Untersuchung regionaler Baukostendifferenzen zwischen Wien und München

Ziel und Gang der Untersuchung

Ziel der Untersuchung ist es festzustellen, welche Aspekte einen regionalen Baukostenvergleich beeinflussen und ob systematische Baukostenunterschiede zwischen Wien und München bestehen.

Dazu wurden zunächst geeignete Arbeitsgrundlagen für den Vergleich regionaler Kostenunterschiede auf Basis von Baukostengruppen (ÖNORM und DIN) sowie auf Basis von Einheitspreisen erarbeitet. Zudem werden weitere Hypothesen im Hinblick auf die Ursachen regionaler Baukostenunterschiede, etwa unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, unterschiedliche Preisentwicklungen, unterschiedliche Planungsanforderungen (z.B. Kfz-Stellplätze) sowie unterschiedliche Verfahren der Wohnbauförderung und der Vergabe öffentlicher Grundstücke untersucht.

Die Untersuchung stützt sich inhaltlich auf die Analyse quantitativer als auch qualitativer Daten. Zu ausgewählten Fallbeispielen des geförderten Wohnungsbaus in Wien und München wurden Daten zu Baukosten (nach Baukostengruppen im Bereich der "reinen Baukosten") sowie zu ausgewählten Einheitspreisen ("Preisrepräsentanten") erhoben. Zudem wurde jeweils mit einem Repräsentanten des jeweiligen Bauträgers ein Experten-Interview durchgeführt, um beispielsweise Unterschiede im Hinblick auf die Strategien und Maßnahmen des kostengünstigen Bauens oder der Einschätzungen unterschiedlicher Vergabeverfahren sowie der Wohnbauförderungen zu analysieren.

Wir verstehen das Ziel dieser Untersuchung als Bereitstellung einer systematisierten Grundlage zur Evaluation regionaler Baukostendifferenzen zwischen Österreich und Deutschland sowie als Diskussionsgrundlage unterschiedlicher Strategien des kostengünstigen Bauens. Eine Analyse einiger Fallbeispiele aktueller Wohnungsbauprojekte soll zeigen, in welchen Bereichen Unterschiede zwischen Wien und München im Hinblick auf Baukostengruppen sowie im Hinblick auf Einheitspreise bestehen.

Problemzusammenhang

Zu den zentralen wohnungs- und sozialpolitischen Zielsetzungen Europas gehört die dauerhafte Versorgung mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum und eine erleichterte Wohneigentumsbildung privater Haushalte (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.); 2004).

In Wien wurde der soziale Wohnungsbau - entstanden als international beachtetes Reformwerk im Wien der 1920er Jahre - kontinuierlich weiterentwickelt. Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Grundankauf durch den von der Stadt gegründeten Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds (WBSF) zu. Heute leben fast 60 Prozent aller Wiener Haushalte in geförderten Wohnungen, 220.000 davon in kommunalen Mietwohnungen.

Der Anteil des geförderten Wohnungsbaus in Deutschland ging dagegen in den 90er Jahren stark zurück und fiel auf durchschnittlich ein Fünftel der Fertigstellungen. Dies erstaunt umso mehr, als oftmals festgestellt wird, dass die Baukosten in Wien höher seien als in München, was insbesondere den kostensensiblen Bereich des geförderten Wohnungsbaus negativ beeinflussen müsse.

Ob beziehungsweise in welchem Umfang systematische (also nicht zufällige oder Einzelfallbezogene) regionale Baukostenunterschiede zwischen Wien und München bestehen und welche Ursachen dafür verantwortlich sind, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.

Methode

Zunächst wird eine geeignete Methodik zur Untersuchung regionaler Baukosten-unterschiede entwickelt. Grundlegend für die Analyse der Baukostendifferenzen auf Ebene der Baukostengruppen ist die Erarbeitung einer Vereinheitlichung der Berechnungsbasis der DIN 276 beziehungsweise der ÖNORM 1801-1, um die Baukostengruppen in Deutschland und Österreich vergleichbar zu machen. In der vorliegenden Untersuchung werden daher zunächst die entsprechend identischen Baukostengruppen in Österreich und Deutschland einander zugeordnet und somit ein Beitrag zur Vereinfachung und Angleichung des Regelwerkes zur Baukosten-ermittlung in Deutschland und Österreich geleistet.

