerhafte Wohnen in Kleingärten erlaubt wurde, ist eine rege Bautätigkeit eingetreten. Diesen neuen Bauaufgaben und architektonischen Ideen hat Thanel nun stadtplanerische Überlegungen für die Siedlung "Gartenfreunde Ottakring" gegenübergesetzt. Dabei knüpfte er an Roland Rainers Idee des teilweisen Öffnens von halbprivaten Zonen zugunsten der Durchwegung für die Allgemeinheit an, der gemeinsamen Nutzung von neuen, übergeordneten Grünverbindungen.

Die Zukunft der "Kurzen Nacht ..."

Die Ergebnisse der engagierten Arbeiten vermittelten das Gefühl von kreativen Implantationen in eine gründerzeitlich geprägte Struktur. Es wurde eine Aufbruchstimmung und ein "Zulassen" vermittelt, das ein lebendiges Viertel mit urbaner Qualität auszeichnet.

Der Abend zeigte in eindrucksvoller Weise, was städtebauliche Interventionen der Zukunft vermitteln könnten: Tolle Improvisationen, Trash, Einbeziehung lokaler Ökonomien, subversive Provokation, kritische Herausforderung in Form alternativer Seh- und Denkszenarien.

Das Zusammenspiel des hohen Engagements aller Beteiligten und der großzügigen Unterstützung öffentlicher und privater Stellen ermöglichte einen Abend, dessen Wiederholung (angedacht alle zwei Jahre, alternierend zu Soho) von verschiedenen Stellen befürwortet wurde.

Neben "SOHO in Ottakring" und dem "Gürtel Night walk" könnte mit der "Kurzen Nacht der Stadterneuerung" ein weiteres kulturelles Event dazu beitragen, das Image eines Viertels in der Gesamtstadt zu festigen.

Koförderung des Projektes: MA 18, MA 21A, MA 25, Wohnfonds Wien, BV 16
Fakten