Wohnverhältnisse in Wien. Zu den Anforderungen einer integrationsorientierten Wohnungspolitik.

Wohnverhältnisse sind das Ergebnis eines wechselseitigen Prozesses von Angebots- und Nachfrageentwicklung. Ökonomischen und soziodemographischen Trends wie Globalisierung, Zuwanderung, sozialem Wandel oder Alterung wie auch technologischem Fortschritt kommen dabei zentrale Bedeutung zu, weil sie Nachfrage- und Angebotsstrukturen immer wieder neu gestalten. Die Eigenheiten des Gutes ‚Wohnung’ bzw. das Angebots- und Nachfrageverhalten auf dem Wohnungsmarkt prägen die Marktdynamik und damit auch die aktuellen Wohnverhältnisse einer Stadt – ausgedrückt in Wohnqualität, Wohnkosten und Wohnchancen.

Wohnqualität, Wohnkosten und Wohnchancen wurden auf der Ebene von Haushaltstypen empirisch untersucht. Die Haushalte wurden dazu nach soziodemographischen Merkmalen, nach Merkmalen der Zahlungsfähigkeit sowie nach migrationsbezogenen Merkmalen in homogene Gruppen klassifiziert. Dies ermöglicht die Charakterisierung gruppenspezifischer Wohnverhältnisse sowie die Identifikation segmentierter Wohnverhältnisse für einzelne benachteiligte Gruppen. Bereits hier wurde deutlich, dass einzelne Dimensionen der Wohnqualität (z.B. Ausstattung, Belag, Rechtsverhältnis) stark durch die haushaltsspezifische Zahlungsfähigkeit (bzw. den Grad der Armutsgefährdung) und den Migrationshintergrund determiniert werden. Dies mit der Konsequenz, dass ökonomisch schwache Haushalte und nicht-österreichische Haushalte unter bestimmten Umständen Probleme haben, ausreichende Wohnstandards bei guten Preis/Qualitäts-Relationen zu realisieren. Dies gilt vor allem dann, wenn es solchen Haushalten – aus welchen Gründen auch immer- nicht gelingt, sich in den Segmenten des sozialen Wohnbaus zu versorgen.

Gruppenspezifische Wohnchancen werden als relative Zugänglichkeit zu bestimmten Wohnungssegmenten bzw. zu bestimmten Wohnqualitäten verstanden – relativ zu den Wohnchancen aller übrigen Haushaltsgruppen. Das hierzu eingesetzte Verfahren der Korrespondenzanalyse erlaubt, die haushaltsbezogenen Chancen in eine Reihung zu bringen, diese Chancen in der marktlichen Konkurrenzsituation unter den Haushaltsgruppen nach bestimmten Dimensionen der Wohnverhältnisse zu visualisieren und schließlich auch segmentierende Merkmalen zu identifizieren. Die zunehmende Heterogenisierung moderner Haushaltsformen manifestiert sich hier in einem komplexen Bild gruppenspezifischer Wohnchancen, in dem sich sozialer Status, Wohnraumbedarf, Lebensstile und Migrationshintergründe auf unterschiedliche Weise überlagern: während die Wohnchancen in den Segmenten mit freier bzw. bedingt freier Preisbildung (Eigentum, Hauptmiete, Untermiete) weitgehend durch typspezifische Zahlungsfähigkeit determiniert werden, werden die Chancen in den Segmenten des sozialen Wohnens (Gemeindewohnungen, gemeinnützige Bauträger) aus dem Migrationshintergrund sowie aus dem tatsächlichen Bedarf gemäß der Haushaltszusammensetzung oft sehr deutlich bestimmt.

Zur Herstellung eines Raumbezuges wurde das Wiener Stadtgebiet in einem weiterem Analyseschritt in homogene Wohnraum- und Sozialraumtypen untergliedert. Während sich die Wohnraumtypisierung auf baulich strukturelle gebietliche Merkmale bezieht, lassen sich Sozialräume anhand ähnlich ausgeprägter sozio-demographischer und sozio-migratorischer

Haushaltsmerkmale identifizieren. Die kombinierte Betrachtung der räumlichen Lage beider Raumtypen zeigt Trends der räumlichen Allokation von Wohnverhältnissen auf: so wird unter anderem deutlich, dass junge, stark durch Zuwanderung geprägte Sozialräume hauptsächlich in schlecht ausgestatteten Altbaugebieten in relativ kleinen Wohnungen leben, während der besser ausgestattete Altbaubestand mit großen Wohnungen vor allem von Gruppen mit hohem Bildungsgrad bewohnt werden. Die oben definierten Wohnchancen wurden – als haushaltstypspezifische Chancen auf einzelne Wohnraumtypen - um die räumliche Dimension erweitert, um zu analysieren ob und wie sich die Segmentlinien des Wohnungsmarktes auch in räumlicher Hinsicht fortsetzen.

Basierend auf den Ergebnissen dieser Analysen ergeben sich als zentrale Anforderungen einer integrationsorientierten Wohnungspolitik:

  • Gewährleistung eines vielfältigen Wohnungsangebots gegenüber heterogenisierten Haushaltstypen und deren Wohnansprüchen
  • Ausbau des Angebots an frei zugängigen Mietwohnungen und gleichzeitig Preisbeschränkungen im Untermietsegment
  • Einschränkung der Fehlbelegung im sozialen Wohnbau
  • Angebotserweiterung an Mietwohnungen die nach sozialen Kriterien belegt werde
  • Mischformen im Angebot (Eigentum, Miete, Sozialwohnungen) in Neubauanlagen
  • Vermeidung neuer sozialer Brennpunkte durch Belegungskonzepte nach integrationsräumlichen Bedingungen
Fakten
  • Projektträger
    TU Wien, Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung, Fachbereich Stadt- und Regionalforschung
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Rudolf Giffinger
    Roland Hackl
  • Laufzeit
    August 2009 bis Jänner 2010
  • Kontakt
    giffinger[at]tuwien.ac.at
  • Downloads
  • Abstract 18.03 KB
    Projektbericht 2.5 MB