Der quantitative Teil der Untersuchung hat zum Ziel, wichtige Kennwerte der Baukostendifferenzen in Zahlen zu erfassen. Dabei werden zum einen Sekundärdaten analysiert, wie etwa Kostenaufstellungen und -Berechnungen der staatlichen Statistikämter, die Regionalfaktoren des Baukosteninformationszentrums (BKI) sowie weitere Baukosten-Dokumentationen in Literatur und Internet. Zum anderen werden in ausgewählten Fallstudien in Wien und München quantitative Daten zu Kostenpositionen nach Normvereinbarung (DIN 276 bzw. ÖNORM 1801) sowie nach Einheitspreisen gewonnen. Diese Daten ermöglichen es, die Kostenniveaus mit den Niveaus der Einheitspreise in den Fallstudien zu vergleichen und in ein Gesamtbild der Baukostendifferenzen zwischen Wien und München einzuordnen.

Die empirische Erhebung in der vorliegenden Untersuchung erstreckte sich nicht nur auf die Erhebung von quantitativen Daten zu Baukostengruppen bzw. Einheitspreisen, sondern auch auf die Anwendung qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung in Form von Leitfaden-gestützten Expertengesprächen. Diese Untersuchung hat explorativen Charakter und erkundet aufgrund der speziellen regionalen Zielsetzung ein in der empirischen Forschung weithin unerschlossenes Untersuchungsfeld. Zunächst wurde ein Interview-Leitfaden auf Basis einer Literaturauswertung entwickelt, der die relevanten Aspekte der Ursachenforschung für Baukostenunterschiede in Form von "offenen Fragen" zusammenstellt. In insgesamt jeweils 5 Fallstudien in Wien und München wurden 45 - bis 60-minütige Experteninterviews durchgeführt. Die Interviews wurden protokolliert und nach Schwerpunkten ausgewertet.

Ergebnisse

Den Ergebnissen der quantitativen als auch der qualitativen Datenerhebung (Experteninterviews) ist zu entnehmen, dass die hauptsächlichen Faktoren eines regionalen Baukostenvergleichs die Aspekte "Umsatzsteuer", "Wohnraumförderung", sowie die Punkte "Projektgröße" "Verwertungsabsicht" und "Ausschreibungsdatum" betreffen. Dagegen wirkt beispielsweise der Faktor der "Stellplatzvorschriften" im Hinblick auf die Kosten kaum regional differenzierend, da das Verhältnis von Wohneinheit zu Stellplatz in München wie in Wien 1:1 beträgt (Ausnahmen sind hier möglich). Ebenfalls nicht regional differenzierend wirkt die Preisentwicklung auf dem Markt für Bauleistungen: Die Analyse hat gezeigt, dass sich die Baupreise in Österreich und Deutschland in den letzten Jahren sehr ähnlich entwickelt haben. Dennoch zeigt die Analyse einiger Fallbeispiele, dass das Niveau der Einheitspreise in Wien in einigen Bereichen leicht über dem Einheitspreisniveau Münchens liegt.

Umsatzsteuer: Die Baukosten deutscher Projekte, die vor 2007 durchgeführt wurden, wurden aufgrund der Umsatzsteuerdifferenzen in der vorliegenden Untersuchung um +4 % bereinigt, bei Projekten nach 2007 um +1 %.

Wohnraumförderung: Die Wohnraumförderung ist in Wien und München unterschiedlich ausgelegt: Werden in Wien maximal 1.730.- Euro / m² WNF als "angemessene Gesamtbaukosten" betrachtet, sind es in München maximal 1.550 Euro / m² WNF (siehe Kapitel "Unterschiede der Vergabeverfahren und Wohnraumförderung"). Den Ergebnissen der Experteninterviews ist zu entnehmen, dass in den letzten Jahren weniger der Kostenaspekt im Vordergrund der Beiträge zu den Bauträgerwettbewerben stand, sondern vielmehr auf eine höchstmögliche Qualität der Projekte geachtet wurde. Dabei wurde zwar die Höchstgrenze der "angemessenen Gesamtbaukosten" als kostenlimitierender Faktor eingehalten, die Projekte der letzten Jahre unterschritten jedoch nur sehr selten diese Obergrenze: Bestmögliche Qualität wurde bei maximaler Ausnutzung des Kostenrahmens umgesetzt, um aus den Bauträgerwettbewerben erfolgreich hervorzugehen.

In München ist die Situation ähnlich: Die Stadt München setzt die Förderobergrenze fest, die Bebauer städtischer Grundstücke setzen am Limit des vorgegebenen Kostenrahmens Wohnbauprojekte um. Höhere Baukosten in Wien wären aus dieser Sichtweise aufgrund der höheren Förderhöchstgrenze in Wien (maximal 1.730.- Euro) im Vergleich zur Förderhöchstgrenze in München (maximal 1.550.- Euro) zu erklären.

