Evaluation der "Gebietsbetreuung neu"

Ziel der Untersuchung war es, einerseits die bisherige Aufgabenerfüllung durch die für die Betreuung von Gemeindebauten zuständige "Gebietsbetreuung neu" (GB neu) gemessen an den Vorgaben von Seiten der Stadt Wien zu evaluieren, und andererseits Probleme bzw. Defizite aus der Sicht der GB neu zu erheben.

Dazu wurden - größtenteils zwischen Juni und August 2004 - insgesamt 37 Interviews mit TrägerInnen und MitarbeiterInnen der 17 GB neu durchgeführt. Themen der leitfadenorientierten Interviews waren die Struktur und das Aufgabenprofil der GB neu, das Verhältnis zu den Auftraggebern, Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern, die zentralen Tätigkeitsbereiche sowie die Arbeitssituation der MitarbeiterInnen in den einzelnen GB neu. Der Bericht ist diesen Schwerpunktsetzungen entlang strukturiert, abgeschlossen wird er mit einem Resümee, in dem auch versucht wird, Verbesserungsmaßnahmen auf verschiedenen Ebenen herauszuarbeiten.

Ergänzend wurden neben den Interviewaussagen die Tätigkeitsberichte aller Einrichtungen aus den Jahren 2002 und 2003 sowie deren Beratungsstatistiken aus dem Jahr 2003 für die Untersuchung herangezogen.

Der Bericht gibt ausschließlich subjektive Erfahrungen und Einschätzungen von Seiten der GB neu wieder - die "andere Seite", insbesondere Sichtweisen der Auftraggeber und Kooperationspartner, wurde aufgrund der methodischen Anlage der Evaluierung nicht gehört.

Auffällig sind zunächst einmal die großen Unterschiede zwischen den 17 Einrichtungen, die Wien-weit die Betreuung der städtischen Wohnanlagen durchführen. Auf der Strukturebene bestehen diese darin, dass die GB neu zwar mehrheitlich bei einer klassischen Gebietsbetreuung angesiedelt sind (12 von 17), in manchen Bezirken aber ausschließlich eine GB neu eingerichtet wurde; dass als Träger sowohl Architekturbüros (neun) als auch Wohnbauträger (sieben) und in einem Fall die Stadt Wien selbst fungieren; dass die Zahl der betreuten Gemeindewohnungen zwischen rund 2.000 und fast 29.000 variiert; dass ihnen je betreuter Wohnung jährlich zwischen 5,2 Euro und 26,7 Euro zur Verfügung stehen.

Der umfangreiche Arbeitsauftrag führt dazu, dass die Einrichtungen selbst Schwerpunkte setzen, die von Erfordernissen und Möglichkeiten im Bezirk abhängen, und es kein einheitliches Tätigkeitsprofil gibt. In allen GB neu ist zwar die zentrale Aufgabe die Schlichtung von Mieterkonflikten, verbunden mit der Betreuung von MieterInnen und der in Zusammenhang damit erforderlichen Vernetzung mit anderen sozialen Institutionen, aber während manche Einrichtungen nur rund die Hälfte der personellen Ressourcen dafür aufwenden, sind bei anderen die MitarbeiterInnen fast ausschließlich damit beschäftigt. Die verbleibenden Kapazitäten etwa für die Durchführung von Projekten oder von Veranstaltungen - und das heißt insbesondere: für ein präventives Tätigwerden - sind daher unterschiedlich groß.

Darüber hinaus werden von den Stellen, mit denen sie primär zusammenarbeiten, unterschiedliche Anforderungen an die GB's herangetragen. Einzelne werden nach Meinung der GB mit von Wiener Wohnen übermittelten Fällen "zugeschüttet", andere dagegen von diesem wichtigsten Partner kaum kontaktiert. Die Bezirkspolitik, der zweite wichtige Kooperationspartner, sucht in manchen Fällen aktiv die Zusammenarbeit mit der GB neu und bindet diese stark ein, in einzelnen anderen Bezirken sei die GB neu dagegen kaum akzeptiert.

Die Arbeitssituation der GB-MitarbeiterInnen variiert ebenfalls deutlich, wobei die Beschäftigten der Wohnbauträger etwas besser gestellt sind als die in Architekturbüros: Bei den Bauträgern sind die Durchschnittsgehälter höher, es erfolgen kollektivvertraglich geregelte Inflationsanpassungen der Gehälter, und Supervision wird in der Arbeitszeit durchgeführt. Die höchsten in den Interviews erfassten Gehälter von GB-MitarbeiterInnen werden zwar von Architektenbüros gezahlt, aber auch die niedrigsten, was u.a. wohl damit zusammenhängt, dass Gehälter ausverhandelt werden müssen und man sich auf kein verbindliches Gehaltsschema beziehen kann. Die großen Gehaltsdifferenzen dürften aber auch aus den unterschiedlichen Gewinnspannen der Träger resultieren.

Neben diesen Unterschieden bestehen allerdings auch viele Gemeinsamkeiten. Alle Einrichtungen sind mit denselben Problemen befasst, nämlich vorwiegend mit Nachbarschaftskonflikten, die um Lärmbelästigung kreisen und die mehrheitlich entlang den (sich teilweise überschneidenden) Linien ÖsterreicherInnen vs. MigrantInnen und Alt vs. Jung verlaufen. Das zentrale Arbeitsfeld ist die Konfliktbearbeitung, bei der häufig Techniken der Mediation angewendet werden.

