Ressource Umbau : Baustelle Wohnung

Projektidee

Wohnungsumbau als funktionale und ästhetische Aufwertung des Vorhandenen und als Strategie der Nachhaltigkeit wurde bisher kaum systematisch untersucht. Hinter dem Forschungsprojekt "Ressource Umbau : Baustelle Wohnung" steckt die Idee, Wohnungsumbauten der engagierten / nicht etablierten Generation der Architekturschaffenden als Ideenpool und Basis für kritische Analyse und Systematisierung heranzuziehen. Anhand eines differenzierten Kriterienkataloges und mit Unterstützung einer interdisziplinären Jury wurde eine qualitative Auswahl der besten Lösungen erstellt und eine Klassifizierung nach Typologien vorgenommen. Das Forschungskonzept sah vor, die Wohnungen im Gebrauch zu besichtigen, zu analysieren und fotografisch mittels Schnappschüssen zu erfassen. Die Erhebungsarbeit umfasste die Überprüfung und die Dokumentation der Planungen im Hinblick auf ihre Alltagstauglichkeit.

Methodik

In mehreren Calls in verschiedenen Medien und durch eigene Recherche wurde eine Sammlung von 160 Projekten angelegt und in der Folge systematisch mit Hilfe eines Kriterienkataloges evaluiert. Bei der Definition von Bewertungskriterien wurde darauf geachtet, dass die Kriterien gleichwertig gewichtet wurden und dass ästhetischstilistische Fragen eine weniger starke Rolle spielten. Die erste Bewertung und Selektion nahm das Projektteam vor. Eine interdisziplinär besetzte Jury half bei der weiteren Fokussierung der Auswahl. Für die Endauswahl wurden 25 realisierte Projekte, vorwiegend in Wien, untersucht und weiter systematisiert. 23 der Projekte konnten vor Ort besichtigt werden. Wesentlicher Bestandteil der Evaluierung waren Interviews mit den BauherrInnen und MieterInnen, die sich als äußerst aufschluss- und erkenntnisreich erwiesen haben.

Ergebnisse

Die Ergebnisse umfassen spezifische und innovative Umbautypologien, kontextuelle Dialoge und 18 nachahmenswerte Erfolgsrezepte.

Zu den wesentlichen Umbautypologien zählen:

  • Funktionales Stapeln: die Raumvolumina der Gründerzeit-Wohnungen werden genutzt, um auf Zwischenebenen, Podesten und Plattformen verschiedene Wohnfunktionen unterzubringen und so das Raumpotenzial der Wohnung maximal auszunutzen.
  • Serviceschienen: verbinden entlang einer Achse alle infrastrukturellen, dienenden Wohnfunktionen wie Kochen, Baden und Lagerung. Die Funktion der Schiene determiniert die Zone davor.
  • "Raum im Raum"-Konzepte: sind komprimierte Serviceschienen in einer Raumbox

Kontextuelle Dialoge

  • Rund 85% der Projekte betreffen den Gründerzeitbestand. So ist es nicht verwunderlich, dass das Gros der konzeptuellen Ansätze sich vorwiegend mit diesem "Ausgangsmaterial" zuwendet.
  • Bei der Nachkriegsmoderne werden die vorhandenen "modernen" Prinzipien durch Konzepte der Offenheit und Variabilität überlagert. Vereinzelt beziehen Eingriffe auch das "Wohnumfeld" mit ein.
  • Unter "Suffizienz" fallen jene Lösungen, die das Wohnen für das Wohnminimum thematisieren.

Lifestyle-Wohnen - die Demokratisierung des Wohnens ermöglicht mehr Individualität

Aufgrund fallender Preise gebrauchen immer mehr Leute das Wohnen als Transportmittel, um Individualität zu vermitteln. Raumwertigkeiten verändern sich, die "innere Fassaden" der Wohnungen gewinnen an Bedeutung. Umbauschwerpunkte verlagern sich hin zu Sanitärräumen, Küchen, Freiräumen. Körperpflege, Kochen, Gärtnern, etc. werden zunehmend nicht als Notwendigkeit, sondern als Teil des Lebensstils, der Erholung und des Freizeitvergnügens betrachtet. Die alltagskulturellen Ansprüche an das "Lifestyle-Wohnen" ("in-sein") sind mitunter schwer zu vereinbaren mit der Sehnsucht nach Rückzug und Geborgenheit. Das vermeintliche Ideal "Offenes Wohnen" steht nicht selten im Widerspruch zu den täglich erlebten funktionellen Notwendigkeiten.

Der unveränderbare Grundriss

Die Tendenz zur "Lebenswohnung" ist ungebrochen und daher schlug sich die Tatsache, dass sich Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten ändern, bei den Umbaukonzepten wenig nieder. Der Glaube, dass Grundflächenreserven Anpassungsfähigkeit kompensieren, herrschte vor. Flexible, variable oder sich überlagernde Lösungen waren demnach wenig gefragt. Umgekehrt korrelierte die Aneignung von Räumen weitgehend mit ihren funktionell zugeordneten Planungsvorgaben, hier war die Bereitschaft zur Identifikation mit den Wohnungen signifikant. Innovative und radikale Lösungen gab es vorwiegend dort, wo BauherrInnen und PlanerInnen ident waren oder ein Naheverhältnis bestand.

Bauliche Eingriffe - minimiert

Bauliche Eingriffe in den Bestand wurden so minimal wie möglich gehalten. Es handelte sich fast ausschließlich um Umbauten, Zubauten und geringe Eingriffe in die öffentlichen Gebäudeteile.

Intensivere Planung bringt höhere Qualität

Der Zeitfaktor spielte eine große Rolle, besonders bei kollektiven Modellen mit langen Vorlauf- und Entwicklungszeiten. Generell spielte die Planungsphase eine wichtigere Rolle als es sonst am Bau üblich ist. Die Projekte wurden in der Regel gemeinsam mit den PlanerInnen entwickelt, die Planung und technisch-geschäftliche Abwicklung den ArchitektInnen überlassen. Auf der Baustelle brachten sich die BauherrInnen wieder mehr ein. Den PlanerInnen wurde durchwegs attestiert, "gute Arbeit" geleistet zu haben.

Erkenntnisse

Eine Besonderheit des Umbaus ist, dass Lösungen durch die Berücksichtigung des vorhandenen Kontextes immer spezifischen Charakter haben. Ziel dieser Studie war es, die konzeptuelle Übertragbarkeit und Verallgemeinerbarkeit dieser Einzellösungen zu untersuchen. Die Merkmale der best-practice-Beispiele spiegeln Tendenzen wider, die von den AutorInnen als zukunftsfähige Umbaupraxis klassifiziert werden. Es handelt sich um:

  • die Suffizienz im Raumgebrauch
  • ein gekonnter Dialog mit der vorhandenen Bausubstanz
  • die Optimierung von Raumressourcen
  • die individuelle Grundrissorganisation

Radikale Lösungen mit revolutionären und gänzlichen neuen Wohnkonzepten wurden nicht gefunden. Die Planungsthemen und -strategien, die nach Meinung der AutorInnen fehlten und künftig verstärkt gefördert werden sollen, sind ökologisch/nachhaltig motivierte Planungen und kollektiv/sozial organisierte bzw. partizipative Projekte.
Fakten
  • Projektträger
    Arbeitsgemeinschaft Franz Denk - Maja Lorbek - IG-Architektur
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Maja Lorbek
    Franz Denk
  • Laufzeit
    März bis Dezember 2007
  • Kontakt
    office[at]franzdenk.at
  • Downloads
  • Abstract 23.68 KB
    Projektbericht 4.71 MB