Ankunftsviertel von NeuzuzüglerInnen in Wien

Seit 2001 wächst die Wiener Bevölkerung deutlich. Im Studienzeitraum 2008 bis 2014 betrug das Gesamtwachstum 5,5 % und dieses Wachstum basiert hauptsächlich auf Zuwanderung, sowohl aus dem Ausland als auch aus öster-reichischen Bundesländern. Dadurch wurde Wien in den letzten Jahren ein wenig europäischer und westösterreichischer, da die Anteile an der Zuwanderung von Menschen aus den europäischen Staaten anstiegen, die Anteile der gebürtigen WienerInnen, NiederösterreicherInnen und BurgenländerInnen sowie der im Rest der Welt Geborenen etwas zurückgingen.

Im Rahmen dieser Studie wurde insbesondere die Gruppe der NeuzuzüglerInnen analysiert, also jene Menschen, die zum ersten Mal einen dauerhaften Wohnsitz in Wien anmelden. Seit 2008 kommen jährlich insgesamt rund 30.000 Menschen aus dem In- und Ausland neu nach Wien, Tendenz steigend. Davon wurden im Schnitt insgesamt 16.000 in den EU-Ländern Deutschland, Polen, Rumänien, Ungarn sowie den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, inkl. dem EU-Land Kroatien, geboren. Die beobachtbaren Trends sind hier anders als in der Wohnbevölkerung: Die Anteile der Neuzu-züglerInnen aus Deutschland, Polen und Rumänien, dem Osten und Süden Europas und dem Rest der Welt sind seit 2008 rückläufig (im Schnitt -1,36 %), während sie im Fall von NeuzuzüglerInnen aus Ungarn und dem ehemaligen Jugoslawien sowie der restlichen EU teils deutlich (im Schnitt +2,7 %) stiegen.

Die NeuzuzüglerInnen aus diesen Ländern sind zumeist jung, die Anteile der Altersgruppen zwischen 20 und 34 Jahren bei NeuzuzüglerInnen betragen zwischen 50 % (aus Ex-Jugoslawien) und 66,3 % (aus Deutschland). Dem steht die Wiener Wohnbevölkerung gegenüber, die mehrheitlich über 35 Jahre alt ist. Seit 2008 wuchs beim Neuzuzug der Anteil der 20- bis 34-Jährigen weiter an, insbesondere bei in Deutschland, Polen und Ungarn geborenen Personen. Im Fall von RumänInnen, und Neuankömmlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien und auch von UngarInnen stiegen die Anteile der über 35-Jährigen, was auf Familiennachzug schließen lässt.

Männer sind insgesamt mobiler als Frauen, wie bei den genauer analysierten Gruppen der NeuzuzüglerInnen zu sehen ist, wo der Frauenanteil jeweils etwas niedriger liegt als in der Gesamtbevölkerung (zwischen 45,1 % und 49,55 %).

Wie verteilen sich die NeuzuzüglerInnen über das Stadtgebiet? In absoluten Zahlen betrachtet, sind als wesentliche Ankunftsviertel insbesondere die gürtelnahen Bereiche der Stadt zu nennen. Dies sind bevölkerungsstarke Viertel mit einem überproportional hohen Anteil an im Ausland geborenen Menschen und einem hohen Anteil an kleinen Wohnungen und Wohnungen der Kategorien C und D. Die Bevölkerungsfluktuation in diesen Vierteln ist höher als im übrigen Stadtgebiet, das Bevölkerungswachstum ist hingegen nicht unbedingt höher als im Durchschnitt. Generell ist festzustellen, dass es nur einen geringen Zusammenhang zwischen Wachstum und Bevölkerungsfluktuation gibt.

Hinsichtlich ihrer Herkunft weisen die einzelnen Gruppen der NeuzuzüglerIn-nen durchaus unterschiedliche Siedlungsmuster auf, die einerseits zum Teil damit zusammenhängen, wie viele Menschen aus ihrem Herkunftsland bereits im Viertel wohnen, andererseits gibt es auch deutliche Unterschiede, was die Wohngegend und die Wohnungen angeht. Eine Clusteranalyse ergibt, dass in zentralen Lagen bzw. Vierteln mit hochwertigerem Wohnraum im Norden Wiens NeuzuzüglerInnen überproportional oft aus Deutschland und anderen (vermutlich den westlich gelegenen) EU-Staaten kommen. Andere Neuzu-züglerInnengruppen sind hier jedoch unterrepräsentiert. Jene Stadtgebiete, die ebenfalls durch Altbau – jedoch mit schlechterer Wohnqualität – geprägt sind und oftmals in Gürtelnähe liegen, zeichnen sich durch überproportional viele in Polen geborene NeuzuzüglerInnen aus, ansonsten sind sie relativ gut durchmischt. Über die Stadt verteilt gibt es noch Gebiete mit einem hohen An-teil von genossenschaftlichem und gemeindeeigenem Wohnbau. Hier sind NeuzuzüglerInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aber auch solche aus den östlichen und südlichen Gebieten Europas stärker vertreten, während Deutsche bzw. Neuankömmlinge aus den anderen EU-Staaten unterrepräsentiert sind.