Projektgröße: Obige Ergebnisse zeigen auch, dass sich die entscheidenden Kostenvorteile vor allem aufgrund der Größe eines Wohnbauprojektes ergeben. Die Größenvorteile fallen sowohl in Wien als auch in München weitaus höher aus als eventuelle Kostendifferenzen aufgrund regionaler Baukostenunterschiede, die sich beispielsweise aufgrund der unterschiedlichen Umsatzsteuersätze ergeben. Hinweisen aus den Experteninterviews sowie der Analyse der Einheitspreise (Datenblätter) ist zu entnehmen, dass sich ab einer Größenordnung von 50 - 100 Wohneinheiten Kosteneinsparpotentiale bis zu 30 % im Vergleich zu kleineren Wohnbauprojekten ergeben Verwertungsabsicht - Ein weiterer entscheidender Aspekt des Kostenvergleichs betrifft das mit dem Neubauvorhaben verfolgte Ziel: Wohnbauprojekte, die ein Bauträger mit dem Ziel des Abverkaufs erstellt, werden sowohl in Wien als auch in München in der Regel weitaus kostengünstiger erstellt als Wohnbauvorhaben, die ein Bauträger bzw. Wohnbauunternehmen mit dem Ziel der Entwicklung des Eigenbestandes baut. Ein Kostenvergleich kann nur unter solchen Wohnbauprojekten erfolgen, die mit derselben Verwertungsabsicht erstellt wurden.

Einheitspreise: Gleichwohl fällt bei Betrachtung der quantitativen Ergebnisse der Studie, insbesondere der Datenblätter zu den Einheitspreisen auf, dass das Niveau der Einheitspreise in Wien durchschnittlich über dem Niveau der Einheitspreise in München liegt. Dieses Ergebnis widerspricht den Aussagen des "Regionalfaktors" des BKI Deutschland, der für Wien den Wert 1,111 und für München den Wert 1,286 ausgibt. Dies würde niedrigere Baukosten in Wien im Vergleich zu München bedeuten. Hier ist auf die Methode der Datenerhebung seitens des BKI kritisch hinzuweisen: Den Berechnungen des "BKIRegionalfaktors" werden vor allem Kennzahlen der "Baupreisindizes" der statistischen Landesämter zugrunde gelegt. Die statistischen "Baupreisindizes" basieren auf Umfrageergebnissen, die von den statistischen Landesämtern bei Baufirmen durchgeführt werden. Somit handelt es sich um kalkulierte Preise, die vor allem bei großen Bauvorhaben stark von den tatsächlich abgerechneten Preisen abweichen können. Auch andere professionelle Anbieter regionaler Baukosteninformationen sind mit Schwächen der Datenqualität behaftet: So verfügt zwar das "Baupreislexikon" (www.baupreislexikon.de) als deutschlandweiter kommerzieller Anbieter von Baukosteninformationen über die Funktion, "regionale Baupreise" auszuweisen. Die Ausweisung regionaler Preise wird jedoch lediglich mit der Berechnung eines pauschalen Auf- bzw. Abschlages kalkuliert, der vom Anbieter festgelegt wird. Die Art der Festlegung bzw. die Höhe des "Regionalaufschlags" wird nicht transparent gemacht.

Es bleibt festzustellen, dass derzeit keiner der professionellen Anbieter von Baukosteninformationen über genügend Informationen aus tatsächlich abgerechneten Baukosten verfügt, um einen belastbaren regionalen Baukosten-vergleich zuzulassen. Die vorliegende Untersuchung füllt eine Forschungslücke und stellt nicht nur eine ausgereifte Grundlage zur Beurteilung regionaler Baukosten-differenzen zwischen Österreich und Deutschland zur Verfügung, sondern belegt die Eignung der ausgearbeiteten Erhebungsgrundlage auf Basis von Baukosten-positionen (DIN 276 und ÖNORM 1801) sowie auf Basis von Einheitspreisen durch eigene Datenerhebung. Die erhobenen Daten stammen aus bereits abgerechneten Wohnbauprojekten in Wien und München und stellen somit eine gute Grundlage für die Evaluation eventueller Baukostenunterschiede dar.
Fakten
  • Projektträger
    Technische Universität München, Lehrstuhl für Wohnungsbau und Wohnungswirtschaft
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Peter Ebner
    Wolfgang Rid
  • Laufzeit
    Juni bis Dezember 2008
  • Kontakt
    rid[at]lrz.tum.de
  • Downloads
  • Abstract 45.46 KB
    Projektbericht 1.31 MB