Akzeptanz digitaler Technologieangebote im Wohnbereich

Vergleichende Ist-Analyse der Ausstattung, Nutzung und Bedürfnisse im sozialen und kommunalen Wohnbau

Das Wohnen wird immer stärker durch Technik beeinflusst. Mit der Digitalisierung und Vernetzung wird folglich technologische Intelligenz und die damit einhergehende Komplexität immer mehr in den Wohnbereich einziehen. Zur Handhabung der digitalen Angebote im Wohnbereich werden neue AnwenderInnenkenntisse erforderlich sein, die nicht allen Menschen in gleicher Weise gegeben sind. In diesem Zusammenhang führt die wachsende soziale Ungleichheit zu unterschiedlichen Nutzungsintensitäten.

Zielsetzung / Fragestellung

Somit stellt sich die Frage, ob jene Personengruppen, die bereits durch soziale Dispositionen benachteiligt sind, aufgrund der (möglichen) Verdichtung von Personen ähnlicher Lebenslagen innerhalb derselben Wohnhausanlage nochmals eine Benachteiligung erfahren. Kommt es also zu einer kumulativen Nutzungsdiskrepanz?

Vorgehensweise

Die Datenerhebung erfolgte in drei unterschiedlichen Wohnobjekten aus dem sozialen Wohnbau. Es wurden die "Brünner Straße 209-211" und "Am Schöpfwerk" dem "Gasometer D" - einer Wohnhausanlage mit hohem technischen Ausstattungsgrad - gegenübergestellt und die unterschiedlichen Nutzungsdiskrepanzen der einzelnen Haushalte miteinander verglichen.

Kontaktaufnahme

Die Personen wurden an deren Wohnungstür bzw. im Wohnungsumfeld der einzelnen Wohnhausanlagen angesprochen. Die ExpertInneninterviews wurden mittels Leitfaden durchgeführt. Zwei ExpertInnen wurden persönlich, einer telefonisch interviewt. Ein Experte wünschte den Leitfaden schriftlich zu beantworten.

Methode / Datenerhebung

Um der Fragestellung nachzugehen, wurde das Theoriemodell von Pierre Bourdieu um technische Theorieelemente von Karl H. Hörning erweitert. Zur Erfassung der kumulativen Nutzungsdiskrepanz wurden die Variablen "Haushaltsnettoeinkommen", "Haushalsgröße", "Bildung" (Matura ja/nein) und "Anzahl der HilfestellerInnen" eingeführt und um die soziodemografischen Variablen "Alter" und "Geschlecht" erweitert.

Die Daten wurden mittels Fragebögen (65 Stück), Interviews (15 Stück), und ExpertInneninterviews (4 Interviews) erhoben. Der Fragebogen besteht aus 47 Fragen und inkludiert qualitative und quantitative Elemente. Die Befragung erfolgte vor Ort und im Interviewstil.

Die wichtisten Ergebnisse sind:

Die untersuchten Haushalte im sozialen und kommunalen Wohnbau sind überdurchschnittlich gut mit Computern und Computerzubehör ausgestattet.
 
  • Daher können Computer als Grundausstattung der untersuchten Haushalte betrachtet werden. Dies hat gesellschaftliche Bedeutung, da Computer offensichtlich kein reines "Luxusgut" mehr darstellen.
  • Damit wird durch den Aspekt des möglichen Nicht-Besitzes von IuK-Technologien eine (neue) Form der Ungleichheit erzeugt (vgl. digital gap).

Im Vergleich zu Gesamt-Wien werden in den untersuchten Haushalten des kommunalen und sozialen Wohnbaus überdurchschnittlich oft der Computer und das Internet genutzt.

  • Wenn viele Personen den Computer und das Internet nutzen, können Internetdienstleistungen auf breiter Basis angeboten werden, ohne dass es zu einer Diskriminierung sozial schwächerer Haushalte kommt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, trotz Besitz eines Computers die Anwendungskompetenz oft eher niedrig ist. Dem könnte gezielt durch Schulungen entgegengewirkt werden.
  • Denn wenn IuK-Technologien erst einmal angeschafft wurden, werden sie auch häufig genutzt.