Ferner wurde im Rahmen dieser Studie die Verteilung von Wiens Wohnbevölkerung mit Stand 2014 untersucht und auch hier ist bezüglich der Herkunft eine Ungleichverteilung über das Stadtgebiet feststellbar. Eine Clusteranalyse ergab zum Teil ähnliche Muster wie beim Neuzuzug: Gebürtige WienerInnen sind am Stadtrand bzw. in Vierteln mit einem hohen Anteil an Einfamilienhäu-sern überrepräsentiert, ebenso NiederösterreicherInnen und BurgenländerInnen. Ähnlich wie bei den NeuzuzüglerInnen sind Deutsche und WestösterreicherInnen besonders in zentralen Lagen überrepräsentiert, insbesondere in Altbauvierteln mit hohem Wohnstandard. Menschen mit Geburtsland Polen, Rumänien oder aus dem ehemaligen Jugoslawien sind ebenfalls in zentralen Stadtvierteln überrepräsentiert, jedoch handelt es sich hier um die Viertel in Gürtelnähe bzw. jene mit überdurchschnittlich hohem Anteil an kleinen Wohnungen und Wohnungen der Kategorien C und D. Es gibt aber auch Viertel, in denen das Verhältnis zwischen den einzelnen Her-kunftsgruppen ausgewogener ist: Es sind dies Wachstumsgebiete mit einem hohen Anteil an Neubauten und gemeinnützigem Wohnbau (was oft das Glei-che ist) und Wohnungen im öffentlichen Eigentum (Gemeindebauten). Lediglich WestösterreicherInnen, Deutsche und Personen aus Westeuropa sind hier unterrepräsentiert. Eine Analyse des Segregationsindex zeigt, dass die Segregationstendenzen einzelner Herkunftsgruppen im Stadtgebiet insbe-sondere im Fall von gebürtigen WestösterreicherInnen und Deutschen eher stärker als schwächer werden. Lediglich im Fall jener, die in Polen oder im ehemaligen Jugoslawien geboren wurden, gab es leichte Rückgänge.

Zusammenfassend kann der Schluss gezogen werden, dass Wachstum und Bevölkerungsfluktuation, aber auch die Verteilung von Neuzuzug und Wohnbevölkerung in Wien untereinander einen relativ geringen Zusammenhang aufweisen. Immer wieder können jedoch systematische Verteilungsmuster im Stadtgebiet erkannt werden, die im Zusammenhang mit den baulichen Eigen-schaften des Wohnraums bzw. der Wohnhäuser in einem Viertel stehen.

Viertel mit schlechterer Wohnqualität sind Anziehungspunkte für Menschen aus weniger wohlhabenden Staaten, Viertel mit besserer Wohnqualität ziehen Menschen aus reicheren Teilen Europas und aus Westösterreich an. Der Stadtrand mit seinem hohen Anteil an großzügigen Einfamilienhäusern, die finanziell große Investitionen benötigen, zieht dagegen überproportional viele gebürtige WienerInnen bzw. OstösterreicherInnen an. Es deutet also vieles darauf hin, dass Wohnungspreise bzw. vorhandener Wohnraum eine starke Rolle bei der Wahl der Wohnviertel spielen, ebenso die Frage, ob Wohnraum privat vermietet oder im gemeinnützigen bzw. öffentlichen Besitz ist. Auch dürfte die Qualität des Wohnraums im Zusammenhang mit der Verweildauer stehen: In Vierteln mit hoher Wohnqualität kommen mehr Menschen aus den klassischerweise als wohlhabend geltenden Teilen Österreichs und Europas an, und sie bleiben dort vermutlich auch länger, wie an der niedrigeren Bevölkerungsfluktuation in solchen Vierteln erkennbar ist. In Vierteln mit niedriger Wohnqualität kommen die ZuzüglerInnen aus weniger wohlhabenden Gegenden. Die dort höhere Fluktuationsrate deutet darauf hin, dass es starke Anreize gibt, dort auch bald wieder weg zu ziehen.

Der gemeinnützige und gemeindeeigene Wohnbau in Wien kann hingegen durchwegs mit geringerer Bevölkerungsfluktuation, höherem Wachstum und besserer, d.h. gleichmäßigerer Durchmischung der Bevölkerung hinsichtlich ihrer Herkunft assoziiert werden. Zu erwähnen ist jedoch, dass diese vom sozialen Wohnbau dominierten, teils neu errichteten, Viertel nicht verstärkter Anziehungspunkt für NeuzuzüglerInnen sind. Die Daten legen nahe, dass hier jene einziehen, die schon längere Zeit in Wien wohnen, zum einen, weil erst dann gewisse rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind, zum anderen, weil es finanzielle Hürden gibt (wie beim genossenschaftlichen Wohnbau).

In jenen Gebieten der Stadt, in denen das Wachstum geringer ist, zeigen sich also Muster, die auf Segregationstendenzen hinsichtlich Herkunft und wirtschaftlichem Status hindeuten. Aber dort, wo Wien wächst, scheint das Angebot an Wohnraum für Angehörige einer breiten Mittelschicht mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund sowohl attraktiv als auch leistbar zu sein.
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