Zu den Gemeinsamkeiten gehört ferner die fast durchgängige Unzufriedenheit über die zu geringe Ressourcenausstattung, das angeblich fehlende Verständnis bzw. die fehlende Kompetenz für Sozialarbeit und auf den von der Auftraggeberin veranlassten hohen bürokratischen Aufwand bezieht.

Was die GB neu bzw. deren MitarbeiterInnen darüber hinaus stark eint, ist das ausgeprägte Gefühl einer ihnen entgegengebrachten Geringschätzung. Dies bezieht sich im Außenverhältnis v.a. auf die Stadt Wien und die Bezirkspolitik aufgrund der bereits angesprochenen Probleme, im Innenverhältnis auf den Dienstgeber. Den Trägern wird in erster Linie vorgeworfen, die klassische Gebietsbetreuung zu bevorzugen, weil sie selbst aus dem planerisch-technischen Bereich kämen. Das wird v.a. daran festgemacht, dass es für die GB neu keine inhaltlich kompetenten AnsprechpartnerInnen gebe und man mit Schwierigkeiten allein gelassen werde.

Neben diesen bisher angerissenen, in den Interviews thematisierten Problemen besteht ein weiteres: nämlich massive Defizite in der Kommunikation, die allerdings von den InterviewpartnerInnen selbst nur in einzelnen Aspekten benannt (und vermutlich auch gesehen) wurden. Kommunikationsmängel wurden v.a. in Hinblick auf die Kooperation mit Wiener Wohnen und BezirkspolitikerInnen angesprochen (und dabei dem jeweils anderen Part angelastet), häufig auch im Kontakt zwischen den einzelnen GB neu, seltener gegenüber der MA 25 und GB-intern. Als ein durchgängiges strukturelles Problem wurde es von niemandem wahrgenommen.

Die Gründe für diese Defizite liegen primär bei den unklaren Arbeitsbedingungen. Das betrifft zunächst einmal das Auftragsverhältnis, das als Werkvertrag bezeichnet wird, die Kriterien dafür aber nicht erfüllt. Werkverträge zeichnen sich u.a. durch die persönliche Selbstständigkeit des Werkvertragsnehmers aus. Dies wird durch die vielfältigen Vorgaben von Seiten der MA 25 wie etwa die Verpflichtung zur Stundenabrechnung konterkariert. Unklarheit wird weiters dadurch erzeugt, dass die Kompetenzen der GB neu in der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, und zwar insbesondere mit Wiener Wohnen, nicht geregelt sind. Zudem mangelt es an Transparenz bei den Kriterien für eine Weiterbeauftragung der einzelnen GB-Träger, was zu Misstrauen und Konkurrenzangst untereinander führt.

Kommunikationsdefizite sind auch in der Struktur der Gebietsbetreuungen, und zwar im hierarchischen Verhältnis zwischen den beiden Sparten "klassisch" und "neu" begründet. Da die TrägerInnen selbst aus dem planerisch-technischen Bereich stammen, sind sie in diesem Feld stärker kompetent und interessieren sich dafür wohl auch mehr. Obwohl TrägerInnen wie auch MitarbeiterInnen häufig die Wichtigkeit von Synergieeffekten in der Zusammenarbeit der GB klassisch und neu betonten, wurde dies wenig konkretisiert, und es entstand der Eindruck, dass es sich dabei häufig nur um ein Schlagwort handelt. In einigen Einrichtungen klagten MitarbeiterInnen der GB neu, dass sie mit inhaltlichen Entscheidungen alleine gelassen würden. Auch das in vielen Interviews angesprochene Gefühl des "Ausgeliefertseins" hängt mit einem zu geringen Rückhalt in der Einrichtung zusammen. All dies verstärkt das Gefühl der Geringschätzung, die auch in den Außenbeziehungen wahrgenommen wird.

Gleichzeitig fiel in den Interviews immer wieder auf, dass das Nicht-informiert-werden häufig hingenommen wird, dass nicht nachgefragt wird, keine Begründungen eingefordert werden, weshalb Vorstellungen entstehen, die nicht immer der Realität entsprechen. Das betrifft gelegentlich die Träger, in erster Linie aber die MitarbeiterInnen, und zwar sowohl in Hinblick auf den Dienstgeber als auch auf die MA 25. So wurde etwa mehrfach behauptet, man dürfe die Jahresberichte nicht an andere GB's weitergeben, weil die MA 25 eine interne Vernetzung verhindern wolle. In einem Hintergrundgespräch mit der MA 25 wurde dagegen darauf hingewiesen, dass man aus budgetären Gründen nur eine geringe Anzahl von offiziellen Exemplaren produziere, einem internen Austausch der Berichte aber nichts entgegenstehe.

Diese Umfeldbedingungen verursachen in manchen Einrichtungen große Frustrationen bei den MitarbeiterInnen und belasten sie anscheinend stärker als der teilweise sehr hohe Arbeitsanfall oder die zum Teil schlechten Arbeitsbedingungen.

Wenn man die zentrale Aufgabe der GB neu in der Betreuung der städtischen Wohnhausanlagen durch eine niederschwellige Anlaufstelle für die vielfältigen Anliegen der MieterInnen sieht, dann wird diese Anforderung von den bestehenden Einrichtungen trotz aller angesprochenen Probleme auch erfüllt. Die Wahrnehmung von darüber hinausgehenden Aufgaben erfolgt allerdings in sehr unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen.
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