Die Haushaltsausstattung mit technischen Geräten wird hautsächlich von Einkommen, Haushaltsgröße, Bildung, Alter und dem Vorhandensein von Kindern beeinflusst.

  • Die Studie ergab, dass Mehrpersonenhaushalte aufgrund höherer Haushaltsnettoeinkommen über eine bessere Ausstattung als Einzelhaushalte verfügen.
  • Unterteilt man die Mehrpersonenhaushalte in kinderreiche oder kinderlose Haushalte, so zeigte sich, dass PCs, Brenner und Scanner in kinderreichen Haushalten öfters vorkommen.
  • Bildung wirkt sich auf die Ausstattung mit Computern und Peripheriegeräten positiv und Alter (über 50 Jahre) negativ aus.

Das Alter (unter/über 50 Jahre) einer Person wirkt sich entscheidend auf die Frage der Nutzung oder Nicht-Nutzung von Computern und dem Internet aus.

  • Die Nutzung von IuK-Technologie ist daher eine Frage der Generationen, weil Kinder den Umgang en passent erlernen, während die Generation 50plus sich oft ganz neu darauf einlassen muss.

Wenn IuK-Technologien vorhanden sind, werden sie nahezu täglich genutzt.

  • Das gilt auch für die Generation 50plus. Darin zeigt sich der Wille zur Nutzung von IuK-Technologien. Jedoch haben bestimmte Personengruppen größere Schwierigkeiten damit bzw. sind stärker auf die Hilfe anderer Personen angewiesen. Dadurch können sich Abhängigkeiten ergeben, die jedoch durch Schulungsmaßnahmen abgefedert werden könnten.
 
Zwei Drittel aller befragten Personen des kommunalen und sozialen Wohnbaus interessieren sich für Technik (im Wohnbereich).

  • Ein hohes Interesse an Technik zeugt auch von einer positiven Grundeinstellung. Diese positive Grundeinstellung ist zum Erlernen (neuer) technischer Anwendungen und Funktionen wichtig.
  • Menschen wollen im Umgang mit Technologie gefordert, aber nicht überfordert werden, da Überforderung das Interesse schnell abebnen lässt.

In den untersuchten Haushalten konnte eine geschlechterspezifische Arbeitsteilung im IuK-Bereich festgestellt werden.

  • Diese Unterscheidung ergibt sich durch unterschiedliches Technikinteresse und unterschiedliches Anwendungswissen im IuK-Bereich.
  • Da geschlechtsbezogene Vorstellungen durch die Sozialisation gesellschaftlich erlernt werden, können durch technische Gräte bestehende Ungleichheiten perpetuiert werden.

Drei Viertel aller untersuchten Haushalte im kommunalen und sozialen Wohnbau haben bereits Vernetzungen durchgeführt.

  • Vernetzungsarbeiten und das zugehörige Anwendungswissen sind somit ein Teil der täglichen Handhabung von IuK-Technologien geworden.
  • Die Kehrseite liegt in der Abhängigkeit vom ExpertInnenwissen und den damit einhergehenden finanziellen Aufwendungen.

Drei Viertel der befragten Personen fragen bei technischen Schwierigkeiten oder bei PC-Anwendungsproblemen andere Personen um Rat und Hilfe.

  • Damit zeigt sich sehr deutlich der Wert des persönlichen sozialen Netzwerkes für die Lösung von technischen Schwierigkeiten der einzelnen Personen.
  • Umgekehrt wirkt sich bzw. kann sich das Fehlen eines sozialen Netzwerkes auf die Handlungsoptionen der Menschen auswirken.
Fakten
  • Projektträger
    das fernlicht - Institut für Foresight und systemische Innovation
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Mario Kranz
    Daniel O. Maerki
    Andrea Schikowitz
  • Laufzeit
    Juli bis Dezember 2006
  • Kontakt
    office[at]fernlicht.com
  • Downloads
  • Abstract 81.11 KB
    Projektbericht 1.76 MB