Nachhaltigkeits-Monitoring ausgewählter Passivhaus-Wohnanlagen in Wien (Projekt NaMAP)

Erstmals wurde in Österreich ein interdisziplinäres Gebäude-Monitoring nach dem Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung durchgeführt. Erreichen Passivhäuser die hochgesteckten Planungsziele und wie liegt die Performance im Vergleich zu konventionellen Wohnhausanlagen? Diese Fragen stellte sich die Arbeitsgruppe für Ressourcenorientiertes Bauen rund um Univ. Prof. Arch. Dr. Martin Treberspurg an der BOKU Wien mit Unterstützung durch den Umweltpsychologen Prof. Dr. Alexander Keul von der Uni Salzburg und durch das Team der FGW Wien.

Motivation für die Untersuchung

Bislang wurden mehr als 5000 Gebäude in Österreich in Passivhausstandard errichtet und zukünftig soll ein deutlicher Anteil der Neubauten in Passivhausstandard realisiert werden. Für alle geförderten Wohngebäude wird der Passivhausstandard als Zielwert bis zum Jahr 2015 angestrebt. Um Erfahrungen von den ersten Pionierprojekten zu sammeln, wurde im Auftrag der Wiener Wohnbauforschung ein interdisziplinäres Gebäude-Monitoring nach dem Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung durchgeführt. Neue Ansätze und wertvolle Erkenntnisse für Bauherrn, PlanerInnen und Förderstellen wurden gewonnen. Diese werden im Rahmen eines bereits laufenden Folgeprojekts "Passivhaus-Akademie für Bauträger" mit relevanten AkteurInnen des Baubereichs diskutiert um Lerneffekte und Innovationssteigerungen im Wohnbau zu bewirken.

Erreichen Passivhäuser die hochgesteckten Planungsziele und wie liegt die Performance im Vergleich zu konventionellen Wohnhausanlagen?

Analysiert wurden alle Wiener Wohnhausanlagen in Passivhausstandard, die seit mehr als einem Jahr bewohnt werden. Die reale Energieperformance dieser Gebäude wurde mit ausgewählten Wohnhausanlagen derselben Bauperiode 2005-2007 verglichen. Die Referenzgebäude erfüllen bereits den Niedrigenergiehausstandard, da die Stadt Wien dieses Energieniveau seit etwa einem Jahrzehnt als Mindestkriterium für geförderte Wohnbauvorhaben festgelegt hat und seit Einführung der Bauträgerwettbewerbe 1994 eine hohe thermische Qualität im Wohnbau erzielt wurde. Das Energiemonitoring umfasst insgesamt 1367 Wohnungen, wobei 492 Wohnungen in Passivhausstandard ausgeführt wurden. Messergebnisse der AEE INTEC (Waldemar Wagner) und TU-Wien (Thomas Bednar) wurden berücksichtigt.

Wie zufrieden sind die BewohnerInnen mit ihrem Passivhaus?

Fünf von sechs Passivhausanlagen hatten bessere Wohnzufriedenheitswerte als die konventionellen Gebäude, eines lag auf demselben Niveau. Von der Umwelteinstellung her sind Wiener Passivhaus-BewohnerInnen keine "Grünwählergruppe", sondern sozialer "Mainstream". Einige Passivhäuser erreichten, gemessen an Sympathiewerten, sogar das Niveau von Einfamilienhäusern. Als sensibel erwies sich die Einstellphase der Lüftung und Heizung direkt nach dem Einzug. Hier war gute Kommunikation mit Technik und Verwaltung gefragt. Einfache schriftliche Informationen zur Bauweise wurden von den BewohnerInnen meist positiv beurteilt, persönliche sind verbesserungsfähig.

Mit längerer Wohndauer wird das Leben im Passivhaus besser beurteilt: In der Utendorfgasse stieg der Anteil hoher Sympathie für die Wohnform von 84% auf 94%.

Welche Unterschiede bestehen zwischen dem gemessenen Energieverbrauch und dem geplanten Energiebedarf?

Die gemessenen Heizwärmeverbrauchswerte stimmen im Durchschnitt sehr gut überein mit den berechneten Planungswerten. Die Planungswerte wurden für diesen Vergleich auf realistische Innen- und Außenklimaverhältnisse umgerechnet.

In zwei Wohnhausanlagen am Kammelweg misst die TU-Wien seit 2008 den Energieverbrauch und diverse Komfortparameter. Durch die Feinjustierung der Anlagen konnten mittlerweile bedeutende Mengen an Heizwärme und Strom eingespart und die Planungswerte erreicht werden.

Wie hat sich der Energieverbrauch von Wohnhausanlagen bis heute entwickelt und welchen Mehrwert liefert das Passivhaus?

Die mittlere Energieeffizienz von neu errichteten Wohnhausanlagen hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verbessert. Passivhaus-Wohnanlagen verbrauchen jedoch immer noch deutlich weniger Heizenergie als vergleichbare Wohngebäude derselben Errichtungsperiode. Die Einsparung beträgt durchschnittlich rund 30 kWh/(m².a) oder etwa 45 %. Pro Haushalt bedeutet das eine jährliche Einsparung von etwa 2,5 MWh, 500 kg CO2-Äquivalente und 230 € Energiekosten.

Beim Vergleich verschiedener Konzepte für energieeffiziente Gebäude ist zu beachten, dass Energieeffizienz definiert wird, als Verhältnis von eingesetzter Energie zu Qualität des geschaffenen Raumklimas. Der Mehrwert von Passivhäusern hinsichtlich Energieeffizienz beruht also auch auf einem höheren Wohlbefinden, einem höheren thermischen Komfort und einer besseren Ausnutzung der Wohnfläche durch Fenster-Komfortzone und keine störenden Heizkörper. Die Komfortlüftungsanlage in Passivhäusern bewirkt ebenfalls eine höhere Qualität z.B. hinsichtlich Schimmelvermeidung, Feinststaub- und Pollenbelastung und Erholungsfaktor von Schlafphasen durch geringere CO2-Konzentration.

Wie hoch liegen die Errichtungskosten von Wohnhausanlagen in Passivhausstandard?

Die Errichtungskosten sind im Allgemeinen sehr stark von der Größe und der Kompaktheit einer Wohnhausanlage abhängig. Mehrkosten von etwa 10-20% waren für Wohnhausanlagen mit weniger als 2.000 m² zu beobachten. Ein ungünstiges Oberflächen-Volumen-Verhältnis bewirkte Mehrkosten von etwa 15-25%. Wenig ausgeprägt ist der Einfluss des Baujahrs (2003-2008) und der Energieeffizienz - also ob Niedrigenergiehausstandard oder Passivhausstandard. Die Mehrkosten der ersten Wiener Passivhaus-Wohnanlagen lagen bei etwa 4-12%. Eher höhere Werte waren für die ersten Pioniergebäude mit damals noch sehr kostenintensiven dezentralen Lüftungsanlagen zu beobachten. Zentrale Haustechnikanlagen, wie in Utendorfgasse, Mühlweg und Dreherstraße, waren jedoch in etwa kostenneutral im Vergleich zur Ausführungsvariante in Niedrigenergiehausstandard. Die gesamten Errichtungskosten lagen nur um etwa 4-6% höher und damit auf einem Niveau von anderen Passiv-Wohnhausanlagen wie der Sophienhof in Frankfurt und das Lodenareal in Innsbruck.

Zukunftsperspektiven

Die Studie offenbarte Vorteile des Passivhausstandards hinsichtlich Wohnkomfort, Energieeffizienz, Klimaschutz und Energiekosten bei vertretbaren Mehrkosten für die Errichtung.

Es besteht jedoch das Risiko, dass bei mangelnder Qualität der Planung, Ausführung und Inbetriebnahme, die angestrebten Ziele nicht erreicht werden. Daher ist eine begleitende Qualitätssicherung ab dem Zeitpunkt der Projektentwicklung bis zur Technikmediation mit den BewohnerInnen sehr hilfreich. Ein erprobtes Werkzeug für diese Qualitätssicherung wäre beispielsweise eine Gebäudezertifizierung nach der DGNB-Methode: Zu Beginn der Planung werden die Qualitätsziele in Absichtserklärungen detailliert festgelegt und ein begleitendes Audit liefert die notwendigen Qualitätskontrollen für die einzelnen Projektphasen. Den Abschluss bildet auch hier ein Monitoring um die Haustechnikanlagen zu optimieren und um die Erreichung der Planungsziele zu überprüfen.
Fakten
  • Projektträger
    Universität für Bodenkultur Wien, Institut für konstruktiven Ingenieurbau (IKI), Arbeitsgruppe Ressourcenorientiertes Bauen
  • Projektleitung/Bearbeiter
    Martin Treberspurg
    Roman Smutny
    Ulla Ertl-Balga
    Roman Grünner
    Christoph Neururer
  • Projektpartner
    Uni Salzburg: Alexander Keul
    FGW: Birgit Schuster, Andreas Oberhuber, Kerstin Götzl
    WU-Wien: Philipp Kaufmann
  • Laufzeit
    Jänner bis Dezember 2009
  • Kontakt
    martin.trebersburg[at]boku.ac.at
    roman.smutny[at]boku.ac.at
  • Downloads
  • Abstract 564.04 KB
    Projektbericht 6.45 MB